Mittwoch, 20. Mai 2020

Anmerkungen zum Berufspolitiker, oder Gott, Beruf und Wahl


Spontan könnte gemeint sein, daß damit die Vorstellung des Berufenseins oder Berufenwerdens verbunden sei, daß eben Politik professionell betrieben würde, ja das der Begriff des Berufes auch eine Ausbildung in zu diesem Berufe impliziere. Sogenannte Anlernkräfte üben keinen Beruf aus, sondern eine Tätigkeit, die leicht erlernbar sei und die keine besondere Qualifikation bedürfe: Die kann im Prinzip jeder.
Aber es kommen doch Bedenken: Warum heißen heutzutage die Arbeitsämter Jobcenter? Die Antwort fällt nicht schwer: Der Begriff des Berufes ist eine Vorstellung aus dem Vorstellungsraum der Religion, daß Gott Menschen zu etwas bestimme. Als erstes ist da an Berufungen zum Propheten- und Königsamt zu denken, aber unüblich wäre es, von der Berufung des Jüdischen Volkes zu sprechen, Gott hat es erwählt, nicht berufen. Jesus Christus beruft dann Menschen zu seinen Schülern (Jünger), er beruft isb die 12 zu Aposteln. Im Sinne des Apostelfürsten Paulus kann gesagt werden, daß Gott zu verschiedenen Berufen in der Kirche zum Aufbau der Kirche beruft.
Wahrscheinlich stammt die Vorstellung, daß jede Erwerbstätigkeit eine Berufung dazu durch Gott impliziere, auf Luther, auf die Reformation zurück, zumindest wenn die dialektische Einheit der Aufwertung jeder Erwerbstätigkeit zu einem Beruf mit der Abwertung des Priestertumes zu, daß sei auch nur ein Beruf wie jeder weltliche, mitbedacht wird. Das Priestertum wird säkularisiert und das Berufsleben geheiligt. Dieser Bruch findet seinen signifikanntesten Ausdruck in der Auflösung der Klöster, daß nun die Mönche zu weltlich Berufstätigen werden mußten und die Nonnen verheiratet wurden: ein großer Schritt zur Verweltlichung der Kirche.
Aber dem steht konträr gegenüber die religiöse Deutung und Aufladung des weltlichen Erwerbslebens: Der Beruf avanciert zu dem Ort der Heiligung, dem aktiven Leben, das den bisherigen religiösen Primat des contemplativen Lebens überwand. (So ist es selbstverständlich geworden, daß von der Nächstenliebe praktizierenden Marta gesagt wird, daß sie und nicht die contemplative Maria- gegen Jesu eindeutige Aussage- das bessere Teil gewählt hat. Lk, 11, 38-42)
So gesehen stellt der Begriff des Berufspolitikers einen Fremdkörper in der postchristlichen Gesellschaft dar: In ihr beruft Gott nicht mehr und wir haben Jobs, deren Ausübung uns Spaß zu machen hat, denn nur wem sein Arbeiten Spaß mache, der arbeite auch gut, so eines der Dogmen der postmodernen Spaßgesellschaft. Aber der Begriff des Berufes für weltliche Erwerbstätigkeiten ist auch ein Ausdruck einer Säkularisierung, der der Verweltlichung der Kirche durch Luther,
Aber seit dem die Staaten nicht mehr von Gott zum Regieren Berufener geleitet werden, sondern durch zum Volke dazu Gewählter, wir leben in der Epoche der Demokratie, heißt jetzt Berufspolitiker, zum Politiker Gewählte durch demokratisch durchgeführte Wahlen. Berufen ist, wer so gewählt wird in Parlamente oder in Vorstandsschaften von politischen Parteien. Ein Berufspolitiker ist nun der, der seinen Lebensunterhalt durch den Beruf des Politikers erwirtschaftet.
Es soll nun als Antityp die Vorstellung des idealistischen Politikers konstruiert werden, um nun das Besondere des Berufspolitikers zu erfassen. Der idealistische Politiker ist ein Anhänger politischer Ideen, und will diese realisieren. Seine politische Praxis ist die der Umsetzung von politischen Ideen, eingeschrieben in eine politische Ideologie, etwa der conservativen oder der sozialistischen etc. Ein Berufspolitiker dagegen will gewählt werden, um ein politisches Amt im Parlament oder in einer Partei zu bekommen, um so seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Hier sind nun die politischen Ideen und Programme ein Mittel, um ob dieser gewählt zu werden. „Was sollte ich vertreten und was nicht, damit ich gewählt werde?, ist nun seine Lebensfrage. So eigentümlich es auch klingt: Dem Berufspolitiker wird die Politik zum bloßen Mittel, während dem idealistischen Politiker er sich als Mittel der Realisierung von politischen Ideen versteht. Das Sachgemäße konzipiert der idealistische Politiker aus seinen politischen Ideen, der Berufspolitiker aus dem, von dem er sich verspricht, daß es beim Wähler ankommt. Die Demoskopie ersetzt so beim Berufspolitiker die politischen Ideen, das ist dann der Pragmatismus des professionellen Berufspolitikers. Dazu bedarf er nun auch keiner spezifischen Berufsausbildung, er muß nur lernen, wie eine Anlernkraft, Menschen für sich gewinnen zu können! Wird er dann von genügend vielen gewählt in ein Amt, mit dem er sein Geld verdient, darf er sich Berufspolitiker nennen.

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