„Protest
ist, wenn ich sage, das und das paßt mir nicht. Widerstand ist, wenn
ich dafür sorge, daß das, was mir nicht paßt, nicht länger
geschieht. Protest ist, wenn ich sage, ich mache nicht mehr mit.
Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, daß alle andern auch nicht
mehr mitmachen.“
Mit
diesem Zitat präludiert die Internetseite „Gegenstrom-Metapol“
ihren aktuellen Kommentar zu den Protestdemonstrationen gegen die
staatlichen Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Coronoseuche: „Der
Protest wächst-eine Bestandaufnahme“ (18.Mai
2020). Bedenkenswert ist in diesem Zitat die Stellung des Iches: Ich,
was mir nicht paßt, wenn ich dafür sorge! Dieser
Text wird ganz erfüllt von dieser Dominanz des Iches.
Diesem Ich stehen
zwei Möglichkeiten offen, zu protestieren und Widerstand zu leisten.
Widerstand zu leisten ist dabei die vorzuziehende Option. Was Ich
will, das sollen alle
wollen. Das zu erreichen, ist das Ziel des Widerstandes. Worin
begründet sich nun das Recht, daß mein Wollen das Wollen aller
werden soll?In nichts, außer daß es mein Wille ist. Es gibt nur
ein Problem: Wie schaffe ich es, daß mein Wille der Wille aller
wird?
Dies
Zitat wird einer RAF-Terroristen zugesprochen (siehe die dortige
Fußnote). Eines liegt aber wirklich nahe, daß diese
Verabsolutierung meines Willens eine Terrorherrschaft verlangt, damit
es nur noch einen relevanten Willen geben kann, den meinigen! Ist das
aber nicht wirklich die Konsequenz dieses anarchischen Ansatzes, daß
nur das Ich kennt:
Was ich will,das haben alle zu wollen, nur weil
ich es will.
Besagt
dies Zitat nun auch etwas aus über den Protest wider die staatlichen
Schutzmaßnahmen? Der Kommentar meint das wohl, auch wenn in der
Gegenüberstellung von dem Protest und dem Widerstandleisten eine
Kritik des Protestierens mitanklingt: Sie sollten aufhören zu
protestieren und mit dem Widerstand anfangen.
Wir
sehen vor uns einen klassischen Konflikt zwischen dem Allgemeinen,
der Sphäre des Staates, der auf das Allgemeinwohl des Volkes
ausgerichtet ist und der Sphäre der Gesellschaft, die durch das Mit-
und Gegeneinander von Privatinteressen bestimmt ist. In einer
pluralistisch verfaßten Gesellschaft entsteht so immer der
Generalverdacht, daß partikularistische Interessengruppen sich den
Staat angeeignet haben, ihn sozusagen privatisiert haben,um so ihr
Partikularinteresse als das vermeintliche Allgemeinwohl
durchzusetzen. Dann verträten Bürger plötzlich das
Allgemeininteresse wider den verprivatisierten Staat.
Nur,
wie ist zu begründen, daß dieses Ich des
Protestierens und Widerstandsleistens ein Subjekt ist, in dem sich
das Allgemeinwohl artikuliert? Es ist doch nur ein Ich,
das aussagt, was es
will und daß das der Wille aller zu werden hat, weil das dies Ich
so will! Ein Zusammenhang zwischen so einem gearteten Egozentrismus
und einer totalitären Herrschaft ist offenkundig. Es fehlt nämlich
die Bereitschaft einer selbskritischen Prüfung, inwieweit
tatsächlich mein Wollen berechtigt ist, das Wollen aller werden zu
dürfen.
Wenn
Jesus Christus als die Wahrheit sagt, daß alle Menschen so leben
sollten, wie er es lehrt, dann gründet sich diese Verallgemeinerung,
daß nicht nur er so leben soll, wie er lebt, in seiner Wahrheit. Was
ist aber die Wahrheit dieses protestierenden und Widerstand
leistenden Iches?
Es ist einfach der Wille, sich vom Staat nicht vorschreiben lassen zu
wollen, wie sich alle Staatsbürger angesichts der Coronaseuche zu
verhalten haben. Meine Freiheit bestünde eben darin, daß ich lebe,
wie ich es will: Das konstituiert das Ich des
Protestes und des Widerstandes.
Es ist das Ich des
autonomen Menschen, das seine Subordination unter ein Wir ablehnt,
weil es nur als Einzelich sich
frei wähnt. Der Staat darf meine bürgerliche Freiheit und das ist
vor allem das Recht des homo oeconomicus, Geschäfte zu machen und
das Recht des postmodernen Spaßmenschen: Ich will
Spaß!, nicht einschränken, denn der Staat ist ja nur für meine
Freiheitsrechte da.
Ideengeschichtlich
basiert diese Egozentrik auf die nominalistische Philosophie, daß es
nur das Einzelne gibt, alle Abstraktbegriffe nur Namen für etwas
Nichtseiendes sind, also, es gibt nur Einzelmenschen aber kein Volk,
keine Gemeinschaft, kein „Wir“ sondern nur atomisierte Iche mit
Ichbegierden und je eigenen Wünschen und der daraus abgeleiteten
Ideologie des Liberalismus.
So
verrückt kann es in der Politik zugehen: Eine Regierung, die sich
bisher von der liberalistischen Ideologie leiten ließ, regiert
plötzlich conservativ, indem sie Partikularinteresssen, auch die der
Wirtschaft dem Allgemeinwohl unterordnet, dem des Schutzes der
Volksgesundheit und „Rechtspopulisten“ und „Rechte“ mutieren
zu Parteigängern des Liberalismus im Namen der unaufgebbaren
Privatbürgerrechte, als hätte der Staat, auch gerade nach dem
geltenden Grundgesetz nicht auch das Recht, bürgerliche Rechte um
des Allgemeinwohles willen einzuschränken.So wird individualistische
Freiheit verabsoluiert zu Lasten des Allgemeinwohles.
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