Samstag, 2. Mai 2020

Fernsehgottesdienste? Erlebe ich da eine echte Messe?

Mosebach: "Eine Direktübertragung ist nicht die Sache selbst" Livestream-Messen haben für ihn den Charakter einer Fotografie, sind nicht die Sache selbst: Der Schriftsteller Martin Mosebach über die Schutzbedürftigkeit des Messmysteriums im Zeitalter der Pandemie.

So steht es am 2.Mai in der Tagespost geschrieben. Es muß konstatiert werden, daß es nun schon seit langem Fernsehübertragungen von Gottesdiensten gibt, aber zu einem wirklichen Gegenstand theologischer Reflexion, dazu sind sie noch nicht avanciert. Was ist aber dazu zu sagen, wenn ein Priester Rosenkränze segnet und erklärt, daß die Fernsehgottesdienstteilnehmer ihre Rosenkränze auch vor das Fernsehgerät legen könnten, denn dann würden sie auch gesegnet?
Mosebach geht es aber um noch grundsätzlichere Probleme. Präzise sei zu fragen, ob ein am Fernseher oder am Computer eine Liveübertragung einer hl. Messe Mitverfolgender wirklich an dem Gottesdienst teilnimmt.Denn wenn eine Direktübertragung nicht die Sache selbst, ein Gottesdienst ist, woran nimmt dann der Fernsehzuschauer teil?
Zudem: Hl. Messen werden in dazu geheiligten Räumen gefeiert. Dieser Raum lebt aus seiner Differenz zur profanen Umwelt. Diese Differenz ist konstitutiv für die hl. Handlungen des Kultes. Es ist keine Marotte, wenn die Bibel gerade die jüdischen Könige besonders lobt, die die Kulthöhen abschufen, wo zwar Jahwe verehrt wurde, aber an dafür bestimmten Orten. Nur geheiligte Orte sind so für jeden religiösen Kult geeignete. (Es muß aber festgehalten werden, daß hier eine laxe Praxis in der Kirche sich eingeschlichen hat, überall, wo es gefällt, Messen zu feiern und so sie der Gefahr einer Profanisierung auszusetzen.
Indem nun der Fernsehgottsdienstzuschauer bei sich Daheim den Gottesdienst „mitfeiert“ (?), wird dadurch nicht die Eucharistiefeier profanisiert? Mosebach spricht so von dem notwendigen Schutz des Heiligen vor seiner Profanisierung.Das klingt überzeugend.
Aber doch bleiben Fragen der Ästhetik. Wenn ich Tolkiens „Herr der Ringe“ lese, wo bin ich dann, wenn ich diesen Roman wirklich lese? Da, wo, ich sitze oder liege während meines Lesens? Nein, ich bin dann in der reinen Phantasiewelt des Romanes. Daß ein Roman ein solches in ihm leben, ermöglicht, das ist gerade ein Kriterium seiner ästhetischen Qualität. Der Mensch lebt nicht nur in einem Universum, er lebt auch in künstlich erschaffenen, in denen er wie beim Kunstgenießen eingeht, um in dem Werk zu sein. Solange ich nur distanziert lese,lese ich keinen Roman, keinen fiktiven Text sondern eher ein Sachbuch, etwa die Geschichte der Philosophie.
Wo ist also ein Fernsehzuschauer, wenn er schaut? Wählen wir ein besonders für diese Frage geeignetes Genre, den Horrorfilm (Etwa: Die schwarze 13- ein Meisterwerk dieses Genres!) oder die wunderschöne Sissi-Triologie mit der darin überragend spielenden Romy Schneider. Solche Filme saugen den Zuschauer geradezu in sich hinein, das da Geschaute wird so zum Selbsterlebten.
Das macht die wesentliche Differenz zwischen toten Bildern, einer Photographie und lebendigen Bildern aus. Sie sind so lebendig, daß sie den Zuschauer in sich aufnehmen können. Jeder Lehrer kennt Schüler, die still und brav im Klassenzimmer auf ihrem Stuhl sitzend, aber statt auf den Lehrer zu hören, vor sich hinträumen. Wo immer sie dann auch sind, sie sind geistig abwesend, weil sie ganz woanders geistig weilen. Wie sollte das frisch verliebte Mädchen auch sich auf Physikalisches konzentrieren können, ist doch ihr Herz ganz erfüllt von ihrem Allerliebsten.
Der Mensch ist nicht immer da, wo er ist, weil er im Geiste Orte seines Begehrens aufsuchen kann. Etwas ästhetisch genießen inkludiert so immer auch einen Raumwechsel.
Wo ist also der vor dem Fernseher eine hl. Messe Genießender? Er ist in der Messe. Es kann aber passieren, daß er vor dem geöffneten Tor zum Eintritt in die Messe stehen bleibt, sodaß sie ihn nicht erreicht. Das kann sich aber genauso ereignen bei Gottesdienstbesuchern in der Kirche. Sie sind dann zwar in der Kirche, äußerlich, aber sie können dabei dem Gottesdienst so fern sein, wie der vor sich hin träumende Schüler dem Schulunterricht. 

Corollarium 1
Was sehe ich, wenn ich sehe? Bilder der Wirklichkeit, denn ich sehe nie die Wirklichkeit sondern immer nur ein von mir produziertes Bild von der Wirklichkeit. Von meiner Sinneswahrnehmung ausgehend wird in mir durch mein Erkenntnisvermögen ein  Bild hervorgebracht, das für  mich dann die Außenwelt ist. Kant wollte daraus gar folgern, da ich nie bei der Reflexion meines Erkennens auf den unbearbeiteten Rohstoff der Wirklichkeit stoße, dies als "Ding an sich" zu bezeichnen, das mir Unerkennbare.  

Corollarium 2
Live im Fußballstadium, das Spiel wird angepfiffen. Wohin schauen die Menschen im Stadium? Nicht zur Rasenfläche, wo jetzt Fußball gespielt wird sondern auf einen riesigen Bildschirm, auf dem das Spiel, damit alle das Geschehen gut sehen können, live übertragen wird.  


1 Kommentar:

  1. Diasporakatholik5. Mai 2020 um 00:01

    Ich bin auch dagegen, live übertragene hl. Messen am Fernsehen klein oder gar schlecht zu reden.

    Schließlich sind die Übertragungen ja ursprünglich für Kranke oder Alte gemacht, die oftmals sogar den ganzen Rest ihres Lebens eben auf diese Form der Messe aufzunehmen angewiesen sind.

    Wäre das alles nichts und kirchlicherseits keine anerkannte Not-Form der Teilnahme, dann bräuchte man das nicht und sollte sogar besser auf Übertragungen von Gottesdiensten ganz verzichten.

    Was der Snob Manfred Mosebach dabei von Fernsehgottesdiensten hält, ist mir herzlich gleichgültig. Sollte er selbst mal in die Situation längerer oder gar chronisch-unheilbarer Erkrankung oder einfach nur altersbedingter Hinfälligkeit kommen, so wird auch er vielleicht anders von live übertragenen Fernsehmessen reden.

    Auch mir drängt sich bei der Frage der "Gültigkeit" übrigens der Vergleich zu übertragenen Fußballspielen auf:

    Nur die wenigstens Zuschauer auf der weiten Welt können z.B. ein Endspiel der Fußballweltmeisterschaft physisch im betr. Stadion selbst miterleben, sondern sind zu zig Millionen auf die Live-Übertragungen in Echtzeit angewiesen. Sie fiebern vor den Empfangsbildschirmen mit, und wer wollte ihnen wohl ernsthaft absprechen, nicht auf diese Art bei dem betr. Spiel mit dabei gewesen zu sein und es nicht miterlebt zu haben?

    Es kommt also auf die innere Sammlung und Einstellung des Einzelnen an, wie sehr er eine hl. Messe erlebt und mitverfolgt - sei es in der Kirche oder aber live am Fernseher.

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