Dienstag, 16. Juni 2020

Eine Theologie des Schreckens-Erwähltsein?

Erwählt sein? Eine dunkle Seite in der Gotteslehre? Eine kleine Begebenheit aus dem Berufsleben: Ein langer Arbeitstag in dem Callcenter ging zu Ende, sommerliche Hitze, stickige Luft, aber der Feierabend näherte sich. „Der Bureauleiter hat uns auf ein Bier eingeladen nach Arbeitsschluß gleich in der Nähe des Bureaus.“ Beflügelt räumte ich den Arbeitsplatz zusammen, müd aber voller Vorfreude gingen wir zum Eingang des Bierlokales. „Sie habe ich aber nicht eingeladen!“ rief da der Chef. Da stand ich wie ein begossener Pudel vor dem Eingang, die Erwählten gingen hinein, ich mußte draußen bleiben.
Erwählung, das impliziert ein Subjekt des Erwählens, eine Menge, aus der heraus erwählt und ein Wozu erwählt wird. Theologisch: Der dreifaltige Gott erwählt Menschen oder ein Volk (Israel) zum Heil, daß er den Erwählten Gott sein will zu ihrem Heil im Unterschied zum Berufen Gottes, daß Gott zu einer bestimmten Aufgabe erwählt. Wenn Gott erwählt, erwählt er dann andere nicht? Gibt es nur nicht zum Heil Erwählte oder auch zum Unheil Erwählte? (Ersteres lehrt die Katholische Kirche, Zweiteres der Calvinismus.)
Ist die Erwählung unveränderlich, sodaß gilt, wer erwählt ist, bleibt es, er kann sie nicht verlieren oder kann die Erwählung verloren werden? Ist dann die Nichterwählung oder Erwählung zum Unheil eine unveränderliche, oder kann ein Nichterwählter zum Erwählten werden?


Erwählt Gott nach Gründen, daß er Menschen ob bestimmter Qualitäten erwählt oder erwählt er willkürlich? Oder erwählt er konditional: Erwählt ist der, der die Condition X erfüllt. Die Vorstellung, daß Gott in Ewigkeit vor der Schaffung der Welt schon erwählt hätte, (dies impliziert die eigentümliche Vorstellung, daß die Ewigkeit vor der Zeit war) evoziert die Frage, ob Gott in seinem Vorauswissen alles Zukünftigen die Menschen nach seiner Erkenntnis des Zukünftigen erwählt, wenn er nach bestimmten Qualitäten ausgerichtet Menschen erwählt.


Könnte es so Menschen geben, die weil sie Nichterwählte sind, keine Möglichkeit haben, das Heil zu erlangen und könnte es Menschen geben, die weil sie Erwählte sind, das Heil erlangen werden, daß es für diese also unmöglich wäre, dies Ziel des Heiles nicht zu erreichen? Oder ist die Frage, ob wer das Heil erlangt oder auch nicht erlangt, abhängig davon, wie sich ein Mensch zu Gott verhält? Ist dann dieses Verhalten als kontingentes zu denken, in seiner Freiheit kann der Mensch sich so oder so zu Gott verhalten oder ermöglicht nur die Gnade Gottes es, daß ein Mensch sich so verhalten kann, wie Gott es will und daß diese Gott nur den Erwählten zukommen läßt oder allen?Könnten dann Erwählte trotz der Gnade nicht so leben, wie sie es sollten und so ihrer Erwählung zum Heile verlustig gehen?


Gottes Gnadenwahl, sobald über sie angefangen wird, nachzudenken, löst sich in eine Unzahl von Fragen auf, die wiederum Fragen provozieren, daß kein Ende des Fragens in Sicht kommt. Wenn dann gar noch nach Antworten gesucht wird, findet das Bücherschreiben kein Ende mehr.


Ist nun die Vorstellung von Gott als die Liebe die Lösung all dieser Fragen? Wenn von Gottes Liebe gesprochen wird, muß bei aller Differenz zur menschlichen Liebe diese göttliche Liebe auch etwas mit der menschlichen Liebe gemein haben (Lehre von der Analogia entis), sonst würde uns die Aussage: Gott liebt!, nichts Verständliches aussagen. Ist die menschliche Liebe (jetzt als das Gefühl gemeint) grundlos, daß ich Dich liebe, nur weil ich Dich liebe, daß es keinen anderen Grund dafür gibt, oder sollte es Gründe für die Liebe geben: Ich liebe Dich, weil Du schön und gut bist? Oder sollte es eher so sein, daß die Liebe die Geliebte erst schön und gut werden läßt in den Augen des Liebenden? Liebe selektiert, sie wählt aus: Sagte ein Mann zu einer Frau: Ich liebe Dich, wie ich jede Frau liebe, wäre das das Ende dieser Liebe. Verlangte dagegen die Frau von diesem Manne, daß er nur sie zu lieben habe, weil sie die Attraktivste sei, würde sich herausstellen, daß das Schönsein kein Grund dafür ist, auf ein Recht, geliebt zu werden, zu insistieren.
Es gibt kein Recht auf Liebe noch ist das Geliebtwerden durch eine Qualität erwirkbar: Bin ich nur attraktiv und gut, bin ich zu lieben. So sehr diese Erwägungen nun auch weitergeführt werden würden, es zeichnet sich hier kein Punkt ab, der uns bei der theologischen Frage weiterhilfe.


Oder soll Liebe hier meinen, das Gute zu wollen? Gott liebt die Menschen hieße dann, daß er allen Gutes wolle. Dann ergibt aber die Vorstellung des Erwählens keinen Sinn mehr, denn wenn alle erwählt sind, ist keiner erwählt. Gott wolle so nur den Erwählten das Gute, meint das dann das Erwähltsein? Erwählt er dann willkürlich oder nach Kriterien, ermöglicht durch sein vollkommenes Vorrauswissen alles Zukünftigem?


Oder sollte das Erwählen wie eine Formel gedacht werden: Wer x,y, erfüllt, der ist dann ein von Gott Erwählter und weil er vorrausweiß, wer x,y, erfüllen wird im Endgericht, sind die von Ewigkeit Erwählte? Dann müßte nur noch geklärt werden, welches die Bedingungen x,y sind und inwieweit sie von Gott gewirkt und inwieweit sie vom Menschen zu erwirken sind. Und damit reproduzieren sich alle Probleme des Erwählens Gottes:Wirkt er bei allen das zum Heil Notwendige, oder nur bei den Erwählten, kann jeder das Heil verfehlen, wenn er das ihm Aufgetragene nicht wirkt, oder geschieht das nur den Nichterwählten? 
Auch löst das Kreuz Christi dies Problem nicht, denn es bleiben dann diese Fragen, ob das Kreuz effektiv nur für die Erwählten oder auch für die Nichterwählten das Heil ist, ob Erwählte das durch das Kreuz gewirkte Heil verlieren können oder nicht, usw. 
 
Es ist kein Wunder, daß heutzutage vom Erwählen Gottes nicht mehr gesprochen wird, es sei denn so: Gott liebt jeden, er hat jeden erwählt. Aber wie, wenn es da manchem so erginge wie mir mit der Einladung zum Bier nach der Arbeit?





























































































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