Erwählt
sein? Eine dunkle Seite in der Gotteslehre? Eine kleine Begebenheit
aus dem Berufsleben: Ein langer Arbeitstag in dem Callcenter ging zu
Ende, sommerliche Hitze, stickige Luft, aber der Feierabend näherte
sich. „Der Bureauleiter hat uns auf ein Bier eingeladen nach
Arbeitsschluß gleich in der Nähe des Bureaus.“ Beflügelt räumte
ich den Arbeitsplatz zusammen, müd aber voller Vorfreude gingen wir
zum Eingang des Bierlokales. „Sie habe ich aber nicht eingeladen!“
rief da der Chef. Da stand ich wie ein begossener Pudel vor dem
Eingang, die Erwählten gingen hinein, ich mußte draußen bleiben.
Erwählung,
das impliziert ein Subjekt des Erwählens, eine Menge, aus der heraus
erwählt und ein Wozu erwählt wird. Theologisch: Der dreifaltige
Gott erwählt Menschen oder ein Volk (Israel) zum Heil, daß er den
Erwählten Gott sein will zu ihrem Heil im Unterschied zum Berufen
Gottes, daß Gott zu einer bestimmten Aufgabe erwählt. Wenn Gott
erwählt, erwählt er dann andere nicht? Gibt es nur nicht zum Heil
Erwählte oder auch zum Unheil Erwählte? (Ersteres lehrt die
Katholische Kirche, Zweiteres der Calvinismus.)
Ist die
Erwählung unveränderlich, sodaß gilt, wer erwählt ist, bleibt es,
er kann sie nicht verlieren oder kann die Erwählung verloren werden?
Ist dann die Nichterwählung oder Erwählung zum Unheil eine
unveränderliche, oder kann ein Nichterwählter zum Erwählten
werden?
Erwählt
Gott nach Gründen, daß er Menschen ob bestimmter Qualitäten
erwählt oder erwählt er willkürlich? Oder erwählt er konditional:
Erwählt ist der, der die Condition X erfüllt. Die Vorstellung, daß
Gott in Ewigkeit vor der Schaffung der Welt schon erwählt hätte,
(dies impliziert die eigentümliche Vorstellung, daß die Ewigkeit
vor der Zeit war) evoziert die Frage, ob Gott in seinem Vorauswissen
alles Zukünftigen die Menschen nach seiner Erkenntnis des
Zukünftigen erwählt, wenn er nach bestimmten Qualitäten
ausgerichtet Menschen erwählt.
Könnte
es so Menschen geben, die weil sie Nichterwählte sind, keine
Möglichkeit haben, das Heil zu erlangen und könnte es Menschen
geben, die weil sie Erwählte sind, das Heil erlangen werden, daß es
für diese also unmöglich wäre, dies Ziel des Heiles nicht zu
erreichen? Oder ist die Frage, ob wer das Heil erlangt oder auch
nicht erlangt, abhängig davon, wie sich ein Mensch zu Gott verhält?
Ist dann dieses Verhalten als kontingentes zu denken, in seiner
Freiheit kann der Mensch sich so oder so zu Gott verhalten oder
ermöglicht nur die Gnade Gottes es, daß ein Mensch sich so
verhalten kann, wie Gott es will und daß diese Gott nur den
Erwählten zukommen läßt oder allen?Könnten dann Erwählte trotz
der Gnade nicht so leben, wie sie es sollten und so ihrer Erwählung
zum Heile verlustig gehen?
Gottes
Gnadenwahl, sobald über sie angefangen wird, nachzudenken, löst
sich in eine Unzahl von Fragen auf, die wiederum Fragen provozieren,
daß kein Ende des Fragens in Sicht kommt. Wenn dann gar noch nach
Antworten gesucht wird, findet das Bücherschreiben kein Ende mehr.
Ist nun
die Vorstellung von Gott als die Liebe die Lösung all dieser Fragen?
Wenn von Gottes Liebe gesprochen wird, muß bei aller Differenz zur
menschlichen Liebe diese göttliche Liebe auch etwas mit der
menschlichen Liebe gemein haben (Lehre von der Analogia entis), sonst
würde uns die Aussage: Gott liebt!, nichts Verständliches aussagen.
Ist die menschliche Liebe (jetzt als das Gefühl gemeint) grundlos,
daß ich Dich liebe, nur weil ich Dich liebe, daß es keinen anderen
Grund dafür gibt, oder sollte es Gründe für die Liebe geben: Ich
liebe Dich, weil Du schön und gut bist? Oder sollte es eher so sein,
daß die Liebe die Geliebte erst schön und gut werden läßt in den
Augen des Liebenden? Liebe selektiert, sie wählt aus: Sagte ein Mann
zu einer Frau: Ich liebe Dich, wie ich jede Frau liebe, wäre das das
Ende dieser Liebe. Verlangte dagegen die Frau von diesem Manne, daß
er nur sie zu lieben habe, weil sie die Attraktivste sei, würde sich
herausstellen, daß das Schönsein kein Grund dafür ist, auf ein
Recht, geliebt zu werden, zu insistieren.
Es gibt
kein Recht auf Liebe noch ist das Geliebtwerden durch eine Qualität
erwirkbar: Bin ich nur attraktiv und gut, bin ich zu lieben. So sehr
diese Erwägungen nun auch weitergeführt werden würden, es zeichnet
sich hier kein Punkt ab, der uns bei der theologischen Frage
weiterhilfe.
Oder
soll Liebe hier meinen, das Gute zu wollen? Gott liebt die Menschen
hieße dann, daß er allen Gutes wolle. Dann ergibt aber die
Vorstellung des Erwählens keinen Sinn mehr, denn wenn alle erwählt
sind, ist keiner erwählt. Gott wolle so nur den Erwählten das Gute,
meint das dann das Erwähltsein? Erwählt er dann willkürlich oder
nach Kriterien, ermöglicht durch sein vollkommenes Vorrauswissen
alles Zukünftigem?
Oder
sollte das Erwählen wie eine Formel gedacht werden: Wer x,y,
erfüllt, der ist dann ein von Gott Erwählter und weil er
vorrausweiß, wer x,y, erfüllen wird im Endgericht, sind die von
Ewigkeit Erwählte? Dann müßte nur noch geklärt werden, welches
die Bedingungen x,y sind und inwieweit sie von Gott gewirkt und
inwieweit sie vom Menschen zu erwirken sind. Und damit reproduzieren
sich alle Probleme des Erwählens Gottes:Wirkt er bei allen das zum
Heil Notwendige, oder nur bei den Erwählten, kann jeder das Heil
verfehlen, wenn er das ihm Aufgetragene nicht wirkt, oder geschieht
das nur den Nichterwählten?
Auch löst das Kreuz Christi dies Problem nicht, denn es bleiben dann diese Fragen, ob das Kreuz effektiv nur für die Erwählten oder auch für die Nichterwählten das Heil ist, ob Erwählte das durch das Kreuz gewirkte Heil verlieren können oder nicht, usw.
Es ist
kein Wunder, daß heutzutage vom Erwählen Gottes nicht mehr
gesprochen wird, es sei denn so: Gott liebt jeden, er hat jeden
erwählt. Aber wie, wenn es da manchem so erginge wie mir mit der Einladung zum Bier nach der Arbeit?
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