Da
saß der Wolf,leckte sich die Lippen, das Schafsblut von ihnen ab
und sinnierte so vor sich hin: Diese Welt muß ein guter Gott
erschaffen haben, denn wie könnte es sonst so sein,daß es so
wohlschmeckende Schafe gibt, eigens für uns Wölfe. Daß heute am
Sonntag, an dem ich Ausschau hielt nach meinem Sonntagsmenü, dies
Schaf vor meine Augen kam, das kann kein Zufall sein, nein, Gott
regiert als Vorsehung und schenkte mir so an diesem besonderen Tage
dies Festmahl.
Das
Schaf, entsetzt blickt es auf das Raubtiermaul des Wolfes; fliehen
konnte es nicht, denn eines seiner Hinterbeine war noch verstaucht-
seine letzten Gedanken, bevor es zerbissen und gefressen wurde: Diese
Welt muß ein böser Gott erschaffen haben, denn wie könnte es sonst
so sein, daß es so fürchterliche Wölfe gibt als unsere Todfeinde.
Daß gerade heute, wo ich nicht richtig und somit fliehen kann, mein
Todfeind mir begegnet, das kann kein Zufall sein, nein, ein böser
Gott regiert diese Welt.
Wer
ist nun der bessere „Theologe“, der Wolf oder das Schaf? Ein
Ereignis, für den Wolf und für das Schaf und doch zwei völlig
verschiedene „Theologien“? Oder zeigt das uns Beobachtern, daß
es gar keinen Gott gibt? Oder sollten wir hier mit Luther vom deus
absconditus reden, dem uns verborgenen, völlig unbegreiflichen
Gott? (In loser Anlehnung an Lacan könnte dieser Gott dann als der
reale bezeichnet werden hinter der Maskerade des symbolischen Gottes,
des in dem Glauben eingeschriebenen Gottes),
Alle
von Erkenntnissen in der Welt zur Gotteserkenntnis aufsteigenden
Denk-bewegungen leiden, wenn sie sich nicht einfach die Perspektive
des Wolfes zu eigen machen und die des Schafes vergessen an der
Ambiguität der Welterfahrungen, daß sie eine des Fressens und
Gefressenwerdens ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen