Sonntag, 14. Juni 2020

Vom Elend des Protestantismus- es geht auch ohne Gott!

Wer sich einen manifesten Einblick in den Niedergang der reformatorischen Theologie verschaffen möchte, dem sei die Akademievorlesung "Die Neuformulierung des christlichen Glaubens in der Reformation"von Professor Slenczka wärmstens empfohlen. (über Google leicht zu finden) Wir stehen hier am Sterbelager der versichenden evangelischen Theologie in ihrer Metamorphose des liberalen Kulturprotestantismus,zu dem die reformatorische Theologie sich deformiert hat. Das ist nun kein Grund zur Schadenfreude, sondern dies Endzerfallsstadium zeigt uns nur aufs eindringlichste auf, wohin die Katholische Kirche mit ihrer Theologie entarten kann, verfolgt sie weiter ihr Konzept der Selbstverprotestantisierung.
Es sollen nun nur die Kernpunkte dieser Theologievorlesung skizziert werden. Sie beginnt mit einem Paukenschlag. Vorreformatorisch sei unter dem Gegenstand der Theologie Gott verstanden als Lehre von Gott. Aber Luther revolutioniere diese Vorstellung, denn der Mensch sei der wahre Gegenstand der Theologie. Unter zur Hilfenahme eines Textes des frühen Melanchton dekretiert er, was nun nicht mehr zur Theologie gehöre: die Gotteslehre, isb die Trinitätslehre, nicht die Christologie, wie Gott Mensch wurde, wie er wahrer Gott und wahrer Mensch sein könne, sondern es hieße Christus erkennen sei, seine Wohltaten an uns zu erkennen! Der Mensch rücke so in das Zentrum der „Theologie“: Was ist der Mensch? Darum definiere Luther als den Gegenstand der Theologie den Menschen, wie er angeklagt wird (durch Gott) und wie er erlöst wird. Gott habe hier somit nur eine Bedeutung, insofern er der menschlichen Selbsterkenntnis diene.
Dann erfolgt eine etwas in den Gedankengang nicht recht integrierte Polemik gegen ein magisches Sakramentenverständnis. Nur ein Wort erreiche das Innere des Menschen und durch ein Wort könne er sich innerlich verändern, etwa in dem er durch einen Vortrag in seiner Ansicht zu etwas sich in diesem Punkte ändert. Kein Sakrament könne als dinglich Äußerliches den Menschen wirklich in seinem Inneren erreichen. Damit verwirft dieser Professor natürlich nicht nur die katholische Lehre von den Sakramenten, sondern auch die Luthers, aber nicht ganz unrechtens, denn nie gelang es Luther und die ihm Folgenden zu begründen, wie Luthers Hauptaxiom: allein durch das Wort!,kompatibel sein soll mit der lutherischen Lehre des Taufsakramentes und vom Abendmahl. So wird hier nicht inkonsequent die Sakramente als magische Praxis abgeurteilt. (Vgl als Alternative die sehr gediegene Darlegung der lutherischen Sakramentenlehre in Werner Elerts „Morphologie des Luthertums“, die aber keine Antwort findet auf die Frage der Verhältnisbestimmung von Wort und Sakrament.)
Das Innere des Menschen sei nun aber seine Freiheit und Unfreiheit zugleich. Diese erstlich recht paradox klingende Formulierung löst dieser Vortrag aber sehr oberflächlich, indem er rein anthropologisch unterscheidet zwischen der Willensfreiheit, ich kann etwas gewollt haben, dann aber einsehen, daß ich das Gewollte zumindest jetzt nicht realisieren kann, weil ich nun zuerst eine Pflicht zu erfüllen habe und meinem Gefühl, daß ich das Gewollte gern getan hätte, das Pflichtgemäße aber nur ungern, nicht selbst ändern kann: nicht bin ich Herr meiner Gefühle. Indem nun die Vorstellung des freien Willens mit der des Herrseins über die Gefühle konfundiert wird entsteht die Paradoxie von frei und unfrei zugleich mit der These, daß auch dem Menschen sein Inneres entzogen sei. Das soll das Innere des Menschen als etwas Besonderes qualifizieren, als allen äußeren und inneren Manipulationsversuchen Entzogenes.
(Daß diese Vorstellung mit Luther nichts zu tuen hat, ja, daß Luther mit den anderen Reformatoren das Gegenteilige geehrt haben, ist offensichtlich: Weil Gott der alles Wirkende ist, kann der Mensch nicht einen freien Willen haben, denn Gott wirkt immer nur durch ihn und nie wirkt er selbstständig, wohingegen die katholische Lehre den Menschen als Mitwirker Gottes expliziert. Das erachtet Luther als die größte Häresie der katholischen Theologie in seiner Schrift wider Erasmus von Rotterdam: „Über den unfreien Willen“. Aber spätestens seit Kant lehrt in diesem Punkte das Luthertum gegen Luther.)


Aber für das kulturprotestantische Konzept ist diese Betonung der innerlichen Freiheit wesentlich.Der mißratenden politischen Emanzipation des deutschen Bürgertumes korrespondierte die Betonung der innerlichen Freiheit, kumulierend in der Idee der Gewissens- und Religionsfreiheit. Für Luther sind das völlig inakzeptable Vorstellungen, denn nach ihm kann nur der wahre, nämlich der von ihm neu kreierte Glaube dem Menschen das Heil geben und so ist die Intoleranz gegen alle nichtlutherischen Glaubensverständnisse für Luther eine theologische Selbstverständlichkeit, nicht daß durch die Unterdrückung der falschen Religion, und das ist zu allererst das Katholische der wahre Glaube hervorgerufen werden könne, sondern nur damit nicht Menschen durch den falschen Glauben verführt werden.


Trotzdem gehört es zu dem Narrativ des Protestantismus, daß die Frucht der Reformation die Idee der Gewissens- und Religionsfreiheit sei, die Genese dieser Ideen durch das aufklärerische Konzept der Domestikation der christlichen Religion als Aufarbeitung des innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes vergessend. Also die Frucht der Reformation Luthers sei die Gewissens- und Religionsfreiheit.
Und was soll das mit der christlichen Religion zu tuen haben? Diese Aussage ist nur verständlich, wenn tatsächlich Luther gefolgt wird mit seiner Anthropozentrierung der Theologie unter der Annahme, daß dann Luther sein Projekt nicht schon in Gänze realisiert habe und nun es darauf ankäme, die katholischen Rückstände aus Luther hinweg zu interpretieren, bis nur noch ein kulturprotestantischer Luther übrigbleibt, der eben die Grundlage für die modern bürgerliche Gesellschaft legte mit seinem Glauben an die Persönlichkeit jedes Menschen. Die Aufgabe der kirchlichen Verkündigung sei so nur noch die Affirmation des Bestehenden, daß die modern säkularisierte Gesellschaft in ihrer Gleichgültigkeit allem Religiösem gegenüber die wahre Frucht der christlichen Religion sei, so wie sie Luther neu kreierte.


Dumm nur, daß die bürgerlich moderne Gesellschaft schon in der jetzigen Postmoderne untergegangen ist. Die Modernisten kommen halt immer zu spät. Was bleibt, ist das Konzept der Anthropozentrierung, daß halt die Heutigen mit Gott, Jesus Christus usw nicht mehr viel anfangen können und lieber Erzählungen über den Menschen hören..



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