Wer sich
einen manifesten Einblick in den Niedergang der reformatorischen
Theologie verschaffen möchte, dem sei die Akademievorlesung "Die
Neuformulierung des christlichen Glaubens in der Reformation"von
Professor Slenczka wärmstens empfohlen. (über Google leicht zu
finden) Wir stehen hier am Sterbelager der versichenden evangelischen
Theologie in ihrer Metamorphose des liberalen
Kulturprotestantismus,zu dem die reformatorische Theologie sich
deformiert hat. Das ist nun kein Grund zur Schadenfreude, sondern
dies Endzerfallsstadium zeigt uns nur aufs eindringlichste auf, wohin
die Katholische Kirche mit ihrer Theologie entarten kann, verfolgt
sie weiter ihr Konzept der Selbstverprotestantisierung.
Es
sollen nun nur die Kernpunkte dieser Theologievorlesung skizziert
werden. Sie beginnt mit einem Paukenschlag. Vorreformatorisch sei
unter dem Gegenstand der Theologie Gott verstanden als Lehre von
Gott. Aber Luther revolutioniere diese Vorstellung, denn der Mensch
sei der wahre Gegenstand der Theologie. Unter zur Hilfenahme eines
Textes des frühen Melanchton dekretiert er, was nun nicht mehr zur
Theologie gehöre: die Gotteslehre, isb die Trinitätslehre, nicht
die Christologie, wie Gott Mensch wurde, wie er wahrer Gott und
wahrer Mensch sein könne, sondern es hieße Christus erkennen sei,
seine Wohltaten an uns zu erkennen! Der Mensch rücke so in das
Zentrum der „Theologie“: Was ist der Mensch? Darum definiere
Luther als den Gegenstand der Theologie den Menschen, wie er
angeklagt wird (durch Gott) und wie er erlöst wird. Gott habe hier
somit nur eine Bedeutung, insofern er der menschlichen
Selbsterkenntnis diene.
Dann
erfolgt eine etwas in den Gedankengang nicht recht integrierte
Polemik gegen ein magisches Sakramentenverständnis. Nur ein Wort
erreiche das Innere des Menschen und durch ein Wort könne er sich
innerlich verändern, etwa in dem er durch einen Vortrag in seiner
Ansicht zu etwas sich in diesem Punkte ändert. Kein Sakrament könne
als dinglich Äußerliches den Menschen wirklich in seinem Inneren
erreichen. Damit verwirft dieser Professor natürlich nicht nur die
katholische Lehre von den Sakramenten, sondern auch die Luthers, aber
nicht ganz unrechtens, denn nie gelang es Luther und die ihm
Folgenden zu begründen, wie Luthers Hauptaxiom: allein durch das
Wort!,kompatibel sein soll mit der lutherischen Lehre des
Taufsakramentes und vom Abendmahl. So wird hier nicht inkonsequent
die Sakramente als magische Praxis abgeurteilt. (Vgl als Alternative
die sehr gediegene Darlegung der lutherischen Sakramentenlehre in
Werner Elerts „Morphologie des Luthertums“, die aber keine
Antwort findet auf die Frage der Verhältnisbestimmung von Wort und
Sakrament.)
Das
Innere des Menschen sei nun aber seine Freiheit und Unfreiheit
zugleich. Diese erstlich recht paradox klingende Formulierung löst
dieser Vortrag aber sehr oberflächlich, indem er rein
anthropologisch unterscheidet zwischen der Willensfreiheit, ich kann
etwas gewollt haben, dann aber einsehen, daß ich das Gewollte
zumindest jetzt nicht realisieren kann, weil ich nun zuerst eine
Pflicht zu erfüllen habe und meinem Gefühl, daß ich das Gewollte
gern getan hätte, das Pflichtgemäße aber nur ungern, nicht selbst
ändern kann: nicht bin ich Herr meiner Gefühle. Indem nun die
Vorstellung des freien Willens mit der des Herrseins über die
Gefühle konfundiert wird entsteht die Paradoxie von frei und unfrei
zugleich mit der These, daß auch dem Menschen sein Inneres entzogen
sei. Das soll das Innere des Menschen als etwas Besonderes
qualifizieren, als allen äußeren und inneren Manipulationsversuchen
Entzogenes.
(Daß
diese Vorstellung mit Luther nichts zu tuen hat, ja, daß Luther mit
den anderen Reformatoren das Gegenteilige geehrt haben, ist
offensichtlich: Weil Gott der alles Wirkende ist, kann der Mensch
nicht einen freien Willen haben, denn Gott wirkt immer nur durch ihn
und nie wirkt er selbstständig, wohingegen die katholische Lehre den
Menschen als Mitwirker Gottes expliziert. Das erachtet Luther als die
größte Häresie der katholischen Theologie in seiner Schrift wider
Erasmus von Rotterdam: „Über den unfreien Willen“. Aber
spätestens seit Kant lehrt in diesem Punkte das Luthertum gegen
Luther.)
Aber
für das kulturprotestantische Konzept ist diese Betonung der
innerlichen Freiheit wesentlich.Der mißratenden politischen
Emanzipation des deutschen Bürgertumes korrespondierte die Betonung
der innerlichen Freiheit, kumulierend in der Idee der Gewissens- und
Religionsfreiheit. Für Luther sind das völlig inakzeptable
Vorstellungen, denn nach ihm kann nur der wahre, nämlich der von ihm
neu kreierte Glaube dem Menschen das Heil geben und so ist die
Intoleranz gegen alle nichtlutherischen Glaubensverständnisse für
Luther eine theologische Selbstverständlichkeit, nicht daß durch
die Unterdrückung der falschen Religion, und das ist zu allererst
das Katholische der wahre Glaube hervorgerufen werden könne, sondern
nur damit nicht Menschen durch den falschen Glauben verführt werden.
Trotzdem
gehört es zu dem Narrativ des Protestantismus, daß die Frucht der
Reformation die Idee der Gewissens- und Religionsfreiheit sei, die
Genese dieser Ideen durch das aufklärerische Konzept der
Domestikation der christlichen Religion als Aufarbeitung des
innerchristlichen Religionskrieges des 17. Jahrhundertes vergessend.
Also die Frucht der Reformation Luthers sei die Gewissens- und
Religionsfreiheit.
Und was
soll das mit der christlichen Religion zu tuen haben? Diese Aussage
ist nur verständlich, wenn tatsächlich Luther gefolgt wird mit
seiner Anthropozentrierung der Theologie unter der Annahme, daß
dann Luther sein Projekt nicht schon in Gänze realisiert habe und
nun es darauf ankäme, die katholischen Rückstände aus Luther
hinweg zu interpretieren, bis nur noch ein kulturprotestantischer
Luther übrigbleibt, der eben die Grundlage für die modern
bürgerliche Gesellschaft legte mit seinem Glauben an die
Persönlichkeit jedes Menschen. Die Aufgabe der kirchlichen
Verkündigung sei so nur noch die Affirmation des Bestehenden, daß
die modern säkularisierte Gesellschaft in ihrer Gleichgültigkeit
allem Religiösem gegenüber die wahre Frucht der christlichen
Religion sei, so wie sie Luther neu kreierte.
Dumm
nur, daß die bürgerlich moderne Gesellschaft schon in der jetzigen
Postmoderne untergegangen ist. Die Modernisten kommen halt immer zu spät.
Was bleibt, ist das Konzept der Anthropozentrierung, daß halt die
Heutigen mit Gott, Jesus Christus usw nicht mehr viel anfangen können
und lieber Erzählungen über den Menschen hören..
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