Samstag, 11. Juli 2020

Irritierendes: Glaube durch den Vollzug von Ritualen?



Pascals Rat an Ungläubige: „Handle so,als ob du glaubtest,knie nieder, befolge das Ritual, und der Glaube wird sich von selbst einstellen.“ (zitiert nach: Zizek; Weniger als nichts, 2016, S.614) Aber ist ein so simulierter Glaube denn ein wahrer,ist das nicht nur ein: „Ich glaube nicht wirklich, ich tue nur so“? Aber so fragend wird die Pointe dieser Aussage Pascals mißverstanden, denn er meint hier, daß so durch und in dem Vollzug der äußerlichen Rituale der innerliche Glaube wirklich entstünde.
Normalerweise wird genau das Gegenteil geglaubt: Der innere Glaube manifestiere sich in den äußerlichen religiösen Ritualen. Das Problematische sei nun, daß diese Rituale sich vom innerlichen Glauben emanzipieren können, sodaß nur noch das Äußerliche bleibt, wenn der Glaube sich schon längst aufgelöst habe. Das Innerliche entäußert sich und kann veräußert bestehen bleiben, wenn die innerliche Motivation dafür schon längst entschwunden ist.


Wie nun, wenn hier wir auf einen wirklich katholischen Gedanken verwiesen werden würden, daß das scheinbar nur Äußerliche nichts rein Äußerliches bleibt, daß es ins Innere des Menschen einwirkt? Das Grundprinzip des katholischen Sakramenten- und Sakramentalienverständnisses ist ja gerade die These, daß Äußerliches in das Innerliche des Menschen einwirkt.Das Weihwasser, beim Hineingehen und Hinausgehen in die Kirche, besprengt sich der Gläubige damit, bewirkt etwas. Es ist so unwahr, daß statt des Weihwassers auch im Weihwasserbecken nur ein Schildlein aufgestellt werden könnte: Denke an Deine Taufe! Das Weihwasser bewirkt etwas und das ist mehr, als daß es nur dazu dient, uns an unser Getauftwordensein zu erinnern. Das Altarsakrament will uns ja auch nicht nur an das Opfer Jesu Christi erinnern.
Anthropologisch gesprochen: Das, was scheinbar nur äußerlich ist, wirkt viel mehr als uns bewußt ist, in unser Innerliches.Rituale sind nun regelmäßig, immer wieder vollzogene Handlungen. Könnte es da nicht sein, daß Pascal hier somit mehr recht hat, als ihm spontan zugebilligt werden mag, daß eben immer wieder vollzogene religiöse Rituale, wenn der sie Vollziehende nicht gegen ein Einwirken auf ihn sich verschließt, Frucht bringen? Vertrauter ist uns die Vorstellung des Bekehrtwerdens, so wie Saulus zu Paulus wurde in und durch die direkte Begegnung mit dem Auferstandenen, aber ist das wirklich der einzige Weg zum Glauben. Könnte es nicht auch den des langsamen Hineinwachsens in den katholischen Glauben geben, wobei dann den regelmäßig vollzogenen Ritualen eine große Bedeutung zukommen? Sicher, wenn der christliche Glaube fundiert wäre in einen überzeugenden Gottesbeweis, dem dann der Beweis folgte, daß nur die katholische Kirche die wahre sein könne, dann wäre der Weg über die Rituale nicht nur überflüssig sondern gar contraproduktiv. Aber ist so ein intellektualistische Weg wirklich der einzig wahre? Überzeugt nicht eher dieser Weg den schon Glaubenden als daß er wirklich zum Glauben führt? Der Glaube will und muß auch das verstehen, was er glaubt, sonst bleibt dieser Glaube nicht lange lebendig, daß er aber erst einmal entsteht, dafür könnten solche religiösen Rituale mehr Bedeutung haben, als ihnen heutzutage zugebilligt wird. 

Zusatz:
Hat so die reformierte Liturgie der nachkonziliaren Zeit mit ihrer Entritualisierungstendenz das jetzige Verdunsten des Glaubens in der Kirche selbst mitbewirkt? 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen