Darf
eine Heilige morden?
Spontan
dürfte hier nur eine Antwort möglich sein:Natürlich nicht und wenn
eine Heilige gemordet hätte, dann könne das gewiß keine Heilige
sein. Aber die hl. Judith? Judith bittet Gott: „Mache Herr!,daß
sein Übermuth durch sein eigenes Schwert abgeschlagen werde.“
(gemeint ist Holofernes, der gegen Israel Krieg führte und mit der
Vernichtung Jerusalems drohte, ja er wollte so zeigen, daß er selbst
mächtiger ist als der Gott Israels)laß ihn in der Schlinge
seines Blickes auf mich gefangen werden, und schlage ihn durch die
Lieblichkeit meiner Lippen. Gib meiner Seele Standhaftigkeit, daß
ich ihn verachte, und Kraft daß ich ihn zu Fall bringe.“ Judith,8,
9,12-14.
Reden
wir Klartext: Judith wollte durch ihre Schönheit Holofernes zu einem
Rendezvous verführen und ihn dann töten. Ja, sie bittet Gott
ausdrücklich um Standhaftigkeit, daß sie Holofernes, wenn sie beide
zusammen sind, verachtet. Warum? Weil ein solches Zusammensein für
sie als Witwe auch gefährlich sein könnte, daß sie ihn nicht mehr
töten will, weil dieser Mann nun wirklich in sie verliebt ist, oder
sie als Frau begehrt. Sie will verführen, aber sorgt sich, selbst
verführt zu werden durch den Mann, den sie töten will.
Wie
kommentiert nun Arndt SJ (Die heilige Schrift Alten und Neuen
Testamentes mit dem Urtexte der Vulgata, 1903) dies Tun der hl.
Judith?
„Judith
will den Holofernes, ohne ihm als Gemahlin zu dienen (das ist
eine Umschreibung dafür, daß Judith nicht beabsichtigte, mit ihm
bei diesem Rendezvous intim zu werden, sie verhieß nur Intimität)durch
ihre Schönheit fesseln, um ihn ermorden zu können. Dieses Vorhaben
war nicht sündhaft,denn da Holofernes der Juden Feind war, hatte sie
im Kriege, den er widerrechtlich anfing, das Recht, ihn entweder
durch List oder Gewalt zu tödten. Um ihn zu überlisten und in ihre
Gewalt zu bekommen, gebrauchte sie ihre Schönheit und Beredsamkeit,
weil sie als schwaches Weib keine andern, oder doch keine stärkeren
Waffen hatte.Ob aber diese Waffen zu ergreifen ihr erlaubt war, da
Holofernes dadurch in Gefahr, zu sündigen kam?-Wenn Holofernes aus
der Schönheit und Freundlichkeit der Judith Veranlassung zu
sündlichen Gelüsten nahm, so war dieses seine Schuld, nicht die der
Judith, welche mit ihrem Schmucke und der Annehmlichkeit ihrer Reden
nichts anderes beabsichtigte, als in seine Nähe zu kommen und sein
Vertrauen zu gewinnen, was ihr doch erlaubt sein mußte.“
Zwei
Probleme sieht hier der Kommentar: a) durfte Judith diesen Feind der
Juden töten und b) durfte sie ihn in die Lage bringen, daß er in
diesem Rende sündig diese Frau begehrte.
Erstaunlich
ist nun, daß die Respondierung der zweiten Frage sehr viel mehr Raum
gegeben wird als der ersten. Ist dem Kommentar die zweite Frage so
die problematischere? Anscheinend ja. In der Moraltheologie ist ja
seit Eva die den Mann zum Sündigen verführende Frau ein fester
Topos, isb wenn dies Verführen eines zur Sexualität ist. So darf
das Handeln Judiths nicht gesehen werden. Aber was ist dann Judiths
Absicht, diesen Mann gefangen zu nehmen anderes, als ihn
durch ihre Schönheit zu erotisch-sexuellen Phantasien zu verlocken,
um dann den so Verlockten töten zu können. Sie wollte zwar nur in
die Nähe des Feindes kommen, so nahe, daß sie ihn töten konnte,
dafür simulierte sie aber, daß Holofernes eine Liebesnacht erleben
würde, lädt er sie ein.Diese Simulation ist nun aber streng
genommen ein Verführen zu sündlichen Gelüsten. Nur weil sie
diese erweckte, kam sie ja in so eine intime Nähe, daß sie ihn
töten konnte.
Jetzt
verkompliziert sich die erste Frage: Durfte Judith diesen Mann als
Feind ihres Volkes töten, indem sie ihm eine Liebesnacht verhieß,
um so in dessen Nähe zu kommen, daß sie ihn töten konnte? Abstrakt
beurteilt sind sowohl diese erotische Verführung mit der Absicht,
unerlaubte erotisch sexuelle Begierden bei diesem Manne zu erwecken
als auch ihn dann so heimtückisch zu töten, unmoralische
Handlungen. (Daß sie ihn erst tötet, als er schon vom Wein
berauscht war -und vielleicht auch vom erwarteten Liebesglück
qualifiziert diese Tötungshandlung als eindeutig heimtückisch.) So
ist es verständlich, daß hier der Versuch einer Apologetik so
ausführlich ausfällt. Daß dabei der Schwerpunkt auf der Apologetik
der erotischen Verführung gelegt wird, erklärt sich aus der lange
vorherrschenden Tendenz der kirchlichen Morallehre, primär im
Sexuellen das Reich der Sünde zu sehen. Dagegen bereitet die
Vorstellung, einen politischen, nicht privaten Feind (vgl Carl
Schmitt zu dieser Unterscheidung) so töten zu dürfen, weniger
Probleme.
So
reduziert sich die Apologetik der Judith auf die Aussage: Weil
Holofernes ein Todfeind Israels war, durfte sie ihn so heimtückisch
töten. Eine unerlaubte Tötung, also ein Mord wäre das nicht, weil
die Intention der Tötung moralisch legitim gewesen sei: einen
Todfeind zu töten. Indem Judith Gott um seinen Beistand für diese
Tat bittet: Mache Herr!, entsteht ja auch der Eindruck, daß
Judith diese Tat im Einklang mit Gott vollbrachte.
Sicher
ist diese Tat nicht mit einer humanistischen Moral zu legitimieren,
aber Judith ist ja auch keine Heilige im moralischen Sinne sondern im
religiösen.Und im religiösen Vorstellungsraum hat der Begriff des
Feindes eine andere Bedeutung als in dem moralischen Diskurs. Hier
ist der Feind des von Gott erwählten Volkes Israels eben zuvörderst
ein Feind Gottes und den durfte die hl.Judith so töten.
Corollarium 1
Judith zeigt, daß Religion etwas von der Moral Verschiedenes ist, auch wenn ein verbürgerlichtes Christentum Religion mit Moral gleichsetzt.
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