Mittwoch, 22. Juli 2020

Darf eine Heilige morden? Was uns alles zugemutet wird!

Darf eine Heilige morden?
Spontan dürfte hier nur eine Antwort möglich sein:Natürlich nicht und wenn eine Heilige gemordet hätte, dann könne das gewiß keine Heilige sein. Aber die hl. Judith? Judith bittet Gott: „Mache Herr!,daß sein Übermuth durch sein eigenes Schwert abgeschlagen werde.“ (gemeint ist Holofernes, der gegen Israel Krieg führte und mit der Vernichtung Jerusalems drohte, ja er wollte so zeigen, daß er selbst mächtiger ist als der Gott Israels)laß ihn in der Schlinge seines Blickes auf mich gefangen werden, und schlage ihn durch die Lieblichkeit meiner Lippen. Gib meiner Seele Standhaftigkeit, daß ich ihn verachte, und Kraft daß ich ihn zu Fall bringe.“ Judith,8, 9,12-14.
Reden wir Klartext: Judith wollte durch ihre Schönheit Holofernes zu einem Rendezvous verführen und ihn dann töten. Ja, sie bittet Gott ausdrücklich um Standhaftigkeit, daß sie Holofernes, wenn sie beide zusammen sind, verachtet. Warum? Weil ein solches Zusammensein für sie als Witwe auch gefährlich sein könnte, daß sie ihn nicht mehr töten will, weil dieser Mann nun wirklich in sie verliebt ist, oder sie als Frau begehrt. Sie will verführen, aber sorgt sich, selbst verführt zu werden durch den Mann, den sie töten will.
Wie kommentiert nun Arndt SJ (Die heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes mit dem Urtexte der Vulgata, 1903) dies Tun der hl. Judith?
Judith will den Holofernes, ohne ihm als Gemahlin zu dienen (das ist eine Umschreibung dafür, daß Judith nicht beabsichtigte, mit ihm bei diesem Rendezvous intim zu werden, sie verhieß nur Intimität)durch ihre Schönheit fesseln, um ihn ermorden zu können. Dieses Vorhaben war nicht sündhaft,denn da Holofernes der Juden Feind war, hatte sie im Kriege, den er widerrechtlich anfing, das Recht, ihn entweder durch List oder Gewalt zu tödten. Um ihn zu überlisten und in ihre Gewalt zu bekommen, gebrauchte sie ihre Schönheit und Beredsamkeit, weil sie als schwaches Weib keine andern, oder doch keine stärkeren Waffen hatte.Ob aber diese Waffen zu ergreifen ihr erlaubt war, da Holofernes dadurch in Gefahr, zu sündigen kam?-Wenn Holofernes aus der Schönheit und Freundlichkeit der Judith Veranlassung zu sündlichen Gelüsten nahm, so war dieses seine Schuld, nicht die der Judith, welche mit ihrem Schmucke und der Annehmlichkeit ihrer Reden nichts anderes beabsichtigte, als in seine Nähe zu kommen und sein Vertrauen zu gewinnen, was ihr doch erlaubt sein mußte.“
Zwei Probleme sieht hier der Kommentar: a) durfte Judith diesen Feind der Juden töten und b) durfte sie ihn in die Lage bringen, daß er in diesem Rende sündig diese Frau begehrte.
Erstaunlich ist nun, daß die Respondierung der zweiten Frage sehr viel mehr Raum gegeben wird als der ersten. Ist dem Kommentar die zweite Frage so die problematischere? Anscheinend ja. In der Moraltheologie ist ja seit Eva die den Mann zum Sündigen verführende Frau ein fester Topos, isb wenn dies Verführen eines zur Sexualität ist. So darf das Handeln Judiths nicht gesehen werden. Aber was ist dann Judiths Absicht, diesen Mann gefangen zu nehmen anderes, als ihn durch ihre Schönheit zu erotisch-sexuellen Phantasien zu verlocken, um dann den so Verlockten töten zu können. Sie wollte zwar nur in die Nähe des Feindes kommen, so nahe, daß sie ihn töten konnte, dafür simulierte sie aber, daß Holofernes eine Liebesnacht erleben würde, lädt er sie ein.Diese Simulation ist nun aber streng genommen ein Verführen zu sündlichen Gelüsten. Nur weil sie diese erweckte, kam sie ja in so eine intime Nähe, daß sie ihn töten konnte.
Jetzt verkompliziert sich die erste Frage: Durfte Judith diesen Mann als Feind ihres Volkes töten, indem sie ihm eine Liebesnacht verhieß, um so in dessen Nähe zu kommen, daß sie ihn töten konnte? Abstrakt beurteilt sind sowohl diese erotische Verführung mit der Absicht, unerlaubte erotisch sexuelle Begierden bei diesem Manne zu erwecken als auch ihn dann so heimtückisch zu töten, unmoralische Handlungen. (Daß sie ihn erst tötet, als er schon vom Wein berauscht war -und vielleicht auch vom erwarteten Liebesglück qualifiziert diese Tötungshandlung als eindeutig heimtückisch.) So ist es verständlich, daß hier der Versuch einer Apologetik so ausführlich ausfällt. Daß dabei der Schwerpunkt auf der Apologetik der erotischen Verführung gelegt wird, erklärt sich aus der lange vorherrschenden Tendenz der kirchlichen Morallehre, primär im Sexuellen das Reich der Sünde zu sehen. Dagegen bereitet die Vorstellung, einen politischen, nicht privaten Feind (vgl Carl Schmitt zu dieser Unterscheidung) so töten zu dürfen, weniger Probleme.
So reduziert sich die Apologetik der Judith auf die Aussage: Weil Holofernes ein Todfeind Israels war, durfte sie ihn so heimtückisch töten. Eine unerlaubte Tötung, also ein Mord wäre das nicht, weil die Intention der Tötung moralisch legitim gewesen sei: einen Todfeind zu töten. Indem Judith Gott um seinen Beistand für diese Tat bittet: Mache Herr!, entsteht ja auch der Eindruck, daß Judith diese Tat im Einklang mit Gott vollbrachte.
Sicher ist diese Tat nicht mit einer humanistischen Moral zu legitimieren, aber Judith ist ja auch keine Heilige im moralischen Sinne sondern im religiösen.Und im religiösen Vorstellungsraum hat der Begriff des Feindes eine andere Bedeutung als in dem moralischen Diskurs. Hier ist der Feind des von Gott erwählten Volkes Israels eben zuvörderst ein Feind Gottes und den durfte die hl.Judith so töten. 

Corollarium 1
Judith zeigt, daß Religion etwas von der Moral Verschiedenes ist, auch wenn ein  verbürgerlichtes Christentum Religion mit Moral gleichsetzt. 

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