Nietzsche
konstatierte schon einen eigentümlichen Wandel in der Kirche, der
sie bis heute noch oder noch viel mehr als zu seiner Zeit
ausmacht.Einst bildete das Zentrum der christlichen Religion der
„streng
egoistische Grundglaube an das >eins ist not<,an die absolute
Wichtigkeit des ewigen persönlichen Heils,
mit den Dogmen, auf denen er ruhte“ (Morgenröte,
132).
Das Ziel war also das ewige persönliche Heil und die
Dogmen der Kirche dienten diesem Ziele. „streng egoistisch“
meint hier auf das Individuelle bezogen und vorgreifend:
Nietzsche meint, daß in seiner Zeit die Kirche antindividuell
geworden sei, weil sie nun ganz dem Zeitgeist folgend primär
sozialcaritativ sich ausrichte.
Aber
das war ein zu schneller Vorgriff. Von diesem Zentrum habe sich die
Kirche nun entfernt:
"Je
mehr man sich von den Dogmen loslöste, umso mehr suchte man
gleichsam die Rechtfertigung dieser Loslösung in einem Cultus der
Menschenliebe." Die
Kirche hat ihr einstiges Zentrum aufgegeben, das Seelenheil, das Heil
des Einzelnen. Das neue Zentrum bildet nun der „Cultus
der Menschenliebe“.
Die
christllche Religion wurde humanitaristisch (um es mit Gehlen, Moral
und Hypermoral zu formulieren) Der Auftrag zur Menschenliebe
entfaltete
sich jetzt zusehens in Programme der Weltbeglückung. Dies
manifestiert sich augenfällig in der heutigen Praxis der kirchlichen
Mission, die faktisch nur noch diakonisch wirkt, also
sozialcaritativ. Die Welt humaner zu gestalten, für Frieden,
Gerechtigkeit und jetzt auch für den Umweltschutz sich einzusetzen,
das ist das jetzige Kerngeschäft der Kirche.
Dafür
sind die Dogmen der Kirche, die auf das Seelenheil ausgerichtet sind,
einfach überflüssig, ja gar störend. Dazu paßt, daß im
interreligiösen Dialog nicht die jeweiligen Glaubenslehren im
Vordergrund stehen, sondern nach Erklärungen, man glaube schon
irgendwie an den selben Gott, sozialpolitische Fragen dominieren:wie
die Welt gemeinsam humaner gestalten. Ja, es drängt sich der
Eindruck auf, daß mehr an den Menschen als an Gott geglaubt wird.
Wurde einst die Kirche ob ihrer Ausrichtung auf das Jenseits, das
ewige Leben als Fluchtbewegung weg aus dem wirklichen Leben zu einem
rein fiktiven Heil kritisiert, Jenseitsvertröstung lautete die
antichristliche Kampfparole, so hat sie jetzt diese Kritik sich so zu
eigen gemacht,daß sie fast nur noch für ein weltliches Heil sich
engagiert.
Das
Spezifische dieses „Cultus
der Menschenliebe“ ist
eben die reine Verdiesseitgung des Verständnisses vom menschlichen
Leben. Die Ziel der Menschenliebe sind so rein weltimmanente, das
Eigentliche ganz vergessend. In der „Tagespost“ wurde so dies
Resümee gezogen (18.Juli 2020): "Der
Weg einer Selbstsäkularisierung des Christentums zum sozialistischen
Humanitarismus ist in Deutschland längst schon gebahnt"
Zusatz:
In diesem Prozeß der Selbstsäkularisierung verschwindet zusehens auch die Seele des Menschen, seine Bauch- und Unterleibsbedürfnisse bestimmen so selbst den innerkirchlichlichen Diskurs.
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