Das
Gute tuen, das Nichtgute unterlassen, das könnte als der Basissatz
einer jeden Moral angesehen werden, wenn sie deontologisch verfaßt
konzipiert wird also als Lehre vom rechten Tuen und nicht als
Tugendlehre oder telelogisch. Wenn nun das Gute weiter gefaßt werden
würde, sodaß auch das Gutsein als Tugend und als Ziel darunter
subsumiert werden könnte, wäre das Gute der Zentralbegriff wirklich
jeder Moral.
Trotzdem
stünden wir noch vor einem beachtlichen Problem. David Hume erkannte
ja, daß aus einem Indikativ, so ist es, nicht der Imperativ, so soll
es sein, deduziert werden kann. Nie wird so viel gelogen wie vor der
Wahl, während des Krieges und nach der Jagd, aber diese bismarcksche
Erkenntnis darf ja nun nicht dazu verführen, zu sagen, weil das so
ist, soll es auch so sein, ist es halt in Ordnung. Daß in der
aktuellen Reformdebatte die Morallehre mit dem Argument, es halte
sich kaum ein Katholik an sie und deshalb sei die Lehre zu ändern,
indem sie der Lebenspraxis angepaßt wird so dieser naturalistische
Fehlschluß praktiziert wird, spricht nicht gegen Hume.
Zurück
zur Aussage: X ist gut. Wenn das eine indikativische Aussage ist, was
besagt das dann über das Sollen des Guten? Nichts, denn wenn es gut
ist, ist es damit noch nicht als Gesolltes im moralischen Sinne
ausgesagt. Oder aber: X ist gut, meint, daß das Gute das Gesollte
ist. Gut heißt, das, was sein soll. Dann ergäbe das Folgendes:
X
ist das Gute, und das Gute ist das Gesollte, so daß nicht es mehr
heißt: Weil X gut ist, soll es getan werden, weil nun das Gutsein
identisch ist mit dem Imperativ: Das soll getan werden, es ist das
Gesollte. Es bleibt übrig die Aussage: X soll getan werden. Aber
warum? Die Ethik als Reflexion der Moral müßte nun eine Begründung
für den Imperativ: X soll getan werden, erbringen. Aber wie ist ein
solcher Imperativ wieder begründbar? Etwa durch die Aussage, wenn X
nicht getan wird, hat das negative Folgen? Aber dann bezeichnen
diese Folgen ja wiederum nur einen möglichen indikativschen Zustand.
Das evozierte dann die Frage, warum soll der nicht sein. Diese Frage
kann dann nur wieder mit einem weiteren Imperativ respondiert werden,
daß dieser Negativzustand nicht sein soll, also stehen wir vor der
Aussage, der durch das Nichttuen von X verursachte Zustand soll nicht
sein, weil er nicht sein soll. Wie legitimiert sich so dieser
Imperativ?
Es
müßte einen Imperativ geben, der in sich evident ist, sodaß sich
alle anderen von ihm her legitimieren lassen. Wäre das die Aussage:
Das Gute soll sein, oder soll getan werden? Aber das Gute ist ja nur
das Gesollte, denn die Aussage, das ist gut, sagt ja nichts anderes
aus als daß es Gesollt ist.
Dostojewski
urteilt, wenn Gott nicht ist, ist alles erlaubt- was aber auch
besagt, daß es nichts Erlaubtes gibt, denn Erlaubtes kann es nur
geben, wenn es auch Nichterlaubtes gibt. Kann so ein evidenter
Imperativ nicht formuliert werden, bliebe dann einzig die göttliche
Autorität übrig als Legitimation von Imperativen und somit einer
Moral?
Ein
Kantianer würde nun erwidern, daß der „Kategorische Imperativ“
die Form evidenter Letztbegründung der Moral liefere, da sie die
Form sei, mit der alle moralischen Aussagen zu überprüfen seien, ob
sie wirklich moralisch sind.
„Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“
Aber wenn nun jemand früge, warum soll ich nur
solche Maximen als moralisch legitim ansehen, die universalisierbar
sind, was wäre darauf zu antworten? Nehmen wir ein einfaches
Beispiel: Zu morden kann nicht eine legitime Handlung sein, denn wenn
jeder das Recht zum Morden hätte, dann träte ein Zustand des alle
morden sich gegenseitig ein. Aber wie nun, wenn ich als Misanthrop
das begrüßen würde? Oder wenn ich sagen könnte, daß ich so viel
Macht über die Anderen verfüge, daß ich morden könne, ohne
befürchten zu müssen, selbst ermordet zu werden. So praktizieren es
ja die Akteure in den Romanen von Marquise de Sade, dem
Radicalaufklärer.
Impliziert etwa der Kategorische Imperativ
Voraussetzungen, die nicht selbst wieder von diesem Imperativ
eingeholt werden können, etwa in dem Falle des Mordens, daß das
menschliche Leben zu sein hat, und daß so eine Maxime, praktizierten
sie alle, sodaß das Leben daran zu Grunde ginge, nicht hinnehmbar
ist. Fragen, aber noch keine schlußendlichen Antworten.
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