Mittwoch, 15. Juli 2020

Nachdenken über den Menschen: einzigartig oder Teil von?

Das Leben ist zugleich das Leben der Art, welches sich durch das Leben und Sterben ihrer Mitglieder fortpflanzt, und das Leben jedes einzelnen Mitglieds.“ (Zizek, Weniger als nichts,2016, S.746). Das ist auf den ersten Blick keine Beachtung verdienende Feststellung und doch enthält sie Brisantes.Diese Aussage trifft nämlich auch auf den Menschen zu:Als Mensch ist er Teil der Gattung Mensch, die selbst noch einmal ausdifferenziert ist in Rassen und Völkern. Wie ist nun aber das „Und“ zu bestimmen, daß es das menschliche Leben als Gattungs- Rassen- und Volksleben gibt und als das des Einzelmitgliedes? Jedes Mitglied sei so gespalten in „sein eigenes,besonderes, endliche Sein“ und in das seiner Art. (S.746f).
Ist dies Gespaltensein konstitutiv für das Leben des Menschen? Aber es wird noch komplizierter: Dadurch daß der Mensch auch Geist sei gälte nun: „Im Leben des Geistes stellt sich eine Singularität zwischen die Art und ihre einzelnen Mitglieder.In der Folge kann ein Individuum nicht mehr darauf reduziert werden, ein besonderes Mitglied seiner Art zu sein, das deren höheren allgemeinen Interessen untergeordnet ist.“ (S.747) Das Teil des Ganzen soll nun eine Singularität sein und somit löst es die Struktur des Ganzen und seiner besonderen Glieder auf. Es ist somit nichts Höherem gegenüber subordiniert. Es verblüfft, dieses Basiscredo des Liberalismus hier von Zizek vertreten werdend zu sehen. Diese Positionierung des Individuumes als Singularität läßt ja Moeller van den Bruck ausrufen, daß am Liberalismus die Völker zu Grunde gehen.
Aber befragen wir doch einfach mal dies Konzept der Singularität. Löst dies nicht die Spaltung des Menschen in sein Sein als Teil eines Größeren, der Menschheit, einer Rasse und eines Volkes, aber auch eines Geschlechtes und seinem Sein als besonderes Individuum auf, daß es jetzt nur noch ein ungespaltenes Eins ist?
Zudem, gibt es den Geist nur als singulär einzelnen, sodaß es keinen übergeordneten Geist, den menschlichen, den rassischen , den völkischen und den geschlechtlichen gäbe? Wie könnte dann aber ein Subjekt Teil von etwas Höherem sein, wenn nur das Subjekt als Singularität vorgestellt Geist hat, aber nicht das Allgemeinere, an dem es partizipiert und so nur ein Mensch ist.
Wäre die Menschheit geistlos, könnte die Singularität nicht mehr ein Mensch sein, sie wäre ob ihres Geistes kein Mensch mehr, wenn das Menschsein als Ganzes geistlos wäre.
Denken wir dieses Problem anders: Jeder Einzelmensch ist eine Individuation der Idee des Menschseins. In der Idee ist der Mensch als dialektische Einheit von Seele und Leib gedacht in der Polarität von Mann und Frau. Demzufolge ist auch jede Individuierung dieser Idee als Einzelmensch eine solche Einheit. Damit ist aber auch ein Spannungsverhältnis mitgesetzt, nicht nur das zwischen der Seele und dem Körper sondern auch das zwischen der Idee und der Individuation. Der Mensch ist so Gattungswesen und ein Individuum. Angesichts der Ausdifferenzierung der Idee des Menschen in Rasse, Volk und Geschlecht partizipiert so jedes Individuum an mehreren ihm Übergeordnetem. Er kann sich so universalistisch als ein Mensch, als Angehöriger einer Rasse und eines Volkes oder als eine Frau oder ein Mann verstehen. Er kann dies, weil er all dies ist. So ist er nicht einfach, sondern vielfach gespalten.
Daß er sich zu dieser Zerspaltung selbst noch einmal reflexiv verhalten kann, das ist gerade seine Freiheit und sein Vermögen, Nähe und Distanz zu anderen Menschen aufzubauen. Bindet das Insistieren auf die jeweilige Volkszugehörigkeit jeden mit jedem Volkszugehörigen, so entbindet sich ein Volkszugehöriger, wenn er sich primär als Mann versteht im Kontrast zum Frausein und es wird die Volkszugehörigkeitsbindung gelockert, versteht wer sich primär nur als ein Mensch, kosmopolitisch oder universalistisch.
Nur eines scheint kaum möglich, ein einfaches ganzheitliches Eins zu sein. Dies wäre nur möglich, wenn ein Mensch sich ganz und gar entmenschlichen könnte, um nur noch eine einzigartige Singularität sein zu wollen.

Wie sich nun Menschen auslegen,und sich auslegen müssen ob ihrer inneren Zerspaltung, das präjudiziert natürlich seine Vorstellung vom richtigen, moralischem Leben: Wem bin ich wie verantwortlich?

 



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