Dienstag, 7. Juli 2020

Zur Entkatholisierung der Kirche

Texte sind eindeutig, so werden sie verfaßt und so sind sie zu verstehen. Nur, eine Erfahrung spricht dagegen: eine Deutschunterrichtsstunde mit der allseits bekannten Lehrerliebingsfrage, was uns der Autor wohl mit diesem Text hat sagen wolle. Läste wer die Sekundärliteratur zur Kafkas Erzählung: „Der Prozeß“, er fände so viel verschiedene Antworten, daß sich die Frage aufdrängt, ob denn wirklich jedem Kommentar der selbe Text zu Grunde gelegen habe.
Luther legte den Römerbrief und den Jakobusbrief aus mit dem Resultat, daß beide Briefe sich in dem Punkte der Rechtfertigungslehre so sehr widersprächen, daß entweder Paulus oder Jakobus die Wahrheit lehre. Luther entschied sich für Paulus und verurteilte so die „strohernde Epistel des Jakobus“. Kann es aber sein, daß die hl. Schrift in einer so grundlegenden Frage zwei miteinander inkompatible Antworten gibt? Aber Paulus Römerbrief und der Jakobusbrief sind so auslegbar, daß sie als unvereinbar zueinander zu stehen kommen.
Dies gründet sich nun nicht einfach in einem Verlesen und Mißverstehen dieser beiden Texte sondern ist die Folge der Polyinterpretabilität der Texte, jedes Textes, könnte hinzugefügt werden.Ein Text emanzipiert sich eben von der Autorenintention, wird so zu etwas Objektivem und kann dann der Subjektivität des Kommentators unterworfen werden. (Vgl Roland Barthes: Der Tod des Autors).
Daraus resultiert die Notwendigkeit einer Auslegungsnorm für die Bibel. Das ist eine der Funktionen des Glaubensbekenntnisses.
Die Texte des 2. Vaticanums sind nun auch polyinterpretabel. Zwei Auslegungstendenzen stehen sich dabei gegenüber als die dominierenden:

A) Die Texte dieses Konziles widersprechen in Wesentlichem der bisherigen Lehre der Kirche und können so nicht anerkannt werden und

B) Die Texte dieses Konziles stellen einen Bruch mit der Tradition dar und das sei gut so, denn das wäre der Fortschritt der Theologie.Das Neue entwertet so die vorkonziliare Theologie.

Papst Benedikt versuchte nun, einen Ausweg aus dieser Problematik zu finden, daß entweder um des Neuen willen die vorkonziliare Theologie entwertet wird oder daß um der Tradition willen das Neue dieses Konziles reprobiert wird. Die Hermeneutik der Kontinuität sollte als Auslegungsnorm fungieren,daß wie die hl.Schrift sich nicht widersprechen könne, so könnten auch Aussagen des 2.Vaticanums nicht der Tradition widersprechen. Das heißt nun, daß nur eine solche Interpretation dieser Konzilstexte als wahr gelten kann, die sie als in der Kontinuität mit der Tradition sic befindend auslegt.0
Genau das evozierte nun den Widerstand des modernistischen Lagers in der Kirche mit seiner Hauptthese, daß die Lehre der Kirche immer zeitbedingt gewesen sei,sodaß sie sich immer wieder neuen Zeiten einzupassen habe, daß so die Diskontinuität das einzig Kontinuierliche in der Kirche sei.Deshalb müsse sich die Kirche ja auch im „synodalen Irrweg“ noch mehr als es schon dies Reformkonzil tat, der neuen Zeit einzupassen. Kath info zieht am 29.6. :“Als Papst XVI 2005 die Hermeneutik der Kontinuität verkündete“ die ernüchternde Bilanz, daß auch in diesem Punkte der Papst sich nicht durchsetzen konnte und nun die Deutung des Bruches mit der Tradition vorherrscht als Ermächtigung dafür, nun weiter radical die Kirche zu entkatholisieren. 

Corollarium 1
Das Konzept der Entkatholisierung der Kirche verlangt eben notwendig, daß im Prinzip alle bisher gültigen Lehren der Kirche entwertet werden können. Das wird erreicht durch die These der historischen Bedingtheit all ihrer Lehren und der These, daß gerade das 2.Vaticanum den Bruch mit der Tradition vollzogen habe als Akt einer legitimen Weiterentwickelung der Theologie, die eben Veraltetes zu überwinden habe. Nur das sich immer wieder Erneuernde sei wahr, nur Nostalgiker lieben die Tradition.

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