Samstag, 20. November 2021

Kunst- nur noch Unterhaltung? Ein Fragment

Kunst- nur noch Unterhaltung?


Kunstwerke begeben sich hinaus aus der empirischen Welt und bringen eine dieser entgegengesetzte eigenen Wesens hervor, so als ob auch dieses ein Seiendes wäre.“ Darauf wird kritisch geurteilt:“Damit tendieren sie a priori, mögen sie noch so tragisch sich aufführen, zur Affirmation.“ So Theodor Adorno in seiner „Ästhetischen Theorie“, stw S.10.

Diese affirmative Tendenz soll nicht sein -ein Urteil eines der bedeutendsten Vertreter der „Kritischen Theorie“, das nicht verwundert aber doch die Frage ihrer Begründung aufwirft. Damit ist aber auch schon ein wesentliches Problem dieser Theoriekonzeption angesprochen. Nahe läge nun ein Versuch, diese Kritik in einen Beziehung zu setzen mit der marxistischen Religionskritik, daß der Opiumcharakter der Religion, indem sie die Gläubigen zu einem imaginären Glück verhilft, sie davon abhalte, das real mögliche revolutionär, zu erwirken und sich stattdessen mit der Tristesse der Wirklichkeit, in der es kein Glück geben kann, zufrieden geben.

Aber jetzt soll das Augenmerk auf das Vorherige kapriziert werden. Das Kunstwerk sei eine künstliche der Wirklichkeit entgegen-gesetzte Welt. Diese soll aber nun nicht selbst ein „Seiendes“ sein,sondern nur etwas... ja was denn? Es könnte nun leicht dieser Einwand erhoben werden: Ein Landschaftsgemälde gäbe doch eine Landschaft wieder, und ein so realistischer Roman wie „Verlorene Illusionen“ von Balzac das Leben seiner Zeit. Es gäbe zugegebenermaßen auch ungegenständliche Malerei und Romane wie die von Lovecraft, die nichts Wirkliches wiedergäben, das sei aber doch so nicht die Regel. Diesem recht plausibel klingenden Argument könnte aber (das ist ein Konjunktiv des Zweifels“)entgegengesetzt werden, daß in Kunstwerken, die etwas Wirkliches widerspiegeln, dies Wirkliche nur der Rohstoff ist, der dann zu einem Kunstwerk verarbeitet wird, sodaß das Produkt der künstlerischen Arbeit tatsächlich etwas dem Wirklichen Entgegengesetztes ist. Ein Maler malt nicht etwas einfach ab, sondern er produziert etwas. So sind die Portraits junger Frauen von Renoir nicht realistische Wiedergaben der ihm Modell gestanden habenden Frauen, sondern Meditationen über die Vergänglichkeit der Schönheit, die diesen Bildern ihre so melancholische Ausstrahlung verleihen.

Ist das Kunstwerk nun in seiner reinen Objektivität schon eine solche Kunstwelt, der wirklichen gegenüber stehend oder wird es erst durch den Kunst Rezipierenden dazu? Eine schwer zu respondiernde Frage, auch wenn es nahe liegt zu urteilen, daß erst durch den Gebrauch ein Kunstwerk verlebendigt wird und so erst zu einer Kunstwelt etwa dem Leser wird. So ist ein Rom erstmal nur ein Gebilde bestehend aus vielen ein Ganzes bildender Sätze, aber erst im Lesen wird daraus eine Geschichte, weil das Lesen ein Verarbeiten des Textes ist.

Eine wesentliche Frage wird Adorno nun gleich am Anfang seiner „Ästhetik“ auf, die nach der Funktion der Kunst. Er konstatiert, daß sich die Kunst emanzipiert habe von einem Sein für etwas. Sie hat ihr Wesen nicht mehr in ihrer Funktion für einen religiösen Kult, auch wenn das wohl ihr Ursprung war und sie fungiert auch nicht mehr als Medium der Aufklärung: Sie ist autonom geworden. Das sei „irrevokabel“. (S.9) Aber dafür zahlt sie nun auch ihren Preis: “Zur Selbstverständlichkeit wurde, daß nichts, was die Kunst betrifft, mehr selbstverständlich ist, weder in ihr noch in ihrem Verhältnis zum Ganzen, nicht einmal ihr Existenzrecht.“ So präludiert Adorno seine Ästhetik, und evoziert dabei die Befürchtung, daß das auch das Resümee dieser Ästhetik sein dürfte.

Ein banaler Ausweg scheint der der Subsumierung der Kunst unter den Begriff der Unterhaltung zu bieten. Kunst sei eben doch nur ein Medium zur Unterhaltung, wobei dann eben die Geschmäcker verschieden seien, sodaß einige mehr die Popmusik lieben, andere die Klassik, aber das seien alles nur Binnendifferenzierungen im Raume der Unterhaltungskultur. Daß Kunst etwas anderes sei als ein Mittel zur Unterhaltung, darauf insistiert Adornos Ästhetik, aber gelingt ihm das auch oder manifestiert sich in dieser Ästhetik denn doch nur die tiefe Abneigung gegen alle populäre Kunst im Namen einer wahren, über die nur noch letztlich gesagt werden kann, daß sie nichtkommerziell sein darf.


 

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