Volkstrauertag – Heldengedenktag – ein paar Nachtgedanken dazu
Wir, das Deutsche Volk gedenkt heute unserer gefallenen Soldaten der zwei Weltkriege. Ein Gedenktag, der uns Fragen aufwirft. Ernst von Salomon frägt in seinem Roman „Der Fragebogen“ nach der Bedeutung der Staats- und Volkszugehörigkeit für einen Bürger. Mein Bekenntnis zu dieser Zugehörigkeit bedeute, daß ich mich damit einverstanden erkläre,für mein Volk in den Krieg zu ziehen, zu töten und andere zu töten. Der Krieg ist so der Ernstfall der Treue zum eigenen Staat und zum eigenen Volke. Es wird so ein zweifaches Opfer verlangt, daß des andere Tötens und der Bereitschaft sich zu opfern.
Das ist auch ein, oder überhaupt das Problem moralphilosophischen und moraltheologischen Denkens: Mit welchem Recht darf der Staat dies einfordern und mit welchem Recht gehorcht dem der Bürger als Soldat? Ich denke, daß diese Frage nur respondiert werden kann, wenn davon ausgegangen wird, daß der Staat eine von Gott gesetzte Ordnung ist, daß Gott als Erhalter nicht nur durch die Kirche, durch das „geistliche Schwert“ regieren will und regiert, sondern auch durch das „weltliche Schwert“. Das Recht, über das Leben von Bürgern verfügen zu können, daß der Staat im Falle der Todesstrafe Verbrecher töten darf und im Falle des Krieges seine Bürger zum Töten und zur Bereitschaft, sich töten zu lassen, kann nur ein legitimes sein, wenn es sich von Gott selbst her ableitet. So wie Gott seinen Priestern die geistliche Vollmacht zur Sündenvergebung verleiht, so verleiht er dem Staate dieses Schwertrecht.
Aber doch provoziert dies Schwertrecht ein moralisches Unbehagen: Kann etwa ein Henker einen rechtmäßig verurteilten Mörder enthaupten, ohne zu sündigen und können Soldaten Feindsoldaten töten, ohne zu sündigen? Der Einwand, daß sie doch nur das täten, was ihre Pflicht sei, und wer seine Pflicht erfülle, sündige nicht, klingt überzeugend, und doch scheint hier etwas nicht zu stimmen. Die Probe: Wenn ein Henker ohne zu sündigen seinen Beruf ausüben könnte, ja von ihm sogar zu sagen wäre, daß er, indem er seiner Berufspflicht nachkomme, sogar richtig und gut handle, warum erfüllt dann jeden, nicht nur Christen dieser Beruf mit Grauen?
Irgendwie stehen wir hier so vor einer sehr befremdlichen Tat, die uns als pflichtgemäße darlegbar ist und die uns doch als etwas zutiefst Sündiges vorkommt. Ich denke, daß diesem Phänomen nur durch den Begriff des Tragischen gerecht wird, daß hier etwas pflichtgemäß getan werden muß, das doch sündig ist. Dies Problem dadurch lösen zu wollen, daß dem Staate das Schwertrecht abgesprochen wird, ist aber inakzeptabel, weil dadurch man sich gegen die göttliche Ordnung der Schwertgewalt des Staates stellt.
Das Tragische kann nicht aus dem moralischen Leben eines Christen eskamotiert werden. Abraham, das Vorbild des Glaubens war der, der seinen einzigen Sohn auf Gottes Befehl hin bereit war zu opfern – kann es etwas Tragischeres geben? Aber wie viele Eltern ließen ihre Söhne in den Krieg ziehen, waren so auch bereit für das Opfer ihrer Söhne für das Leben ihres Volkes?
Das Tragische ist, daß etwas getan werden muß, daß die Pficht etwas verlangt, was einem moralischen Empfinden nur als etwas Sündiges vorkommen muß- man denke jetzt an den Beruf des Henkers.
Für die Kirche kann es so darauf nur eine Antwort geben: diese Tragik anzuerkennen und für die, die ihre Pflicht so in den Weltkriegen erfüllten, Sühnopfer darzubringen.
Sind nun diese Soldaten der Weltkriege ausschließlich Opfer dieser Kriege? Zum Sprachfeld des Opfers gehört auch die Vorstellung des Sichaufopferns, des Sichopferns. Die aktive Seite wird so in den Vordergrund gestellt. Jesus Christus sagt dazu: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Joh, 15,13). Das gilt so gerade für die gefallenen Soldaten der zwei Weltkriege. Der natürliche Mensch ist spontan ein praktizierender Utilarist: Ich helfe anderen in einer Notlage, damit mir auch wer hilft, wenn ich in einer Not mich befinde. Der Gedanke des Sichopferns ist so dieser natürlichen Moralpraxis unzumutbar, weil in ihr das Zentrum der Moral die Selbstliebe und der Nutzen für einen selbst bildet. Sich ganz aufzugeben, sein Leben zu opfern, ist so gesehen entweder etwas Unvernünftiges und Sinnwidriges oder etwas wahrhaft Heroisches. Heroische Taten setzen nämlich den Glauben an etwas voraus, das größer und bedeutsamer ist als das individuelle Leben. Für dies Größere wird dann das Einzelleben aufgeopfert.
Wenn die gefallenen Soldaten als Helden geehrt werden, daß eben unser Volkstrauertag auch ein Tag der Heldenverehrung ist, dann ist das legitim, weil so dieser Opfercharakter des Soldatentodes gewürdigt wird: Der gefallene Soldat opferte sein Leben für unser Volk auf. Die christliche Religion wird diese Deutung des Soldatentodes immer auch bejahen müssen, denn in dem Zentrum dieser Religion steht das Kreuz Jesu Christi, der sich uns zum Sühnopfer hingab, um uns so zu retten.
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