Donnerstag, 4. November 2021

Menschlich- Allzumenschliches (eine neue Rubrik)

Menschlich- Allzumenschliches (eine neue Rubrik)


Sich selbst transparent sein: Erkenne Dich selbst!, gehört wohl zu dem Fundament abendländischer Kultur, aber wie gut kennen wir uns den bei uns Daheim aus? Eine kleine Begebenheit aus einer Religionsunterrichtsstunde möge hier der Einführung in diese Problematik dienen.

Zwei junge Madels im Unterricht, so ungefähr 12-14 Jahre jung: Keine Sekunde hörten sie zu, leise aber ununterbrochen redeten sie miteinander. Nach dem Unterricht gefragt, bekannten sie: Sie haben beschlossen, sich zu verlieben. Aus ihrer Liebingsboygroup haben sie sich 2 Verschiedene auserwählt, Jetzt suche jeder von ihnen auf dem Schulhof einen, der hinreichend ähnlich ist mit einem der Zweien, um sich dann in den zu verlieben. Damit sie sich nicht in den selben verliebe, schaue jeder immer nur nach einem der 2 aus, daß sie einem ihm Ähnlichen fände. Nun hatten sie in der Schulstunde, eine Photographie der Musikgruppe in den Händen haltend disputiert, ob die Ähnlichkeit der Aufgefundenen auf dem Schulhof ausreiche, um sich zu verlieben.

Bevor nun solch jungmädchenhaftes Unterfangen belächelt wird, sollen stattdessen Fragen gestellt werden. Liegt nicht dem spontanen Verlieben genau diese Struktur zu Grunde: daß ein Idealbild in uns abgespeichert ist, das, wenn in einem Anderen eine sehr große Ähnlichkeit erkannt wird, besser in dem Anderen das Idealbild recogniziert wird, das zum spontanen Verlieben führt? Dies Idealbild ist uns aber nicht präsent als dezidiert uns Bekanntes – da geht es uns ähnlich wie mit dem Begriff sagen wir mal eines Baumes. Befrage ich mich selbst, was ich den von eine Vorstellung von dem Begriff des Baumes in mir habe, sehr schwer fällt mir darauf eine Antwort, so unklar ist mir dieser Begriff, aber sehe ich in einer Straße einen stehen, kann ich ihn sofort als einen Baum identifizieren; er erscheint mir als ein Fall des Baumseins. Das Bild des Baumes recogniziere ich in ihm.

Von der Verhaltensforschung her kann gesagt werden, daß wir Menschen hinsichtlich der Fortpflanzung über ein Beuteschema verfügen, daß noch nicht Fortpflanzungsfähige und Nichmehrfortpflanzungsfähige heausselektiert. Durch kulturelle und individuelle Attrakivitätsvorstellungen, was gilt heute als männlich attraktiv oder weiblich schön und was sind dann individuelle Vorlieben wird dann wohl das natürliche Beuteschema modifiziert.

So haben diese 2 Madels nur das bewußt getan,was sonst unterbewußt spontan sich ereignet. Ein Mann verliebt sich eben in eine Frau, indem er in ihr etwas wiedererkennt, wonach er unbewußt gesucht hat.

Aber er fällt doch keine Entscheidung: Diese Frau will ich nun lieben! Wie entsteht denn dann dies Sichverlieben, wenn es nicht so vonstatten geht, wie es sich diese Mädchens imaginiert haben? Der Liebesgott Amor, der durch seine abgeschossenen Pfeile in einem Menschenherz die spontane Liebe zu jemanden entzündet, zeigt ja sehr anschaulich, wie wenig der Sichverliebende Herr über sein Herz ist. Er hat seinem Herzen nicht damit beauftragt, sich nun in den Geliebten zu verlieben. Sicher kann nun hinzugefügt werden, daß wenn aus dem Sichverliebthaben eine Liebe wird, gar mit Heiratsabsichten, der Verstand dann auch mitwirkt: Ist das wirklich jemand,mit dem ich zusammenleben möchte und kann? Aber so zu fragen, gehört nicht in das Reich des Sichverliebens. Eines ist aber sicher: Wer sich in wen verliebt, kann nicht selbstverständlich davon ausgehen, daß weil er in sie veriebt sei, sie sich auch in ihn verlieben wird. Von jemandem geliebt zu werden, so wahrhaftig diese spontane Liebe des ersten Verliebtseins auch sein mag,evoziert nicht automatisch eine Gegenliebe, „Weil Du mich liebst, liebe ich Dich auch!“, ist eben ein Irrtum.

So ist es ein bekanntes Phänomen, daß sich Menschen, die depressiv verstimmt sind, sich also als nicht liebenswürdig erachten, wenn sie dann wirklich geliebt werden, dies Geliebtwerden nicht annehmen können: Das kann nicht wahr sein!

Wie wenig wir uns doch selbst in einem so Elementaren wie dem Sichverlieben transparent sind. Und dann wollen wir den Kosmos verstehen! Vielleicht ist aber der Kosmos leichter zu begreifen als unser Innenleben.



 

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