Dienstag, 23. November 2021

Anmerkungen zu einer gespaltenen Gesellschaft und über Feindbilder

Anmerkungen zu einer gespaltenen Gesellschaft und über Feindbilder



Corona spalte die Gesellschaft- diese abbreviaturhafte Aussage meint, daß in der Gesellschaft unterschiedliche Einschätzung über die Coronaepidemie und den Maßnahmen zur Eindämmung dieser Epidemie gäbe,daß sich 2 Positionen dabei so diametral gegen-überstünden, daß eine Verständigung zwischen ihnen nicht mehr möglich sei.Die einen sähen in den Coronaschutzmaßnahmen notwendige Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, die angesichts der Gefährlichkeit des Virus angemessen sind, und die Anderen eine unzumutbare Einschränkung, die in keinem Verhältnis zur wirklichen Gefährlichkeit des Virus stünde.

Staatlicherseits wie auch in den etablierten Medien werden nun die Kritiker der Regierungspolitik systematisch verteufelt und da man nicht mehr glaubt, die Kritiker argumentativ überzeugen zu können, sollen sie per Sanktionen zum Impfen gezwungen werden: An allem seien die Ungeimpften schuld! In einer Sonntagspredigt schwang sich gar ein Theologieprofessor zu der Behauptung auf, jeder Nichtgeimpfte befände sich im Stande der Todsünde und dürfe so auf keinen Fall die Eucharistie empfangen.

Ich gestatte mir hier, ein paar völlig unzeitgemäße Gedanken zu dieser Causa zu Papier zu bringen.Friedrich Nietzsche schrieb einmal: Nicht weil es Gründe für einen Krieg gäbe,gäbe es Kriege, sondern weil es den Willen zum Kriege gäbe, fände der zu seiner Rechtfertigung auch Kriegsgründe. Hier spricht ein Psychologe, ein Menschenkenner. Im öffentlichen Diskurs wird über die Ursachen,politische Motive und Absichten debattiert, über legitime und nicht legitime Gründe für einen Krieg- (War der Krieg Deutschlands 1941 gegen die Sowjetunion ein illegitimer Eroberungskrieg oder ein billigbarer Präventivkrieg?)aber Nietzsche verweist nun auf eine diesem Diskurs subkutan zugeordnete ganz andere Ebene des Willens zum Kriege.

Zur Verständlichmachung des Verhältnisses dieser zwei Ebenen zueinander sei ein einfacheres Phänomen dargestellt. Wir denken uns ein Paar, seit 5 Jahren zusammenlebend, unverheiratet, aber miteinander intim. Plötzlich sieht die Frau in ihrem festen Freund immer mehr sie Störendes und Nichtakzeptables, ja es entsteht in ihr der Verdacht, daß sie eigentlich nicht zusammen paßten. Nähme sie nun eine professionelle Beratung in Anspruch oder beräte sich mit Freundin, gut und vernünftig könnte sie die Differenzen zwischen ihr und ihrem bisherigen Lebensgefährten explizieren. Damit partizipierte sie an dem allgemeinen Diskurs, warum können Beziehungen scheitern teil, was kann man zur Rettung der Beziehung unternehmen und was, wenn man sich doch trennen muß. Der allgemeine Diskurs verhält sich dabei zu dem von dieser Frau dann wirklich Gesagtem wie das Schachregelsystem zu einer konkret gespielten Partie.

Aber im Sinne Nietzsches könnte jetzt eine ganz andere Ebene, eine subkutane vermutet werden, in diesem Falle soll es als ein Fortpflanzungsprogramm, abgespeichert auf unserer inner-menschlichen Festplatte bezeichnet werden. Dies Festplattenprogramm konstatiert, daß trotz regelmäßigen Geschlechtsverkehres es zu keiner Schwangerschaft kam, die Information, daß Verhütungsmittel benutzt werden kann dies Programm nicht aufnehmen und so kommt es selbst zu dem Ergebnis: ein falscher Partner. Darauf wirkt dies Programm so auf das die Wahrnehmung der Frau ein, daß sie ihren Freund immer negativer sieht, bis sie ihn verläßt, um sich einen neuen Mann zu suchen. In ihrer Selbstwahrnehmung erkennt sie vernünftige Gründe zur Beendigung dieser einstigen Liebesbeziehung, aber die Quelle diese vernünftigen Trennungsgründe könnte dies in uns Menschen festplattenähnlich gespeicherte Fortpflanzungspogramm sein.

Jede Ichidentität generiert sich aus dem Gegensatz zu einem Nichtich, ich bin ich nur in meiner Differenz zu allen anderen. Ohne den Anderen bin ich nicht ich. Wenn nun Gesellschaften eine Ichidentität herausbilden, dann bedürfen sie dazu anderer Gesellschaften, von denen sie sich so unterscheiden, daß sie ein Wir sind. So funktioniert die ethnische Identität:Wir sind ein Volk, weil wir anders sind als die anderen Völker.Die Homogenität des eigenen Volkes in ihrer Differenz zu den anderen Völkern konstituiert so die eigene Identität.Eine andere Möglichkeit ist eine kulturelle Homogenität: Verschiedene Ethnien können eine Wirgemeinschaft bilden eine gemeinsame Religion,die in Differenz zu anderen Religionen steht. Eine Weltgemeinschaft kann es so nicht geben, weil es kein anderes mehr geben kann, das ausgeschlossen werden könnte, sodaß durch einen Ausschluß sich eine Ichidentität konstituieren könnte.

Nun lösen sich aber in der jetzigen Postmoderne sowohl die ethnischen wie die religiösen Homogenitäten auf. Das Projekt der Multiethnisierung und der Multikultivierung dient ja gerade dieser Auflösung von allen Nationalkulturen. Deshalb werden ja auch bevorzugt Muslime in dem einst christlichen Europa als „Flüchtlinge“ aufgenommen.

Wie können dann noch postmoderne Gesellschaften in sich eine Identität erwirken? Es muß etwas konstruiert werden, das als Auszuschließendes die Identität der Gesellschaft konstituiert. Es bedarf eines inneren Feindes, der auszuschließen ist, damit die Gemeinschaft der Dazugehörigen sich bilden kann.Die so Auszuschließenden übernehmen dann neben der Funktion der Ermöglichung der Identitätsbildung die nützliche Funktion des Sündenbockes. Postmoderne Gesellschaften brauchen also um ihrer Identitätsgewinnung willen den inneren Feind.

Das ist die subkutane Ebene. Im öffentlichen Diskurs wird dann nach „vernünftigen“ Gründen gesucht, Bestimmte zum „inneren Feind“ zu erklären. Dieser öffentliche Diskurs verdunkelt dann das Faktum,daß der Wille zum „inneren Feind“ dem politischen Diskurs der Feindbestimmung zu Grunde liegt. Dieser Feind ist so selbst das Konstrukt des politischen Diskurses, jetzt aktuell der „Impfverweigerer“, der auch ein „Rechter“, „Rechtsradicaler“ ist, denn all diese Bezeichnungen sind ja nur Namen für den für postmoderne Gesellschaften notwendigen „inneren Feind“, womit wir auch vor einer erstaunlichen Neuinterpretation von Carl Schmitts Lehre von der Bedeutung des Feind für die Politik stehen.






 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen