Montag, 8. November 2021

„Requiescat in pace“ RiP

Requiescat in pace“ RiP


Er/sie ruht in Frieden- so wird oft übersetzt, aber diese Über-setzung wird dem Konjunktiv nicht gerecht, der hier optativisch zu übersetzen ist: „Möge er/sie doch im Frieden ruhen.“ Dieser Optativ ist nun von größter Bedeutsamkeit, denn nicht ist es selbstverständlich, daß unser Totsein ein Ruhen im Frieden ist, sondern eine Gnade Gottes.

Es sei nun an eine völlig in Vergessenheit geratene Kontroverse zwischen den Reformatoren Luther und Zwingi erinnert. Luther interpretiert die Verheißung Jesu an den reuigen Mitgekreuzigten: „Du wirst heute noch im Paradies sein!“ so, daß der Reuige bis zur Totenauferweckung „schlafe“, daß ihm subjektiv es aber so vorkäme, als wenn er gleich nach seinem Sterben im Himmel sei, denn für ihn verginge subjektiv keine Zeit.

Dieser Seelenschlaftheorie, obzwar sie geeignet dafür war, die Fürbitte der Heiligen im Himmel als eine Unmöglichkeit zu kritisieren, weil ein Schlafender nicht fürbitten kann, ein wesentliches Anliegen der Reformatoren in ihrer antikatholischen Ausrichtung, widerspricht Zwingli vehement. Die Seelen schliefen nicht im Himmel, sondern da leben sie erst richtig auf. Um unseres Körpers willen müßten wir schlafen, die Seele dagegen sei so vital, daß sie statt des Nachts zu schlafen, träumt,weil sie keines Schlafes bedarf. Ist nun die Seele ihres Körpers entledigt, lebt sie sozusagen richtig auf und wird im Jenseits so höchst aktiv werden. So heißt es ja in dem Buch der Weisheit: „denn der vergängliche Leib beschwert die Seele und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Geist.“ (9,15)Bei Gott zu sein und dann zu schlafen, ist für Zwingli einfach unvorstellbar. Eine Braut schläft doch auch nicht ein, wenn ihr Bräutigam neben ihr sitzt.

Aber was ist nun davon zu halten, daß das Totsein mit einem Ruhen in Frieden gedeutet wird? Ist etwa das ewige Leben ein Ruhen, ein Ausruhen vom irdischen Leben? Traditionell galt das irdische Leben als ein Vorspiel für das wahre jenseitige, man könnte es auch als die Ausbildungszeit für das ewige Leben begreifen. Das wahre Leben war eben das jenseitige.

Wenn der optativische Gehalt, möge es doch ein Ruhen in Frieden sein, darauf verweist, daß das Totsein auch etwas ganz anderes sein kann, nämlich ein Leben im Fegefeuer oder gar in der Hölle, so suggeriert der Indikativ, daß das Totsein sozusagen natürlich ein Ruhen im Frieden ist. Wird das ernst genommen, dann könnte damit nur gemeint sein, daß das Totsein als ein Nichtmehrsein einfach dies Ruhen ist. Im Geiste Epikurs, wenn Ich bin, ist der Tod nicht und wenn der Tod ist, bin Ich nicht mehr, also kann es meinen Tod nicht geben, wird das schlichte Nichtmehrsein euphemistisch zu einem friedlichen Ruhen verklärt.

Aus der christlichen Hoffnung auf eine Überwindung des Todesschicksales wird so eine Versöhnung mit dem Tod, da er ja nichts anderes ist als ein ewiges Schlafen ohne (Alb)Träume. Der Boden, auf dem diese Todesvorstellung fruchtbar wird, ist der der Dekadenz, der Schwächung des Lebenswillens- wir leben eben in einer Zeit der Dekadenz, zumindest im „freien Westen“.


 

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