Dienstag, 21. März 2023

Etiam si omnes- ego non: Wenn auch alle - ich nicht - Zur "Marktwirtschaftskirche"

Etiam si omnes- ego non: Wenn auch alle - ich nicht Diese Maxime der nichtkonformistischen Internetseite: „Sezzion im Netz“ verschaffte ihr die Ehre, vom Verfassungsschutz nun sorgfältigst gelesen zu werden,aber sie sollte auch von nichtprofessionellen Lesern des Lesens gewürdigt werden. Am 17. und 18.März 2023 fand dort eine sehr rege Diskussion über das „deutsche Bürgertum“ statt, ausgehend von 2 sehr anregenden Artikeln zu dieser Causa. Die Frage nach dem Bürgertum, gar nach den Besonderheiten des deutschen ist nun auch nicht relevanzlos für die Erhellung der Lage der Kirche in Deutschland. Wer sich dem Thema der Beziehung des Bürgertumes zur christlichen Religion und der Katholischen Kirche annähern will, darf einiges dabei nicht übersehen: Als politisches Subjekt trat das Bürgertum in seinen bürgerlichen Revolutionen im großen Welttheater auf. Die bürgerliche Revolution, nicht nur die Französische Revolution wandte sich dabei nicht nur gegen die Vorherrschaft des Adels sondern genauso auch gegen die Herrschaft der Kirche. Als der politische Feind des Bürgertumes galt nun gerade das Thron- und Altarbündnis,dem nun das Konzept einer vernünftig gestalteten Gesellschafts- und gar Weltordnung entgegengesetzt wurde. Das Widervernünftige, das Irrationale, das war eben gerade die Adels- und Klerusherrschaft. Zum Bürgertum als politisches Subjekt der Emanzipation aus der selbstverschuldeten Verunmündigung durch die Kirche und die Adelsherrschaft gehört nun wesentlich der geschichtsphilosophische Optimismus, daß die Menschheitsgeschichte doch ein unaufhaltsamer Progreß ist, der zur Freiheit und zu einer vernünftig gestalteten Weltrepublik führen würde. Gerade, da nun dieser Optimismus spätestens seit dem Eintritt in die Postmoderne brüchig geworden ist, zeigt sich aber auch, wie viel säkularisierte christliche Religion dieser Optimismus enthielt: „Der Optimismus der Geschichtsphilosophie wird verworfen,weil er die säkularisierte Form der christlichen Eschatologie darstellt.“,konstatiert als Signum der Postmoderne G. Raulet in seinem Buch: Gehemmte Zukunft. Zur gegenwärtigen Krise der Emanzipation, 1986,S.84. Ja, schon früh erhob sich angesichts des Schreckens der Französischen Revolution die Stimme des Pessimismus, eine Selbstkritik des Bürgertumes etwa am tiefgründigsten in der Philosophie A. Schopenhauers. Die faktische Bedrohung der bürgerlichen Revolution durch die revolutionäre Arbeiterklasse führten dann aber auch zu einer antirevolutionären Haltung des Bürgertumes. Der conservative Bürger trat als Nachfahre seines revolutionären Vorfahren auf. Fraglich ist, ob in der heutigen postmodernen Zeit noch dies politische Bürgertum existiert, denn es lebte ja aus seine Antithetik zur Herrschaft des Adels und des Klerus und in seiner Opposition zum 4.Stand. Wollte man die Haltung des Bürgertumes zur christlichen Religion und der Kirche kurz charakterisieren, so müßten verschiedene Momente unterschieden werden: Die bürgerliche Aufklärungsphilosophie säkularisiert die christliche Religion in das Vertrauen in die Geschichte als einen Entwickelungsprozeß hin zu einer vernünftig durch den Menschen gestalteten Welt.Die christliche Religion wird dabei privatisiert und primär in der Familie gelebt, wohingegen der Raum der Politik und der Wirtschaft als durch ihre jeweilige Eigengesetzlichkeit bestimmte begriffen werden. Wie man seine Hausschuhe auszieht, wenn man außer Hauses geht,so läßt der Bürger als Mann seinen Glauben Zuhause, er zieht ja hinaus ins „feindliche Leben“, während die Frau in der Küche, bei den Kindern und in der Kirche ihr Leben führt. Das Christentum wurde so zur Frauen- und Kinderangelegenheit, das außerhäusliche bürgerliche Leben emanzipierte sich da von der Religion und der Kirche. In den Familienfeiern, auch gerade das Weihnachtsfest verlebendigte sich so die sonst schon schon absterbende Religion. Das verbürgerlichte Christentum ist so selbst schon eine Zerfallsform der christlichen Religion, das nun aber auch selbst sich auflöst ob des Verschwindens des Bürgertumes. Vielleicht beschreibt Thomas Manns „Buddenbrook“ nicht nur das Schicksal einer bürgerlichen Familie sondern ihren eigenen Untergang. Aber was für eine Gestalt könnte nun die christliche Religion in der Epoche der Postmoderne einnehmen? Das ist unklar wie so vieles an unserer jetzigen Epoche, nur eines ist wohl gewiß: Das bürgerliche Christentum vergeht, weil ihr sozialer Träge sich aufgelöst hat: der bürgerlich sich verstehende Mensch. Vielleicht wird das zukünftige Christentum eines sein für Steppenwolfexistenzen, deren Motto lautet: Etiam si omnes- ego non: Wenn auch alle - ich nicht! Corollarium Ein Moment der Postmoderne ist die Entbürgerlichung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, die in der bürgerlichen Kultur selbst ein Hemmnis ihrer Weiterentwickelung sieht, besonders in den Ordnungenen der Ehe und der Familie und des Volkes und dem Nationalstaat. Auch das Ideal des selbstbeherrschten Bürgers ist eben dysfunktional für den Massenkonsum, dem notwendigen angesichts der Massenproduktion von Konsumwaren.

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