Sonntag, 5. März 2023
Zur Papst Benedikts Kritik der Moderne
Zur Papst Benedikts Kritik der Moderne
„Das menschliche Denken, das immer ein Denken des Seins gewesen sei, habe einen Paradigmenwechsel vollzogen. An die Stelle des Seins sei das Faktum getreten, die Gleichsetzung von Wahrheit und Sein wurde abgelöst von der Gleichsetzung von Wahrheit und Tatsache (!). Die Herrschaft des Faktums bewirkte die radikale Zuwendung des Menschen zu dem von ihm Gemachten als der einzigen Gewissheit. Dieses Credo wurde noch einmal gesteigert im Marxismus: aus dem Faktum wurde ein Faciendum. Das Reich Gottes – der Zentralbegriff des Christentums – wurde nun zum Reich des Menschen, es ging um die bessere Welt von morgen.“
Diese gediegene Zusammenfassung der Kritik der Moderne durch diesen „Mozart der Theologie“ findet sich in dem Essay: „Der Synodale Weg und die Kritik aus Rom“. (Internetblogg: feinschwarz, 2.März 2023). Die Intention dieses Essays ist klar, daß diese inakzeptable Kritik der Moderne durch diesen Papst die jetzige Kritik aus Rom fundiere. Die Moderne wird also verstanden als Aufhebungsprojekt des christlichen Glaubens an das Reich Gottes, indem nun das von Gott verheißende als das von ihm gewirkte Reich als die Aufgabe des Menschen umgedeutet wird. Die Reich Gottes Hoffnung wird also nicht einfach negiert sondern transsubstantioniert in die Aufgabe des modernen Menschen. Nun ist es zwar sinnvoll, den Marxismus als die gesteigerte Form dieser Umformung zu bezeichnen, aber der Marxismus ist nicht der einzige Vertreter dieser Umformung. Die ganze aufklärerische Philosophie praktizierte diese Umformung, sicher auf verschiedenster Weise, aber das war ihr Kerngeschäft.
Wenn etwa der Philosoph Habermas von dem unvollendeten Projekt der Moderne schreibt, dann meint er damit, daß die positiven Potentiale, die in der Moderne präsent sind,nicht, oder noch nicht realisiert worden seien. Das Ziel sei eine humanistisch vernünftig gestaltete Welt.
Wenn Gerard Raulet in seinem Buch: „Gehemmte Zukunft.Zur gegenwärtigen Krise der Emanzipation“ 1986 von der „Krise des linear fortschrittlichen Geschichtskonzeptes“, von der „Infragestellung des emphatischen Vernunftbegriffes“, (S.7), von der Krise des Glaubens an das revolutionäre Subjekt der radicalen Weltveränderung schreibt, dann benennt er damit die Krise der Moderne, die Kritik der Moderne vom Standpunkt der Postmoderne her.
Ironisch könnte dann der Synodale Weg und die dazugehörige Zeitgeisttheologie als Versuch deuten, die Kirche mit diesem Konzept der Moderne auszusöhnen, während die Moderne selbst als gescheitert längst von der Epoche der Postmoderne abgelöst wurde. Papst Benedikts conservative Kritik der Moderne wird dadurch zu einer der Postmoderne kompatiblen Kritik einer dem Denken der Moderne ganz und gar verhafteten Modernisierungstheologie! Das entscheidende Motiv der Reformtheologie ist ja, daß die Kirche dem allgemeinen gesellschaftlichen moralischen, kulturellen Fortschritt hinterherhinke, die Emanzpationsentwickelung verschlafen habe. Die Kirche gliche zu auf dem Bahnhof abgestellten Waggons, während die Lokomotive des Fortschrittes auf den Gleisen des Fortschrittes ohne sie davonfährt, dem Morgenrot der besseren Welt entgegen. Die Vorstellung, daß unter dem Begriff der Reform ein Zurück zum Ursprünglichen verstanden wird, muß ja aus der Perspektive eines linear fortschrittlichen Geschichtskonzeptes als reaktionär verurteilt werden. Die Tradition ist von ihrem Wesen her nur das Veraltete, das nur wahr gewesen war, als es neu auftrat, um dann durch den progressierenden Strom der Zeit zu veralten. Wahr ist nicht mehr das ewig wahr Seiende, sondern der Fluß, der alles einstig Wahre entwertet, um stets neue Wahrheiten hervorzubringen. Darum müsse die Kirche sich permanent modernisieren, alles Alte als Veraltetes hinter sich lassend. Dann kann selbstverständlich auch Jesus Christus nicht mehr die ewige Wahrheit sein.
Peinlich ist aber nun, daß die Bischöfe Deutschlands dank intensivster Nachhilfe durch die modernistische Universitätstheologie ihre Liebe zu dem Projekt der Moderne findet, wo dieses nun schon untergegangen ist, auch wenn nicht nur der Philosoph Raulet als Ernst Bloch Schüler von der Hoffnung der Moderne retten versucht, was irgendwie noch als rettbar erscheint, ganz conservativ der Moderne, der großen Emanzipationserzählung (vgl Lyotard, Das postmoderne Wissen) verhaftet.
Corollarium
Es muß aber auch festgehalten werden,daß die Moderne als Projekt nur möglich war als Aufhebung der christlichen Religion und somit diese Religion voraussetzt.
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