Montag, 27. März 2023

Zu den Hintergründen des jetzigen Niederganges der christlichen Religion und der Kirche

Zu den Hintergründen des jetzigen Niederganges der christlichen Religion Manchmal werden Antworten auf gewichtige Fragen an Orten gefunden, wo man wirklich nicht nach ihnen gesucht hatte. Eine einfache Feststellung: „Viele Menschen sind heute dazu bereit,die Vorstellung aufzugeben,dass es in allen Fällen eine einzige, maßgebliche Wahrheit zu entdecken und zu verteidigen gibt.“ Catherine Belsey, Poststrukturalismus, 2013, S.105. Zu beachten ist, daß hier die Wahrheit als etwas nicht Entdeckbares begriffen wird. Relativiert wird das nur durch die Einschränkung: nicht in allen Fällen sei die Wahrheit erkennbar. Der Leser darf mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen, daß der Fall der Religionen unter diese Fälle, in denen keine Wahrheit gefunden werden kann, zu subsumieren ist. Warum soll das so sein: „Tatsächlich hat ein Jahrhundert politischer Grup-pierungen,die die Wahrheit,wie sie sie verstanden,nicht nur verteidigten,sondern verherrende Gewalt gegenüber Menschen ausübten,die ihre Überzeugungen nicht teilten,bei vielen von uns ernsthafte Zweifel an der Behauptung von Wahrheits-ansprüchen geweckt.“ (S.105) Unter den politischen Gruppierungen sind in erster Linie die kommunistischen und die nationalsozialistischen gemeint, daß Staaten im Besitz der Wahrheit sich wähnend, so totalitär werdend alle dieser Wahrheit Nichtzustimmenden unterdrückten und gar töteten. Nicht werden nun diese Ideologien als unwahre kritisiert, sondern geschlußfolgert, daß der Besitz der Wahrheit immer freiheitsfeindlich sei und zu einer menschenverachtenden Praxis führe. Der Gedanke, daß die Wahrheit die Freiheit der Diskurse begrenze, gar nichte, führt etwa M.Foucault in seiner Diskurstheorie aus. Das Streben nach der Wahrheit mit dem Ziel ihrer Erkenntnis und deren Besitz wird so als etwas zumindest potentiell den Frieden und das Miteinander der Menschen Gefärdendes angesehen. Der Wille zur Wahrheit wäre so im Sinne Nietzsches nur eine Maskerade des Willens zur Macht, des Willens so auch des Herrschens über andere. Auf eine Formel zusammengedrückt hieße das: Wahrheit macht unfrei. Im Zentrum der christlichen Religion steht nun die Aussage, daß Jesus Christus die Wahrheit ist. Diese Zentralaussage, nicht erst unzeitgemäße Morallehren oder dem modernen Menschen abskur vorkommende Wundergeschichten muß die christliche Religion und damit auch die Kirche zu etwas Inakzeptablen machen für das gegenwärtige postmoderne Denken mit seiner Ablehnung des Strebens nach der wahren Erkenntnis. Die christiche Religion paßt nicht mehr in die heutige Zeit, weil sie nicht nur Wahrheitsansprüche stellt, sondern sich gar als die Wahrheit versteht. Wer daraufhin den heutigen theologischen Diskurs überprüft, wird auf vielfältigste Versuche stoßen, den Geltungsanspruch der Kirche zu relativieren, indem nun ökumenisch alle christlchen Confessionen als gleich wahr, im interreligiösen Dialog gar alle Religonen als gleich wahr behauptet werden und letztlich es doch nur noch um die allen Menschen gemeinsame Humanität ginge. Die Religonen werden dann nur noch als Suchbewegungen nach der Wahrheit dargestellt, die aber nicht mehr selbst in ihnen präsent seien. Daraus resultiert ein Dilemma für die Theologie und die Kirche: Gegen ihr Eigentliches, daß in ihr die Wahrheit offenbar präsent ist,verstellt sie sich zu etwas doch nur rein Subjektivistischem: Auch bei uns kann man nur Meinungen, Vorstellungen von Gott und allem Dazugehörigen finden und genau mit diesem Kotau dem postmodernen Zeitgeist gegenüber, der Poststrkturalismus ist ein wesentliches Moment der Postmoderne, wie Besleys Buch es veranschaulicht, macht sich die Theologie und die Kirche auch selbst widerum irrelevant. Das Dilemma: Um sich als Zeitgemäßes zu gestalten muß sie sich als Irrelevantes gestalten. Denn relevant war sie als der Ort der Präsenz der da offenbaren und erkennbaren Wahrheit, aber genau als so Qualifizierte paßt sie nicht in den postmodernen Geist, dem die Wahrheit etwas Freiheitsbedrohendes erscheint. Wahrheit macht unfrei- das dokumentiert am besten die Differenz unserer Epoche von der abendländisch-christlichen,deren Untergang wir nun erleiden.

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