Montag, 24. April 2023

Der Krieg, der Vater aller Dinge? - oder ein Nachtgedanke über die Liebe Gottes

Der Krieg, der Vater aller Dinge? - oder ein Nachtgedanke über die Liebe Gottes „Krieg ist aller Dinge Vater,aller Dinge König.Die einen macht er zu Göttern,die anderen zu Menschen,die einen zu Sklaven,die anderen zu Freien:“ Heraklit,53.Fragment. Das muß doch als eine antichristliche Vorstellung verurteilt werden, auch wenn die aus der Feder eines bedeutenden griechischen Philosophen stammt. Die Liebe ist doch der Zentralbegriff der Theologie und nichts widerspricht der Liebe mehr als der Krieg. Mancher Biblizist und nicht nur die „Zeugen Jehovas“ ergänzen dann noch leidenschaftlich, daß ein Gottgläubiger sich am besten jeder Philosophie fern halte, denn die Bibel reiche, zumal sie von Gott stamme, die Philosophie sei stattdessen doch nur ein Menschenwerk und dann noch von recht zweifelhafter Qualität. Fragwürdig wird diese einfache antithetische Gegenüberstellung aber, wenn wir die Philosophie als die Wissenschaft vom Denken bezeichnend frügen, wie sich denn der Glaube zum Denken und zur Vernunft verhielte. Könnte die Religion als ein Raum jenseits des Denkens und der Vernunft vorgestellt werden, in dem dann halt nur noch geglaubt und geliebt wird? „omnis determinatio est negatio“, oft dem Philosophen Spinoza zugeschrieben ist eine in sich evidente Aussage. Jede Bestimmung ist nur eine Bestimmung, insofern sie immer auch eine Negation ist: Wer von etwas aussagt, daß es die Eigenschaft a besitzt, negiert damit, daß es die Eigenschaft -a besitzt. Das klingt formallogisch trivial und scheint für das theologische Denken völlig bedeutungslos zu sein. Was aber folgt daraus, wenn dieser Gedanke auf Gott angewandt wird? Die sogenannte negative Theologie besagt, daß jede positive Aussage über Gott Gott verendlicht und so nicht mehr als Gott denke. Wird Gott als die Liebe bezeichnet, dann wird damit alles von Gott ausgeschlossen, was mit der Liebe unvereinbar ist. Dieser Ausschluß begrenzt Gott durch diese Negation: Alles, was Nichtliebe ist, ist Gott nicht. Der Mensch findet sich stets als etwas Bestimmtes vor, daß er eben ein Mensch, ein Exemplar des Menschseins und somit nicht ein Exemplar des Engels- und nicht ein Exemplar des Tier- oder Pflanzenseins ist. Fände sich Gott so auch als ein bestimmtes Sein vor, nämlich als das Gott-Sein, so wäre ihm wie uns Menschen eine bestimmte Natur vorgegeben, die ihn bestimmt, indem sie negiert, was er alles nicht ist. Erst seine spezifische Differenz zu allem anderen Seienden machte ihn zu Gott, er ist Gott, weil er alles Nichtgöttliche nicht ist. So würde aber Gott wie ein geschaffenes Sein gedacht, nicht wie Gott, denn Gott darf nur durch sich selbst bestimmt gedacht werden: Wer sollte ihn sonst bestimmen,daß er sich als schon immer Bestimmtes selbst vorkommt ? Besteht alles Bestimmte dadurch, daß es nur etwas Bestimmtes ist, indem es alle Bestimmungen, die es nicht ist, negiert, so wäre dieser Negationsakt der, durch die erst Bestimmtes entsteht, denn ohne diesen Negationsakt wäre alles ein Einseinerlei, ein einziges Grau, in dem nichts Bestimmtes ist. Genauso denke die negative Theologie Gott, ja es darf von ihm nicht mal gesagt werden, daß er das Sein wäre, denn dann wäre er durch das somit ausgeschlossene Nichtsein begrenzt. Wenn aber so gelten sollte: Ich bin nur ich, weil ich nicht du bist!, dann wäre die Beziehung von jedem zu jedem die dieser Negation. Nur weil es also diesen Negationsakt gibt, gibt es Gott und Menschen. Sonst wäre nur ein unterschiedsloses Einerlei. Dieser Negationsakt bildet dann den Ermöglichungsgrund dafür, daß alles Bestimmte mit allem Bestimmten in ein Konfliktverhältnis gerät. Es wird der Andere nur noch als das Andere von mir gesehen. Würde nun dieser für jedes Bestimmtsein konstitutiver Akt der Negation, des Krieges aller gegen alle, wie es Heraklit sagt, einfach negiert, versänkte alles in einem unterschiedslosen Einerlei, das nichts außer sich hat. Die Liebe dagegen wäre dann zu begreifen als die Anerkennung des Anderen als Anderen, daß Gott zum Menschen Ja sagt in seiner Differenz zu Gott und der Mensch Ja sagt zu Gott als dem Anderen von ihm. Erst wenn Gott sich vom Menschen und der Mensch von Gott getrennt hat, kann diese Differenz in der Liebe nicht einfach negiert sondern aufgehoben werden in der wechselseiten Bejahung. Die Liebe wäre so, hegelianisierend die Negation der Negation als Aufhebung und nicht als Repristination des Ursprunges. Heraklits befremdliche Aussage wäre dann der dunkle Hintergrund, von dem aus erst der Gedanke der Liebe Gottes zu uns und der unsrigen zu Gott gedacht werden kann. Zur Veransschaulichung: Ein Mann kann nur eine Frau lieben, wenn die Differenz zwischen Mann und Frau von beiden bejaht wird und in ihrer Liebe diese Differenz nicht zum Geschlechterkampf führt, sondern aufgehoben wird in der Einheit, die in sich diese Differenz auch bewahrt, daß die Frau Frau und der Mann Mann bleibt.

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