Sonntag, 16. April 2023

Die Welt, ein einziges Theater - weitere Nachtgedanken

Die Welt, ein einziges Theater - weitere Nachtgedanken Plotin, wohl der bedeutsamste Platonausleger schreibt: „Und was Mord und Tot-schlag aller Art betrifft...,so soll man es anschauen wie auf den Gerüsten der Schaubühne,es ist alles nur Umstellen der Kulisse und Wechsel der Szene, und dazu gespielte Tränen und Wehklagen (Enneade III,2,15,44f), zitiert nach: Norbert Fischer,Die philosophische Frage nach Gott,1995, S.70f. Paulus schreibt: „Ich glaube nämlich,Gott hat uns Apostel auf den letzten Platz gestellt,wie Todgeweihte,denn wir sind zum Schauspiel geworden für die Welt,für Engel und Menschen.“ (1.Korinther 4,9) Das Wort: „Schauspiel“wird leicht überlesen, aber dem könnte mehr Gehalt innewohnen, als es anfänglich scheinen mag. Auf den letzten Platz stellen, das könnte als eine Kurzbeschreibung der Tätigkeit eines Regisseurs verstanden werden. Auf der Bühne des Schauspieles treten so die Apostel auf, das wäre dann eine Rolle in dem Schauspiel. Ein Schauspiel verlangt nach Zuschauern, für die eben auf der Bühne gespielt wird: Die Welt und die Menschen,bezeichnet dann Paulus als diese Zuschauer. Das muß doch verwirren, fungiert doch die Welt hier als die Bühne des Schauspieles und die Menschen als die Schauspieler auf der Bühne. In zweifacher Weise existieren so die Menschen hier, einerseits als Rollenspieler auf der Weltbühne und andererseits als die Zuschauer, für die das Schauspiel aufgeführt wird. Von daher ist dann wohl auch für die Engel zu deuten: Auch sie wirken als Gottes Engel auf der Bühne und sie fungieren auch als Zuschauer. Somit werden also die Engel und die Menschen in zweifacher Perspektive hier thematisiert: Als Agierende sind sie die Schauspieler und als Reflektierende sind sie die Zuschauer des Welttheaters. Gott wird dabei vorgestellt als der Theaterregisseur. Plotin reflektiert nun, wie wir Menschen, das Weltgeschehen, isb das Schreckliche,das in ihr sich Ereignende betrachten sollen: Wir sollen die Position des Zuschauers einnehmen, denen die Geschehnisse der Welt Bühnenereignisse sind. Implizit ist damit mitgesetzt, daß der Mensch als Betrachtender, philosophisch Reflektierende sich, die Menschen als Schauspieler des Welttheaters wahrnehmen soll und so in eine Distanz zu sich sich setzen soll.Erst dem so Distanziertem erschlösse sich die Wahrheit der Welt und gerade auch des Bösen in der Welt. Wie beschreibt denn nun Paulus das Leben der Apostel, ihre Rolle auf der Weltbühne? „Bis zur Stunde hungern und dürsten wir, gehen in Lumpen,werden mit Fäusten geschlagen und sind heimatlos.“ (1.Kor 4,11) (Von dem her erschließt sich auch, wenn Jesus in seiner großen Gerichtsrede meint, wenn er da von den „Brüdern“ spricht, die da hungrig,durstig und fremd waren: Mt 25,35f) Paulus und Plotin haben also Negatives, menschliches Leiden vor Augen und reflektieren dies theologisch bzw philosophisch in der Begrifflichkeit des Theaters. Der leidende Paulus oder der mitleidende Plotin versetzen sich so in die Rolle von Schauspielzuschauern, um von daher das Leid zu begreifen: Es ist ein Element eines Schauspieles. Der Apostel Paulus kann auch den Regisseur des Theaterstückes benennen, nämlich Gott. Dieser Regisseur garantiert nun, daß das das gespielte Stück kein absurdes Theater ist, daß es etwas sinnvoll Ganzes ist. Als auf der Bühne Agierende bleibt uns der Sinn des Stückes verschlossen, nur in der Reflexion, im Nachdenken kann er sich erschließen, könnten wir das Theaterstück in seiner Gänze überblicken. Darum lebt der Christ im Glauben, das ist im Vertrauen darauf, daß das ganze Stück und seine Rolle darin etwas Sinnvolles und Gutes ist, aber noch nicht im Schauen des Ganzen, das der postmortalen Existenz vorbehalten ist. Aber einen positiven Effekt hat diese Selbstunterscheidung der menschlichen Existenz in das agierende und das reflektierende Leben: Im Denken wird uns das Leben zu einem Schauspiel, sodaß gerade dem Leid in der Welt seine Schrecklichkeit genommen wird. Das könnte auch als etwas Fragwürdiges kritisiert werden, daß so dem Leben der letzte Ernst genommen wird. Dem steht aber entgegen,daß weder für Plotin noch für Paulus das irdische Leben wirklich das wahre ist, denn letztlich ist für beide nur Gott das wahre und das wahre menschliche Leben nur der Aufstieg zu Gott.Die Welt gewährt nur ein Nachtleben, aus dem es gilt, zum Licht emporzusteigen.

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