Mittwoch, 19. Juli 2023

Anmerkungen zur Moralisierung der Politik: Kann es rein sachliche Politik geben? Oder die effektivste Ideologie ist die, die keine sein will

Anmerkungen zur Moralisierung der Politik: Kann es rein sachliche Politik geben? Die jetzige deutsche Außenministerin präsentiert sich als eine Musterschülerin der Vermoralisierung der Politik, indem für sie der Ukrainekrieg einfach ein Krieg der Bösen gegen die Guten ist, der die Verurteilung der bösen Russen verlangt, sind die ja der alleinige Aggressor. Diese dichotomische Weltsicht macht jede Analyse dieses Konfliktes überflüssig, verbietet auch jede diplomatische Lösung sondern kennt nur die Option des Endsieges der Guten. Zu dem gehöre dann auch, daß die russische Regierung vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt wird, das sie dann abzuurteilen habe. Für die Grünenpolitikerin sind da die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse ein leuchtendes Vorbild, daß die Sieger die Verlierer zu den alleinigen Kriegsverbrechern erklären. So fordert diese Politikerin ja vehement eine Änderung des Völkerrechtes, um Putin als Kriegsverbrecher verurteilen zu können. Angesichts dieses vermoralisierten Politikverständnisses, daß keine realen Interessengegensätze kennt, die dann auch zu Kriegen führen können, ist die Lektüre des Artikels: „Moralraush oder Interessenpolitik“des Internetblogges von Klaus Kunze vom 5.7.2023 mehr als lesenswert. Dort heißt es: „Die Moralisierung des Politischen ist eine politische Frage, keine moralische.Ein alter Trick im politischen Machtkampf besteht darin, Interessen moralisierend vorzutragen. Ein moralisch maskierter Machtanspruch wirkt auf schlichte Gemüter gerechter als ein offener“. Als Beleg dafür wird Panajotis Kondylis, „Macht und Entscheidung“1984 ,zitiert: „Ideen und Werte sind Funktionen, ja Funktionsweisen des um Selbsterhaltung und Machterweiterung kämpfenden sozialen Existenz.“ (S.119) Das präsumiert, daß der so Agierende zuerst seine Interessen erfaßt, die im Raum der Politik als Wille zur Selbsterhaltung und Machterweiterung definiert werden, um dann in einem zweiten Schritt diese Interessen moralisch verpackt, um sie so besser durchzusetzen. Emanuel Hirsch offeriert uns dafür in seinem Werk: „Deutschlands Schicksal“ den 1.Weltkrieg als Anschauungsbeispiel: „Der englische Welt-Imperialismus fällt praktisch mit dem einzigen Pazifismus,der auf Erden möglich ist,zusammen.So durfte England auf Glauben rechnen,als es verkündete,daß es für den Weltfrieden kämpfe,daß die Deutschen Friedensstörer seien“ (1925,S.87) England führte diesen Krieg im Namen der Moral,es kämpfe für den Weltfrieden und Deutschland kämpfe wider die Friedensordnung. Diese Entlarvungssstrategie steht in der aufklärerischen Tradition des Priesterbetrugsnarratives: Die Priester hätten die Götter nur für sich erfunden, um damit ihre Herrschaft zu legitimieren. Sie selbst glaubten natürlich nicht an ihre Götter, aber sie simulierten diesen Glauben, um das dumme Volk zu täuschen. (Bedenkenswert, daß so zur Aufklärung konstitutiv diese Priester-verschwörungstheorie dazugehörte, während jetzt alle Verschwörungstheorien als rein irrationale Phantasmata abgbetan werden.) Nur existiert kein einziger Beleg dafür, daß diese Priester nicht an ihre Götter geglaubt haben. (Vgl dazu: Peter Slotterdijk, Kritik der zynischen Vernunft) „Das ist der Grund, warum alle festen und langlebigen Herrschaften in der bisherigen Geschichte im Namen von objektiv gültigen Prinzipien und nicht einer nackten Entscheidung ausgeübt wurden; der Herrscher muß theoretisch dienen, um praktisch herrschen zu können.“ verallgemeinert Kondylis S.56 dann dieses aufklärerische Narrativ, das dadurch auch nicht wahrer wird. Die Prämisse ist nämlich das Prioblem, daß zuerst ganz objektiv die Welt, die besondere Lage und die eigenen Interessen wahrgenommen würden, und daß dann erst sekundär die ideologisch bzw moralisch verpackt im öffentlichen Diskurs präsentiert würden. Man bräuchte eigentlich nur die Schlüssellochperspektive wählen, wie die Diener ihre Herren belauschen, um zu erkennen, daß sie alle nicht an ihre eigene Moral und Ideologie glaubten. Nur gibt es außerhalb dieses Narratives auch für diese Schlüssellochwahrheiten keinen Beweis. Realistischer ist es, daß die vorherrschende Ideologie von den Herrschenden selbst geglaubt wird, wie die Priester an ihre Götter, denen sie opferten, daß das gerade die herrschende Ideologie ausmacht. In der Anfangszeit Westdeutschlands soll das nun aber anders gewesen sein.Kunz schreibt: „Jene waren hervorragend ausgebildet gewesen. Ein antitotalitärer Grundkonsens verband sie. Dieser schloß ideologische Konstrukte weitgehend aus, verpönte politische Propaganda und widmete sich pragmatisch dem Aufbau der deutschen Institutionen und unseres Wohlstandes.“ Anfänglich hätte es also ideologiefreie Eliten gegeben, die nach 1945 Deutschland rein vernünftig aufgebaut hätten. Aber der hier zitierte antitotalitäre Konsens ist nun mal ein rein ideologisches Gebilde, fußend auf einer kritisierbaren Interpretation des deutschen National-sozialismus und des russischen Stalinismus als Totalitarismus. Die Ideologie des Liberalismus fundierte diese Totalitarismustheorie, die, wen wundert es, den Liberalismus dann als einzig wahr Alternative zu allen Totalitarismen propagiert. Daß der Pragmatismus und der ihm anverwandte Utilitarismus genuin angelsächsische Hervorbringungen sind und sich so wenig mit unserer deutschen Kultur vertragen, zeigt dann an, wie sehr die Ideologie der westlichen Siegermächte den Werdegang Westdeutschlands nach 1945 bestimmte. Daß dann kein „Pragmatismus“, wenn man darunter eine Politik ausgehend von den Interessen des deutschen Volkes, die westdeutsche Politik bestimmte, zeigte dann die schroffe Ablehnung der Stalinofferte, daß Deutschland wiedervereint werden könnte, wenn es sich außenpolitisch für neutral erklärte. Nein, die Welt wird nicht erst rein sachlich objektiv wahrgenommen, um sie dann in einem zweiten Schritt ideologisch zu verklären. Die Welt ist uns immer nur als eine ausgedeutete, interpretierte. Die Vermoraliserung der Politik stellt nun mal ein mögliches Politikverständnis dar, das ob seiner Dichotonomie von den rein Guten und den rein Bösen extrem friedensgefährdend ist, da es nicht den diplomatischen Kompromiß sondern nur den Sieg über den bösen Feind kennt. Nietzsche hat wahrscheinlich mit seinem Votum: „Gegen den Positivismus,welcher bei den Phänomen stehen bleibt,>es giebt nur Thatsachen< ,würde ich sagen:nein,gerade Thatsachen giebt es nicht, nur Intepretationen.“ mehr Recht als die Verkünder einer ideologiefreien Politik. (Nietzsche zitiert nach:Norbert Fischer,Die philosophische Frage nach Gott, 1995,S.266 Anders gesagt: Mannschaften können nicht miteinander Ball spielen, ohne festgelegt zu haben, welches Ballspiel sie spielen wollen.ob Hand- oder Fußball oder....Es gibt eben keinen pragmatischen richtigen Umgang mit dem Spielgerät Ball ohne ein bestimmtes Ballspielregelsystem und so auch keine Politik ohne eine ihr zugrunde liegende Ideologie. Zusatz: Die Außenministerin verlangt nun die moralische Verächtung des Angriffskrieges. Nur, als England und Frankreich uns 1939 den Krieg erklärten,war das nicht auch ein Angriffskrieg, da es keine Kriegsabsichten Deutschlands gegen diese 2 Länder gab? Und wie war das noch mit den Angriffskriegen gegen Afghanistan und Jugoslawien? Selbstverständlich sollen die nicht verurteilt werden, sondern nur unsere vor 1945 und alle russischen, denn nur wenn Böse Kriege führen sind das verwerfliche.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen