Freitag, 28. Juli 2023
Ein beliebtes Narrativ in der Kirche: Jesus war liberal, aber dann kam der klerikale Rigorismus...
Ein beliebtes Narrativ in der Kirche: Jesus war liberal, aber dann kam der klerikale Rigorismus...
Ursprünglich verhielt sich das ganz einfach so: Die Pharisäer und andere Geistes-verwandte lehrten, daß nur religiöse Hochleistungssportler Gott gefallen könnten, so viele Gesetze und religiöse Vorschriften müsse ein Mensch einhalten, sonst hätte er keine Chance auf einen ihm gnädigen Gott. Dann kam Jesus, der einen jeden Menschen liebenden Gott verkündigte in Taten und Worten, der zu uns nur dies eine sagt: Liebe und alles, was Du aus liebendem Herzen tust, ist in den Augen Gottes gutgetan. Dann kam -statt des Reich Gottes- die Kirche, die den Gläubigen wieder unermeßlich viele Gebote und Moralvorschriften auferlegte, die den Menschen wieder ihrer Freiheit beraubte,indem sie die Menschen mit ihrer Morallehre und der Dogmatik verknechtete, bis dann das 2.Vaticanum die Christen wieder zu befreien versuchte. Aber ein reaktionärer Neoklerikalismus nach dem Reformkonzil blockierte dann diese Liberalisierungsintention dieses Konziles.
Unrevidiert darf dies Narrativ nun nicht mehr verkündet werden, da es dem kirchlichen Philososemitismus unerträglich ist, die jüdische Theologie so negativ dargestellt zu sehen. Aber so ganz kann man doch nicht darauf verzichten, denn wozu bräuchte es dann noch den liberalen Jesus, wenn damals die Pharisäer schon so richtig liberal waren?
Veranschaulichen wir uns dies Problem an dem Fall der Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe. Ursprünglich galt die Ehe gemäß Gottes Willen als unauflöslich. Der Gesetzeslehrer Moses aber erlaubte in Ausnahmefällen eine Scheidung der Ehe. Er nahm Rücksicht auf unsere menschliche Schwäche. Zu Zeiten Jesu wurde nun unter den Gesetzeslehrern kontrovers diskutiert, in welchen Fällen eine Scheidung erlaubbar sei. Rigoristische Tendenzen,nur in Ausnahmefällen und liberalere, in vielen Fällen sei eine Scheidung erlaubbar, stritten miteinander. Jesus dagegen erklärte vollmächtig, daß die Zeit der Nachsichtigkeit vorbei sei und daß so nun die ursprüngliche von Gott gewollte Eheordnung wieder herzustellen sei: Eine geschlossene Ehe sei unauflöslich. Jesus verurteilt Moses nicht, er hatte diese Revision der Ehelehre vollziehen dürfen um der Schwäche der Menschen willen, aber jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die Ursprungsordnung zu restituieren.
Die Schüler Jesu reagieren nicht gerade euphorisch: Dann sei es nicht gut, zu heiraten. Mit dem Narrativ vom ach so liberalen Jesus ist das unvereinbar, denn Jesus revidiert ja hier den liberalen Moses! Jesus lehrt hier ganz rigoristisch das Nein zur Möglichkeit der Auflösung einer gültig geschlossenen Ehe. Aber es gibt nun dazu ein protestantisches Narrativ: Schon der Evangelist Matthäus korrigierte diesen jesuanischen Rigorismus, indem er eine Scheidung im Falle der Unzucht als Ausnahme wieder zuließ. (Mt, 5,32f). Nun ist zwar die Katholische Kirche stehen geblieben in diesem unevangelischen Rigorismus Jesu, aber die Lutherkirche folgte Matthäus, entradicalisierte die Ehelehre Jesu, bis nun jeder Christ sich scheiden lassen darf, wenn er nur seine Ehe auflösen möchte und er darf unbegrenzt oft sich wiederverheiraten. So endet die Geschichte der Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe nach dem rigoristischen Zwischenfall von Jesu in einer hyperliberalistischen Auslegung der Scheidungserlaubis des Moses.
Nur die Katholische Kirche hält eben an Jesu Lehre fest und erachtet die Auslegung, schon Matthäus sei von Jesu Ehelehre abgewichen, für eine Fehlexegese. Eines ist aber trotz dieser Differenz zwischen der katholischen und der protestantischen Ehelehre unüberlesbar: Jesus wirkte hier nicht als ein liberaler Reformer, der eine rigoristische Ehelehre moderater umgestaltete. Die kommode Ehelehre begann erst mit Luther, indem er lehrte, die Ehe sei kein Sakrament, sodaß nun evangelische Christen eine Ehe so einfach auflösen können wie einen Miet- oder Arbeitsvertrag. Jesus war es so, der rigoristisch lehrte und die evangelische Kirche befreite dann ihre Christen von diesem Rigorismus.
Wenn man nun sich das Ganze der Verkündigung Jesu vor Augen hält, wie es uns die Evangelien vor Augen malen unter besonderer Berücksichtigung seiner Morallehre, kann wirklich nicht auf die Idee kommen, Jesus liberalisiere die damalige Morallehre der Pharisäer und Gesetzeslehrer, eher liberalisiert die Kirche Jesu. Dostojewskis „Großinquisitor“ erhebt ja dies zu seiner Kritik an dem rigoristisch lehrenden Jesus, den die Kirche dann korrigieren mußte! Die Kirche ist für diesen Kritiker der Hort des Liberalismus.
Der Synodale Weg könnte so im Geiste des "Großinquisitors" gedeutet werden als die Meinung, die Kirche müsse den Menschen zu sündigen erlauben, da Jesus und die Kirche ursprüngöich die Menschen überfordere, sodaß nun als erlaubt zu beurteilen sei, was bis jetzt noch als sündig gilt.
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