Donnerstag, 20. Juli 2023

Moralischer Rigorismus: „und wenn die Welt darüber in Trümmer zerfallen sollte“ Auch ein Problem der Morallehre der Kirche

Moralischer Rigorismus: „und wenn die Welt darüber in Trümmer zerfallen sollte“ „Du darfst nicht lügen,und wenn die Welt darüber in Trümmer zerfallen sollte“,so urteilt der Philosoph Fichte. (zitiert nach:Norbert Fischer, Die philosophische Frage nach Gott, 1995, S.158,Fußnote 4. Der hl. Augustin verwirft die Erlaubbarkeit der Lüge ebenso: „weil man durch sie kein ewiges Gut erlangen kann.“(a.s.O.)Kant verwirft sie, da sie gegen das Menschenrecht verstieße und Fichte urteilt gar: „Keinerlei Lüge ist erlaubt,auch nicht,um jemandem vor seinen Verfolgern zu retten.“ (a.a.O.) Wenn das kein Autoritätsbeweis ist: der hl. Augustin, der Aufkärungsphilosoph Kant und einer seiner bedeutenden Nachkommen, Fichte stimmen in dieser Causa überein. Dennoch wirkt diese Position recht pharisäerhaft, daß einem Arzt es nicht erlaubt sei, Kranke zu heilen, außer in akuten Notfällen. Verbietet so die Heiligungsordnung des Sabbates, am Sabbat Gutes zu tuen?, frägt der Sohn Gottes die rigoristische Sabbatinterpretation an. Wenn ich dadurch, daß ich nicht lüge, mitverantwortlich bin dafür, daß die Welt in Trümmern zerfällt, (Fichte), dann kann mein Nichtlügen nicht als etwas gut Getanes beurteilt werden. Eine schwere Sünde zu begehen, dürfe durch noch so einen guten Zweck niemals gerechtfertigt werden, lautet das Basisdogma jedes Rigorismuses. Aber hätten sich die Kinder Evas und Adams daran gehalten, wäre die Menschheit mit dem Absterben des letzten Kindes von Eva und Adam ausgestorben, da ja der Inzest eine schwere Sünde ist und alle Menschen anfänglich leibliche Brüder und Schwestern waren. Ihnen galt das erste Gebot Gottes: „Seid fruchtbar und mehret Euch!“, aber sie können es nur erfüllen, wenn sie gegen das Verbot des Inzestes verstoßen. Damit nähern wir uns dem moraltheologischen Problem des Rigorismus an. Das Gebot: „Du sollst nicht lügen“, kann mit anderen Geboten der Morallehre in einen Konflikt geraten. Das Gebot der Nächstenliebe kann es erfordern, zu lügen, wenn man einen unschuldig Verfolgten nur so das Leben retten kann und die Lüge ist nun aber auch ein Verstoß gegen die Moral. Wer in diesem Falle nicht lügt, kann einer Mitverantwortung für die Tötung des unschuldig Verfolgten sich nicht freisprechen: Er handelte so dem Gebot der Nächstenliebe zuwider. Der Rigorismus erlangt seine ihm eigene Plausibilität dadurch, daß es ein Moralgebot aus der Gesamtmorallehre herausabstrahiert, um es dann als ein für sich alleinstehendes Gebot auszulegen. Weil ein Arzt am Sabbat nicht heilen darf, darf er an diesem Tage keinen Blinden heilen. Nur, jedes Einzelgebot hat seinen Eigensinn nur in dem Kontext aller anderen Moralgebote, nicht wenn es abstrakt betrachtet wird. Da die Gebote Gottes zum Heile des Menschen ausgerichtet sind, wird das Sabbatgebot in seiner Intention verfehlt, legt man es rigoristisch aus. So darf auch das Gebot: „Lüge nicht“ nicht so ausgelegt werden, daß es dem Gebot der Nächstenliebe widerspricht. Wer einem Mitmenschen durch eine Lüge das Leben rettet, handelt eben aus dem Gebot der Nächstenliebe, auch wenn er gegen das Lügenverbot verstößt. Der Rigorismus kann sich so nicht mit der These rechtfertigen, daß es ihm allein um das Einhalten der Gebote Gottes ginge, denn er verstößt ja gegen Gottes Gebote, indem er eines verabsolutiert und damit gegen die anderen verstößt.

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