Dienstag, 9. Januar 2024

Antwortet die Kirche und die Theologie auf nicht mehr gestellte Fragen? Zur Krisendiagnostik

Antwortet die Kirche und die Theologie auf nicht mehr gestellte Fragen? Zur Krisendiagnostik



Ein Dialog aus dem Roman:“Der Tod ist nicht das Ende“ von Hubert Haensel,Perry Rhodan Bd 3249, S.10: „Ich verstehe diese Zeit nicht“. „Welchen Sinn hat dies alles?“ Die Antwort: „Viele Menschen haben längst ihr Ich verloren.Sie sind gierig nach Zerstreuung,nach ewiger Abwechslung und Perversionen.Über ihr Leben und den Sinn ihrer Existenz denken sie nicht mehr nach.“ Das soll für Menschen in einer fernen Zukunft gelten, aber das hätte doch so auch in einer Gegenwartsanalyse geschrieben stehen können. In diesem Zitat fungiert das Ich als das Zentrum,das das jeweilige Leben zu einem mir gehörigen werden läßt, das so zu einer Einheit synthetisiert wird. Was macht nun dies eine meinige Leben aus? Diese Frage verschwände nun durch die Dezentrierung des Iches, es verliert sich in den diversen Zerstreuungen und Abwechselungen und Perversionen. Ein so fragmentiertes Leben frägt nicht mehr nach dem Sinn, dem Wozu des Ganzen, da das ihm so abhandengekommen ist.

Um wieder relevant für das Leben der Menschen zu werden, müssen Kirchenleute und Theologen sich trauen, über die großen Fragen zu sprechen: Gibt es Gott? Handelt er in der Welt? Haben wir eine Seele? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Die kirchliche Lehre über die fundamentale Grundstruktur des Ganzen der Wirklichkeit – ihre Metaphysik – ist kein Glasperlenspiel, sondern erhebt einen objektiven Anspruch auf Wahrheit.“, heißt es nun in dem sehr bedenkenswerten Artikel:“Die Krise der Kirche ist auch eine Krise ihrer Metaphysik:Wege aus dem Bedeutungsverlust“ der Internetseite: Communio vom 8.Jänner 2024.

Das klingt gut, aber was,wenn gerade diese großen Fragen der Mensch der Postmoderne gar nicht mehr sich stellt, sodaß ihn die wahren Aussagen der Theologie daraufhin gar nicht mehr interessieren? Der Tod der Metaphysik könnte sich ja mehr dem Desinteresse an deren Fragestellungen überhaupt verdanken als der vielfältigen Kritik an ihr, zumal dann die Alternativen zur klassischen Metaphysik selbst wiederum „nur“ metaphysische Aussagen sind, die keinesfalls plausibler ausfallen als die der bewährten Tradition. So beschreibt uns Nietzsche diesen letzten Menschen,den weder eine metaphysische noch eine theologische Antwort erreichen kann:

So will ich ihnen vom Verächtlichsten sprechen: das aber ist der letzte Mensch. Und also sprach Zarathustra zum Volke:Es ist an der Zeit, daß der Mensch sich sein Ziel stecke. Es ist an der Zeit, daß der Mensch den Keim seiner höchsten Hoffnung pflanze. Noch ist sein Boden dazu reich genug. Aber dieser Boden wird einst arm und zahm sein, und kein hoher Baum wird mehr aus ihm wachsen können. Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über den Menschen hinaus wirft, und die Sehne seines Bogens verlernt hat, zu schwirren!
Ich sage euch: man muß noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos in euch. Wehe! Es kommt die Zeit, wo der Mensch keinen Stern mehr gebären wird. Wehe! Es kommt die Zeit des verächtlichsten Menschen, der sich selber nicht mehr verachten kann. Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen.
"Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?" – so fragt der letzte Mensch und blinzelt. Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.
"Wir haben das Glück erfunden" – sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme. Krankwerden und Mißtrauenhaben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!
Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, daß die Unterhaltung nicht angreife.
Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.
Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus.
»Ehemals war alle Welt irre« – sagen die Feinsten und blinzeln.
Man ist klug und weiß alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen.
Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.
"Wir haben das Glück erfunden" – sagen die letzten Menschen und blinzeln. –
Nietzsche konstatiert, daß dieser letzte Mensch kein Ziel mehr hat und somit auch nicht das, die relevanten Fragen seines Lebens zu stellen, weil auch die ihm abhandengekommen sind, so klein hat er sich selbst gezüchtet. Aber dieser Philosoph hofft auch noch,daß der Mensch sich revitalisieren könnte und das hieße dann auch wieder zu einem werden, der über dies Zertreuungsleben hinaus will, der wieder nach seinem Ich anfängt zu fragen, aber das werden dann nur wenige sein, die diesem: Wie man halt so lebt!, entkommen werden wollen. Für das Konzept der Volkskirche sieht somit die Zukunft nicht gut aus, denn die Theologie lebt aus den Antworten auf diese Fragen, die dem letzten Menschen völlig abhanden gekommen sind! Es ist eben mehr als symptomatisch,daß“Sex and Crime“ das den innerkirchlichen Diskurs dominierende Thema ist, und daß man von Gott kaum noch redet, wie es Kardinal Marx ja auch der Kirche empfiehlt.

1.Zusatz:

Man vernachlässige Nietzsche nicht, auch als hellsichtigen Zeitdiagnostiker.

2.Zusatz

Was nützt die objektiv wahre Theologie mit ihrer wahren Metaphysik, wenn der letzte Mensch nicht mehr nach der Wahrheit fragt? Aber sie bleibt trotzdem wahr! 

 

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