Donnerstag, 4. Januar 2024

Die verdrängte Wahrheit über den Menschen oder wovon die Kirche nicht mehr spricht

 

Die verdrängte Wahrheit über den Menschen oder wovon die Kirche nicht mehr spricht


Ein Theologe hört auf,Theologe zu sein,wenn er die Menschen nicht mehr für sündhaft oder erlösungsbedürftig hält und Erlöste von Nicht-Erlösten,Auserwählte von Nicht-Auserwählten nicht mehr unterscheidet,während der Moralist eine Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse voraussetzt.“, urteilt Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932, Nachdruck 1996, S.63. Das gilt so auch für die Kirche, die durch solch einen Moralismus die christliche Religion als Erlösungsreligion nichten würde. Unter der „Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse“ ist nicht nur ein das Gute oder das Böse Wollen gemeint sondern auch das Gute oder Böse realisieren Können gemeint, es sei denn es würde die Moralität auf den guten Willen reduziert. Wenn dem Menschen dies Vermögen zugestanden würde, daß er autonom das, was gut ist, erkennen und dann auch als das Gute wollen und vielleicht gar realisieren kann, dann erübrigt sich jede Rede von einer Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Es könnten so auch nicht Erlöste und Nichterlöste geben, da jeder in jedem Augenblick das Gute wollen oder nicht wollen könnend ist und so weder erlöst noch nichterlöst sein kann.Er müßte als indifferent zu dem Guten oder dem Bösen gedacht werden, der so aber nur frei sich für das Gute oder das Böse entscheiden könnte.

Unter den Auserwählten und den Nichtauserwählten versteht der theologische Diskurs die Menschen, die Gott dazu bestimmt hat,erlöst zu werden und die, die er dazu nicht erwählt hat. Ein solches Erwählen Gottes, traditionell in der Prädestinationslehre expliziert, hat nun keinen Platz mehr in der Vorstellung vom Menschen, der nun allein auf sich gestellt das Gute wollen kann oder auch nicht.Denn selbst wenn Menschen sündigen, können sie ja danach wieder das Gute Wollen wählen können, wozu sie keiner Gnade Gottes bedürften.

Ein Pädagoge wird mit methodischer Notwendigkeit den Menschen für erziehbar und bildsam halten.“, ergänzt Carl Schmitt. Hiermit wird eine bedeutsame Einsicht formuliert. Es existieren verschiedene Diskurse über den Menschen, etwa der der Naturwissenschaften, der der Psychologie, der der Philosophie und auch der der Theologie. Nun könnte die Position vertreten werden, daß, da alle Diskurse sich auf den selben Gegenstand beziehen, den des Menschen, alle im Prinzip zu den gleichen Aussagen über ihn kommen müßten, wenn sie denn wahr sind. Aber Schmitt denkt hier anders: Der theologische Diskurs muß den Menschen notwendigerweise als einen Erlösungsbedürftigen explizieren, der pädagogische als einen Erzieh-und Bildbaren. In dem jeweiligen Diskurs ist dann diese verschiedene Anthropologie wahr. Diese These korreliert mit dem Grundanliegen Schmitts, den politischen Diskurs in seiner Selbstständigkeit gegenüber dem ökonomischen und moralischen zu konstruieren. So selbstständig der politische Diskurs zu führen ist, so selbstständig ist auch die theologische Anthropologie zu explizieren. Wie der politische Diskurs sein Eigenes verlöre,machte er sich abhängig vom Moral- und Ökomomiediskurs, so müsse auch die theologische Antropologie ihr Eigenes wahren, indem sie den Menschen im Kontext der christlichen Erlösungsreligion konstruiert.

Pointiert formuliert: Was immer der Mensch an sich (Kants Ding an sich) sein mag, in den differenten Diskursen erscheint er immer gemäß der dortigen Diskursordnung.Die Theologie wahrt dabei nur ihre Selbstständigkeit, wenn in ihr der Mensch im Raume der christlichen Erlösungsreligion begriffen wird und damit ihre Wahrheit bewahrt. Die anderen Diskurse über den Menschen sind nun im Sinne Schmitts nicht unwahrer oder wahrer, sondern es existieren sozusagen so viele Wahrheiten über den Menschen, wie es Diskurse über ihn gibt. Wo nun die Kirche ihr Verständnis des Menschen aufgibt, weil es das Menschenverständnis der Pädagogik, der Wirtschaftswissenschaft oder der Biologie übernimmt, verliert sie nicht nur ihre Anthropologie sondern destruiert sich selbst auch als Theologie.

Man denke sich einen Würfel mit seinen 6 Oberflächenseiten, 1, 2.....6 Augen zählend, jede Seite besitzt eine von allen anderen 5 Seiten verschiedene Anzahl von Augen und jede Seite ist doch wahr! Der Mensch in den diversen Diskursen gleicht so nach Carl Schmitt  einem  solchen Würfel: jeder Diskurs expliziert nur eine der vielen Seiten des Menschen.  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen