Christliche Ethik in einem Widerstreit mit dem Humanismus?
Wer hier eine Differenz wahrnimmt, denkt nicht auf der Höhe der Zeit.Der Glaube an die Menschenwürde und an die Menschenrechte verbinden die Moraltheologie mit dem Humanismus, wobei dann die Moraltheologie den Glauben an den Schöpfergott, der als solcher jeden Menschen als sein Geschöpf bejaht als einen kontingenten Zusatz miteinbringt. Die Menschenrechtsideologie gilt als in sich selbst evident und somit nicht noch selbst einmal zu begründen, aber durch den Glauben an den Gott, der den Menschen und somit jeden affirmiert, kann der Menschenrechtsideologie eine so nicht notwendige Letztbegründung offeriert werden. Wesentlicher ist aber, daß dadurch der Humanismus in die katholische Morallehre integriert werden kann, ja der Humanismus faktisch die Substanz der heutigen Morallehre ausmacht, auch wenn leider noch zu viele retardierende Elemente in ihr präsent sind, die eine humaitaristische Fortentwickelung blockieren, isb die Sexualmorallehre und die der Ehe und der antiquiieren Geschlechterdifferenzlehre. Signifikant ist dabei die Zurückdrängung einer an Jesus Christus orientierten Morallehre zugunsten von Konstruktionen, die aus dem Glauben an die Menschenwürde her abgeleitet werden.
Nun findet sich in Emanuel Hirschs: „Deutschlands Schicksal“, obgleich schon vor 100 Jahren publiziert eine Aussage, die dieser Harmonisierung radical in Frage stellt: „Eine Ethik,die dem Geheimnis des Opfers für ein großes Ganzes nicht gerecht werden kann, ist ernsthafter Erwägung kaum wert.Allein dadurch, daß sie sich um des Gewissens willen und aus Liebe zu einem Höheren völlig hingibt, bekommt eine einzelne Persönlichkeit einen unendlichen Wert.“ (Deutschlands Schicksal, S.106)
Wenn hier der evangelische Theologe Hirsch von dem Opfer spricht, hat er zuvörderst das Opfer Jesu Christi vor Augen. Im Zentrum der christlichen Religion steht das Opfer, das Kreuzaltaropfer zur Erlösung der Welt. Der Humanismus setzt den Glauben an den Menschen, an seine Würde und somit an die Menschenrechte in das Zentrum,sodaß es für ihn nur noch den sittlichen Imperativ gibt, dafür zu sorgen, daß jeder Mensch gemäß dieser Würde leben kann und jeden anderen gemäß seiner Würde anerkennt. Der Opferbegriff ist hier völlig sinnlos und widerspricht auch dem Humanismus: Wenn jeder Mensch selbst der höchste Wert ist, wenn er als selbstzecklich geglaubt wird, dann muß der Imperativ: „Opfere Dich auf für...“ als geradezu antihumanistisch erscheinen. Aber der Ruf in die Kreuzesnachfolge inkludiert zumindest die Bereitschaft, sich auch aufzuopfern.
Jesu Christi Wort: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13) ist in eine humanistische Ethik nicht integrierbar. Aber das Kreuz Jesu Christi bildet das Zentrum der christlichen Religion und nicht der Glaube an einen jeden Menschen liebenden Schöpfergott, der dann auch durch diesen Jesus von Nazareth seine universalistische Menschenliebe in Tat und Wort nochmals verkündigen ließ.
Der Einzelene ist nicht schon für sich der höchste Wert, der als pure Selbstzwecklichkeit existiert und die Anderen so immer nur zuvörderst als ein Mittel der Steigerung seines eigenen Lebens gebraucht, sondern erst durch seine Ausrichtung an etwas über ihm Seiendes gewinnt seine Existenz Größe und Wert. Im Raume der Religion ist das sein Sichausrichten auf Gott als dem Höchsten und im weltlichen Leben sein Sichausrichten auf Höheres als sein Privatleben. Hirsch hat hier konkreter das eigene Volk vor Augen, aber genauso ist dabei an die Familie oder die Ehe oder andere Vergemeinschaftsgesellschaften.
Den Hintergrund bildet die Tradition des organologischen Denkens, eine Gemeinschaft wie einen lebendigen Körper zu denken, der als ein Ganzes aus dem Zusammenwirken seiner Glieder lebt. Der Apostelfürst Paulus deutet so die Kirche, isb wenn er sie als den Leib Jesu Christi versteht. Jedes Glied in ihr hat seinen besonderen ihm gebührenden Platz und ihm gebührende Aufgabe als seinen Dienst für das Ganze. Den Gegenpol bildet das kontraktionalistische Denken, daß selbstständige Menschen eine Vertragsgesellschaft gründen, in der alle zum wechselseitigen Nutzen agieren. Die Art von Gesellschaft hat den Einzelnen zum höchsten Wert und erkennt, daß das Wohlergehen des Einzelnen gesteigert wird, wenn die Beziehungen aller untereinander durch Verträge des wechselseitigen Nutzens organisiert werden. Wo aber der Einzelne der höchste Wert ist, muß der Gedanke des Opfers als inakzeptabel ausrangiert werden. Das utilaristische Prinzip: „Helfe anderen, damit Dir die Anderen helfen, wenn Du selbst der Hilfe bedarfst“, ist eben ein vernünftig praktizierter Egoismus, heutzutage gern als Solidarität verzeichnet und schließt so konsequent ein Sichopfern aus, da es ja nichts Größeres und Höheres als das Eigenwohl gibt. Der Kontraktionalismus ist so die Konsequenz des Glaubens an die Person als dem Höchsten, der andere nur als ein Mittel zur Steigerung seiner selbst kennt und vertraglich eine Ordnung erstrebt, in der alle Beziehungen Verträge wechselseitiger Nutzung sind.
Das ist die Substanz des Humamismus, der bürgerlichen Weltordnung, die in der „Französischen Revolution“ das Licht der Welt erblickte,aber dieser Humanismus ist nicht christlich. Es ist kein Zufall, daß die französischen Revolutionäre die Katholische Kirche als ihren Feind ansahen und sie bekämpfen – bis heute, es sei an die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Frankreich des Jahres 2024 erinnert.
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