Montag, 6. Januar 2025

Prinzipielle Probleme der christlichen Religion oder: Es gibt nicht nur Übersetzungsprobleme

 

Prinzipielle Probleme der christlichen Religion oder: Es gibt nicht nur Übersetzungsprobleme


Das Narrativ der Übersetzungsprobleme ist in sich vielschichtig. Es enthält die Vorstellung, daß das Wesentliche, die Essenz oder der Gehalt der christlichen Religion uns immer nur in komplexen Theologien begegnet. Diese drückten das Wesentliche der christlichen Religion immer in einer der jeweiligen Kultur zugehörigen Sprache aus. Der jeweilige Kontext einer Theologie bestimmt also das Wie der Darlegung der christlichen Religion. So sei ihr eigentlicher Kern von den kulturell bedingten Explikationen zu distinguieren.Da es nun Kulturwandlungen gibt, sei es die vordringlichste Aufgabe der Theologie, aus den vorgegebenden traditionellen Theologien das Wesentliche zu extrahieren, um es dann wieder neu in die jeweils aktuelle Kultur zu inkarnieren. Das Eigentliche sei sozusgen etwas hinter all den zeitgeschichtlich bedingt ausformulierten Texten Existierendes, das immer wieder neu zur Sprache gebracht werden müsse.

Im gymnasialen Religionsunterricht wurde diese Art des „Übersetzens“ so den Schülern vorgeführt: Es entsprach der jüdischen Kultur, das Verhältnis Jesu zu Gott als ein adoptionistisches zu denken: Gott habe Jesus zu seinen Sohn adoptiert. Die griechische Kultur dächte biologischer und wenigere juristisch, sodaß hier die Giottessohnschaft biologistisch gedeutet wurde: Jesus habe Gott zum Vater und Maria als immerwährende Jungfrau zu seiner Mutter und so sei er wahrer Gott und wahrer Mensch. Wir Heutigen dächten weder jüdisch noch griechisch sondern modern aufgeklärt. Wir erkennen, daß sowohl das jüdische wie auch das griechische Sprachspiel Versuche sind, das Einzigartige der Beziehung Jesu von Nazareth zu Gott auszubuchstabieren. Der Kern sei das einzigartige Vertrauensverhältnis dieses Menschen zu seinem Gott, daß er ganz aus dem Vertrauen zu ihm sein Leben geführt habe. So sei die antiquierte Christologie in unsere Kultur zu „übersetzen“! Dies „Übersetzen“ stellt faktisch aber ein völlige Entsubstantialisierung der christlichen Religion dar.

Dies Narrativ lebt nun davon, daß das Eigentliche der christlichen Religion klar uns vorläge und nur noch in die jeweils aktuelle Sprache zu transferieren sei. Immanente theologische Probleme existierten nicht, da der Kern klar sei,sodaß Probleme nur entstünden, wenn der kulturelle Kontext der Kirche sich verändere, sodaß die Kirche sich immer neu auf das Jetzige zu kallibrieren habe.

Dieser Vorstellung steht nun das Faktum im Wege, daß es dieser Religion innewohnende Probleme gibt, die als innere Spannungen die Theologie beleben und sie vorantreiben, sich aus sich selbst heraus zu entwickeln. Die Theologie wird nicht nur durch externe Anlässe zu einer Veränderung motiviert, sie bewegt sich auch aus sich selbst heraus, sozusagen ist sie ein autopoetisches System.

Ein Anschauungsbeispiel soll hier nun vorgestellt werden: Eine der Kernaussagen der christlichen Religion lautet, daß Gott als der Allmächtige die Welt nicht nur erschaffen hat sondern auch regiert. Die Aussage, Gott habe sie aus dem Nichts geschaffen (2.Makk 7,28) präzisiert die Schöpfungsaussage, daß das von Giott Erschaffene sein Sein, so wie es ist, ganz allein den Bestimmungen Gottes sich verdanke, daß es eben keinen Gott vorgegebenen Stoff gegeben hatte, der so auch das Erwirkte dann mitbestimmt hätte. Ein Figurenschnitzer, verwendet er Holz als den Stoff seines Kunstwerkes, kann noch so wunderschöne Marienfiguren erschaffen, es bleiben immer Kunstwerke mit den Eigenschaften des Holzes.

Dieser Glaubensausage steht nun die der Erlösungsbedürftigkeit der Schöpfung und die Verheißung ihrer endgültigen Erlösung gegenüber. Wie kann die vom allmächtigen Gott regiert werdende Welt zugleich eine erlösungsbedürftige und erlöst werdende sein? Radicle Lösungen liefert uns die Geschichte des theologischen Durchdenkens dieses Problemfeldes. Entweder wurde der Erlösergott von dem Schöpfergott distanziert oder der Erlösergott für faktisch überflüssig erklärt. Den ersten Weg beschritt die Gnosis und viele ihr Folgenden: Ein Daimon hätte den Kosmos erschaffen, in den unsere Seelen hineingefallen seien und Gott erlöse uns nun aus dieser Gefangenschaft durch Jesus Christus. Den Gegenpol bildet die Vorstellung, daß die Welt von Gott regiert, eine gute sei, eine, die sich zum Guten weiterentwickele, sodaß die Erlösung die Erkenntnis des Gutseins oder fortschrittsoptimistisch formuliert des Gutwerdens sei. Hier ist die Erlösung ein Prozeß der Geschichte Gottes mit den Menschen, der ihre Entwickelungsgeschichte zum Guten sei, der Realisierung des Reich Gottes auf Erden. Hier wird der Erlösergott ganz in dem Glauben an den Schöpfer- und Regierergott aufgesogen.

Diese Spannung gehört konstitutiv zur christlichen Religion und drängt auf eine theologische Lösung, aber solange die Theologie nicht eine des Schauens sondern eine des Glaubens ist, wird sie diese Spannung nicht aufheben können, sie kann sie immer nur aufs Neue durchdenken. Das aber macht ihre eigene Lebendigkeit aus.


1.Zusatz: 

"Die Menschheit solle eine einzige Familie bilden und einmütig zusammenleben. " Das fordert Papst Franziskus laut Kath de vom 6.Jänner 2025: "Papst ruft zu Willkommenskultur und Integration auf". Die Erlösungsvorstellung der christlichen Religion wird hier in ein evolutionär humanistisches Projekt umgeformt. Bezeichnend ist dabei, daß für diese propagierte Menschheitsfamilie die christliche Religion, ja jede gleichgültig sein soll. Diese Einheit ist eine außerhalb der christlichen Religion. Diese Menschheit bedarf auch keiner Erlösung sondern nur einen sittlichen Fortschritt hin zur Überwindung der Bedeutung aller Differenzen hin zu einer natürlichen Eineweltmenschheit.

2.Zusatz:

In der jetzigen Theologie herrscht der Trend vor, auf den Erlösergott zu verzichten und die moderne Gesellschaft als das Realisierungsprojekt der Kernanliegen der christlichen Religion zu deuten, daß in ihr die Menschenwürde, die Menschenrechte realisiert werden oder noch zu realisieren seien. Das impliziert aber auch, daß die „Feinde“ des Projektes der Moderne zu bekämpfen seien, daß eben um es mit Habermas zu sagen das Projekt der Moderne noch unvollständig realisiert sei und gegen ihre Kritiker zu verteidigen sei, den postmodernen Philosophien und den politisch rechts Ausgerichteten. Oder pathetischer formuliert: Seit der Franzöischen Revolution begönne die Welt, vernünftig zu werden in dem Unterfangen der Menschenrechte und der Menschenwürde, die ihren Urgrund in der christlichen Religion hätten.

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