Der zu bevormundende Bürger- er soll vor gefährlichen Büchern gewarnt werden
„Zuerst“ berichtet am 29.Dezember 2024: „Ein beispielloser Akt der Bevormundung: die Stadtbücherei Münster will künftig ihre Nutzer vor „gefährlichen“ Büchern warnen und hat diese mit einem „Warnhinweis“ versehen. Dort werden Entleiher darauf aufmerksam gemacht, daß die solcherart gekennzeichneten Bücher „unter Umständen nicht mit den Grundsätzen einer demokratischen Gesellschaft vereinbar“ seien. Oder, noch deutlicher: „Dies ist ein Werk mit umstrittenem Inhalt.“ So nachzulesen in dem Artikel:“Öffentliche Bibliothek warnt ihre Nutzer: Vorsicht,“umstrittenes Buch“!
Als besonders gefährlich erschien dieser Bibliothek ein Buch über Putin, da es nicht die Natosichtweise dieses Krieges widergäbe.Ein Buch, das umstritten sei, ist deswegen also ein nicht zu lesendes Buch.Wenn man sich nun vor Augen hält, wie umstritten die Bibel ist, ist sie wahr oder nicht, darf so wohl voll Vertrauen in die Zukunft schauen, daß auch vor diesem Buch gewarnt werden wird. Es enthält ja auch viel mit den Grundsätzen einer demokratischen Ordnung Unvereinbares, so wenn von dem Königreich Gottes da geschrieben wird, statt von einer demokratischen Weltrepublik und noch skandalöser, die praktizierte Homosexualität als eine Sünde verurteilt wird. Lesenswert seien so nur unumstrittene Werke und das ist die Bibel nicht.
Selbstverständlich werden die Ausleiher solch umstrittener Werke notiert, wie eben alle Ausleiher, interessant ist aber die Frage, ob die Daten von Ausleihern umstritener Bücher weitergereicht werden als Erkenntnisse über bedenkliche Personen. Seit dem nun wieder über eine Restitution der Praxis der Berufsverbote nachgedacht wird, ob das ein nützliches Mittel zur Bekämpfung von rechten Parteien ist, bekommt die Frage, wie kommt der Verfassungsschutz zu „Erkenntnissen“, die für eine Überprüfung von Bewerbern des öffentlichen Dienstes relevant sind, neue Aktualität.
Relevnter ist aber erstmal dieser Warnhinweis für die potentiellen Nutzer. Dabei wird auf den Herdentrieb gesetzt, dem Bedürfnis zur Herde dazuzugehören und so nicht aus ihr herauszufallen durch ein abweichendes Verhalten. Die Bestsellerlisten sagen, was man zu lesen hat und die Warnhinweise, was man nicht zu lesen hat.Eine Gouvernante weiß eben, daß es zu ihren Obligenschaften gehört, ihre Zöglinge vor der unangemessenen Literatur zu schützen und ihnen die guten Bücher anzuempfehlen. Der stets als leicht beeinflußbar vorgestellte Bürger muß eben vor dem Mißbrauch seiner Freiheit bewahrt werden.
Dieser paternalistische Zug ist signifikant für die heutige Debattenkultur: Zuviele Bürger mißbräuchten ihre Freiheit und deswegen müsse sie energisch eingeschränkt werden: Von Rauchverboten über Verboten von dem beliebten Neujahrsfeuerwerk bis zu Parteienverboten, alles Mögliche und Unmögliche wird unter der Fragestellung möglicher Verbietbarkeit diskutiert. Man könnte meinen, daß die Freiheitsrechte der Bürger das größte Problem darstellten, daß unsere Gesellschaft nur zu bewahren sei, wenn diese drastisch eingeschränkt werden.
Das waren noch Zeiten, als in Grünanlagen von Fußgängerzonen versteckt Mitarbeiter der Politischen Polizei jeden Käufer einer linksradicalen Zeitung photagrahierten: „Man muß ja wissen, wer so was Gefährliches liest!“, aber jetzt muß eben das Internet daraufhin kontrolliert werden. Da will eben eine politisch korrekte Bibliotheksleitung mitmachen. Ob man vielleicht doch wieder Bücher in den „Giftschrank“ deponieren sollte, sodaß die da gelagerten Bücher nur mit Sondergenehmigungen auszuleihen sind? Ob die Regierung wohl in der Zukunft Leselisten ausgeben wird, was ein anständiger Bürger zu lesen hat und was nicht? Dies mag alles obskur erscheinen, aber man muß es als eine Reaktion auf den schleichenden Verlust der Hegemonie des Linksliberalismus ansehen, daß nun die Freiheit eingeschränkt werden muß, um diese Vormacht zu bewahren.
Aber auf eine solche Machtbewahrungsstrategie ist diese Zensurlust nicht allein rückführbar. Hierin triumphiert auch der Wille zur Macht, den Anderen diktieren zu können, was die tuen dürfen und was nicht, die pure Lust am Verbieten. Es ist aber auch so, als wenn man der postmodernen Vergleichgültigungsstrategie, alles sei erlaubt, überdrüssig wieder nach der Differenz von Verbotenem und Erlaubten sich sehnt. In einer libertären Gesellschaft existiert eben der Reiz des verbotenen Buches nicht mehr, der gerade die so markierten Werke zu lesenswerten werden läßt. Der Lust am Verbieten ganz im Geiste des Gouvernantentumes korreliert so die subtile Lust am Verbotenen. Gerade die strenge Gouvernante weiß doch, was ihre Zöglinge dann heimlich lesen. Eine solche Gouvernantenkultur erstrebt so die politische Korrektheit mit ihrer Verbietenslust.
Anbei:
Die sehr beliebte Fernsehsere: "Verbotene Liebe" brachte es auf 4660 Folgen, "Verbotenes" zieht an!
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