Freitag, 8. August 2025

Die Kirche wird immer irrelevanter – oder die Kunst, sich selbst ein Bein zu stellen

 

Die Kirche wird immer irrelevanter – oder die Kunst, sich selbst ein Bein zu stellen



Die viel beachtete Studie: „Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt“1 des Pastoraltheologen Loffed bringt es an den Tag:Die Kirche offeriert „Angebote“, für die unter der potentiellen Kundschaft kaum noch ein Interesse besteht,denn der (post)moderne Mensch habe es gelernt, ganz ohne jede Religion zufrieden zu leben.Ihm fehle nichts, sodaß ein eruierbarer Mangel den Ansatzpunkt für die Vermittelung der Gehalte der christlichen Religion sein könnte. Er stelle auch keine existentiellen Fragen mehr,die dann die Religion beantworten könnte. Fast wohlwollend heißt es in dieser Studie: „Der World-Happiness-Report belehrt uns hier eines Besseren. Er weist die Bewohner der säkularsten Länder der Welt – Finnland,Schweden,Norwegen,Island, die Niederlande- als die glücklichsten aus.“2

Die „religiöse Indifferenz“ (so der Untertitel dieses Buches),meint hier, daß das Desinteresse an allem Religiösen so stark sei, daß eigentlich die religiösen Gehalte nicht mehr vermittelbar seien, so sehr sich auch die Hauptamtlichen bemühten.Aber in dem ganzen Buch wird nie ernsthaft gefragt, was denn die Ursachen dafür seien, noch für welche denn eventuell selbst verantwortlich sei, aus dem Mantra der sexuellen Mißbräuchsfälle.

Könnte die Kirche vielleicht selbst einer der Gründe für das Desinteresse an der christlichen Religion sein? Ich möchte mich nun nicht auf das Übliche kaprizieren, daß die Kirche nicht so ist, wie sie sein sollte, daß es in ihr sehr menschelt,daß das also die oder wenigstens eine der maßgeblichen Gründe für diesen Indifferenzismus sei, sondern fragen,ob nicht die Kirche selbst den Indifferenzismus verursacht hat,weil sie ihn selbst gelehrt hat.

Eine Spurensuche:

Erste These: Die Ökomene hat den Indifferenzismus sehr gefördert: Es sei Gott doch gleichgültig,ob ein Mensch katholisch, evangelisch oder orthodox sei.In jeder dieser christlichen Confessionen könne jeder sowohl das Heil erlangen als auch auf Erden gut leben.Das heißt dann doch notwendigerweise, daß nur das, was allen christlichen Confessionen gemeinsam sei,relevant sei, das sie Unterscheidende sei dann irrelevant.Es sei noch daran erinnert, daß die Gründung von „christlichen Parteien“nach 1945,in der katholische und evangelische gleichberechtigt mitwirkten, der kirchlichen Ökumene vorausging, daß in der politischen Ökumene von Anfang an die Tendenz vorherrschte, sogenannte „christliche Werte“ als das Fundament einer christlichen Politik zu konstruieren.Die christliche Religion auf solche Werte zu zentrieren, ebnet den Weg der Vergleichgültigung der Religion,wenn dann diese Werte aus ihrem religiösen Kontext herausabstrahiert und als selbstständige Größen verstanden werden.3

Es liegt nun nahe, daß die Kirche auch diesen Weg der Reduzierung auf solche Grundwerte folgte, etwa das „christliche Menschenbild“, dem Glauben an die Personenwürde usw sodaß das Eigentliche der christlichen Religion zu verschwinden drohte, ihre große Erzählung vom Fall und von der Erlösung des Menschen durch Gott.

Zusatz: Das sich so herausbildende confessionslose Christetum ist wesentlich das Ergebnis der Identifikation der Kirche und des Protestantismus mit der Ideologie des freien Westens,daß das Christliche letztlich eins ist mit dem Liberalismus,anfänglich conservativ-liberal. 



Zweite These:

Nach den großen Religionskriegen des 17.Jahrhundertes stand man in Europa vor der Aufgabe der Domestikation der Religion, daß die unterschiedlichen Lehren der Confessionskirchen zu keinen Konflikten, gar Kriegen mehr führen dürften. Ein erfolgsversprechendes Konzept der Aufklärung, das ist der Versuch der Pazifizierung der Religion4 war und ist die Erklärung der Gleichgültigkeit aller confessionellen Lehren. Es reiche der Glaube an Gott, die Bestimmung des Menschen zur Sittlichkeit und die Hoffnung auf ein ewiges Leben.Alles Darüberhinausgehende sei überflüssiges Dekor.Die letzte Schwundstufe dieser Domestikation ist dann die Meinung, Christsein heißt, anständig zu leben und irgendwie dann noch an Gott,oder was „Höheres“ zu glauben.Was man dabei unter dem „anständigen“ Leben versteht, das hat sich schon längst dabei zuerst von der Kirche und dann auch von der Bibel emanzipiert:Man habe vernünftig zu leben und das reiche völlig aus. 

Zusatz:

Der Protestantismus übernahm in seiner liberalen Theologie diese Konzeption bald, Kant avancierte zu dem protestantischen Philosophen, die Katholische Kirche stimmte dem erst im 2.Vaticanum zu. 

Dritte These

Die Kirche, nicht nur der Protestantismus anerkannte die Menschenrechtsideologie an,obzwar sie ursprünglich antikirchlich und antichristlich intentiiert war.Das Zentralanliegen ist, das christliche Abendland durch ein neues Europa zu ersetzen, das sich ganz allein auf dem Fundament der Vernunft auferbaut.Alle Religionen können in der zur erstrebten Weltvernunftsrepublik nur noch etwas rein privat Gelebtes sein und sollen für das öffentliche Leben belanglos sein.Die Kirche begann nun selbst im Geiste dieser Menschenrechtsideologie ihr Evangelium dadurch zu ersetzen.Faktisch substituiert die Menschenrechtsideologie die christliche Religion: Gott dient dann nur noch als eine kontingente Begründungsinstanz für die Proklamation der allgemeinen Menschenwürde. Der interreligiöse Dialog dient dann dazu, alle Religionen als gleichgültige anzuerkennen,um sich gemeinsam auf die Verkündigung der Menschenrechte zu kaprizieren.Die christliche Religion wie auch jede andere wird so gleichgültig.

Letztlich käme es doch nur darauf an, anständig zu leben und dazu beizutragen, daß die anderen Menschen auch gut und anständig leben können. Deshalb ist die einzig relevante religiöse Praxis heute das Almosengeben in der Form der Spende für sozialcaritative Anliegen. Der Glaube,die Religion ist da überflüssig.

Zusatz:

Die Erfahrung der Unterdrückung der Kirche in totalitären  Staaten, die im Namen ihrer Staatsideologie die Kirche unterdrückte, führte zur Bejaung der Menschenrechtsideologie als Abwehrrechte dem Staat gegenüber,daß der Kirche ihre Freiheit zu garantiern sei.  



1Der Buchtitel ist an sich unsinnig, denn Gott kann nicht fehlen,sondern nur der Glaube an ihn.

2Jan Loffeld, Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt.Das Christentum vor der religiösen Indiffernz,2024,S.140.

3Ein vergleichbares Phänomen weist die Geschichte der SPD auf, als sie in ihrem Godesberger Programm ihrer einstigen Weltanschauung, dem Marxismus abschwor und zu einer Partei sozialdemokratischer Grundwerte wurde.Die Werte substituierten die einstige Weltanschauung.

4Schon vor der Aufklärung wurde vernünftig gedacht, in der Philosophie isb, Das Neue der Aufklärung war der Versuch, durch die Philosophie die Religion zu domestizieren.

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