Dienstag, 5. August 2025

Eine unzeitgemäße Kritik der zeitgemäßen Moral

 

Eine unzeitgemäße Kritik der zeitgemäßen Moral



Keiner will sich selbst Schaden thun,daher geschieht alles Schlechte unfreiwillig.Denn der Schlechte fügt sich selbst Schaden zu:das würde er nicht thun,falls er wüsse,dass das Schlechte schlecht ist. Demgemäss ist der Schlechte nur aus einem Irrthum schlecht;nimmt man ihm seinen Irrthum,so macht man ihn notwendig – gut.“ 1 So charakterisiert er eine von Platon eingenommene Position, um dann zu urteilen,daß diese selbst nicht zur platonischen Philosophie passe, wie ein Fremdkörper in ihr wirke.

Aber diese Vorstellung gehört zu der Moralphilosophie des Utilitarismus, wie Nietzsche hier treffend urteilt und die ist die in der heutigen Zeit vorherrschende Moral. Nietzsche urteilt: „Diese Art zu schließen,riecht nach dem Pöbel,der am Schlechthandeln nur die leidigen Folgen in`s Auge fasst und eigentlich urtheilt, „es ist dumm, schlecht zu handeln“, während es „gut“ mit „nützlich und angenehm“ ohne Weiteres als identisch nimmt.“2

Dies Beispiel möge das verdeutlichen: Wenn ein Gebrauchtwagenhändler seine Kunden mit überhöhten Preisen betrügen würde,müßte er damit rechnen, daß das bekannt wird und daß dann keiner mehr von ihm ein Auto kaufen wird. Dem kurzfristigen Nutzen,durch Wucherpreise mehr Gewinn zu machen, stände der Schaden, daß, wenn das bekannt wird,daß keiner mehr einen Wagen bei ihm kauft, gegenüber.Es wäre nun wirklich dumm,um dieses kurzfristigen Mehrgewinnes willen den gravierenden langfristigen Schaden in Kauf zu nehmen. Gut handelt also ein Gebrauchtwagenhändler,wenn er klug auf ein Betrügen seiner Kunden verzichtet, da das ihm dauerhaft mehr nützt.

Das ist die ganze Substanz der utilitaristischen Moral, die tatsächlich ihren Sitz im Leben im Handelsleben, dem Geschäftemachen hat.Was hält nun vom Betrügen ab außer der Möglichkeit,entdeckt zu werden und daß dann die Folgen schädlicher sind als der durch den Betrug erwirkte Gewinn? Der Volksmund gibt darauf eine klare Antwort: Sündigen dürfe man schon, nur sich nicht erwischen lassen.

Nun könnte gefragt werden,ob dem Urteil, daß ein Böses Tuen dem Täter selbst schade und deshalb nur eine Folge eines Irrthumes sein könnte, Gehaltvolleres innewohnt, als es bisher expliziert worden ist. Man könnte zum Beispiel sagen,daß ein übermäßiger Alkoholkonsum, etwas Schlechtes,dem Täter selbst schade, er ihm seine Gesundheit ruiniere. Es gibt also Handlungen, die dem Täter selbst schaden und die man deswegen als schlechte, böse verurteilt. Aber man kann nicht sagen, daß jede böse Tat dem Täter schade. Einem Vergewaltiger, der nicht dieses Verbrechens überführt wird, schadet sein Verbrechen nicht, sondern sie schadet nur dem Opfer.Für den Glauben, daß jedem Verbrecher einmal sein eigenes Gewissen deswegen anklagt, gibt es leider keine Berechtigung,auch wenn Moralisten das gerne so sehen.

Die Theologie kennt deswegen keinen Tun-Ergehenszusammenhang, daß die guten Taten sich selbst belohnen und die bösen sich selbst bestrafen, sondern Gott wird als der geglaubt, der belohnt oder bestraft.Wenn aber diese Gottesvorstellung als unangenehme aus der Kirche exkludiert wird,dann bleibt wirklich nur noch eine utilitaristische übrig, daß das Böse nur ein Sichselbstschädigen und das Gute nur ein Sichselbstnützen ist.

Eine nichtutilitaristische Moral wäre dann eine,in der das Gute um des Gutseins getan wird und damit stehen wir in der kantischen Pflichtethik. Das macht wohl die Anziehungskraft seiner Morallehre aus, daß hier das Gute Tuen als ein Tuen um seiner selbst willen expliziert wird, daß hier das Gute nicht verwechselt wird mit dem mir Nützlichen. Aber für eine Epoche,die durch den Liberalismus beherrscht wird, ist der Utilitarismus die angemessene Moral. 

Es darf aber nicht wegdiskutiert werden, daß die Frage der kirchlichen Morallehre die ist: Was habe ich zu tuen, um das ewige Leben zu erlangen?





1F.Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse,Fünfte Hauptstück,Nr 190.

2A.a.O. !90.

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