Mittwoch, 28. August 2019

Bürgerliches Christentum, bürgerliche Kultur, bürgerliche Politik? Gibt es das (noch)?

Thomas Manns populärster Roman: "Die Buddenbroocks" erzählt ja nicht einfach nur das individuell kontingente Geschick einer (groß)bürgerlichen Familie, sondern exemplarisch den Untergang des Bürgertumes. Die literarische Fiktion erzählt das, was Oswald Spengler philosophisch entfaltet, den "Untergang des Abendlandes", der so auch der Untergang des Bürgertumes ist.Es ist mehr als bezeichnend, daß Ernst Jünger wie auch Ernst Niekisch nach der postbürgerlichen Epoche frugen:"Der Arbeiter" (Jünger) und "Die dritte imperiale Figur" (Niekisch). Ging nun da etwas zugrunde, sodaß es heute nicht mehr existiert?
Das "bürgerliche" /"verbürgerlichte" Christenum findet seinen Ursprung in dem Dilemma des reichen Jünglings, der Christ sein will, aber der Forderung Jesu nach radicaler Nachfolge nicht folgen kann.Wie könnte er alles, was er besitzt, den Armen verschenken, um dann mit Jesus von Ort zu Ort ziehend, das Evangelium leben und verkünden, wenn er als Familienvater Verpflichtungen seiner Frau, seinen Kindern gegenüber hat und als Arbeitgeber auch seinen Angestellten gegenüber: Er ist ihr Brotgeber. Das bürgerliche Christentum entstand so, mußte so auch entstehen als Syntheseversuch des Lebens nach Jesu Vorbild und der Verkündigung mit den Notwendigkeiten des Lebens in der Welt in Familie, Beruf und Staat. Die radicale Nachfolge wurde dann sozusagen in das Einsiedlermönchs- und Klosterleben ausgelagert. Ein paar wenige lebten radical Jesu Nachfolge, damit die Mehrheit bürgerlich maßvoll christlich leben konnte.
Dies bürgerliche Christentum wird aber nur noch so lange existieren, bis das Kloster als Gegenentwurf noch lebendig ist. Denn wenn es nur noch das bürgerliche Christentum gibt, dann löst es sich als bürgerliches auf. Alles ist nur etwas Bestimmtes durch seinen Gegensatz. Ein bürgerliches Christentum  kann es nur als Gegenüber zu einem nichtbürgerlichem geben.
Das Bürgertum selbst lebt nun nur aus seinem Gegennsatz einerseits zum Adel und dem Klerus und andererseits durch seinen Gegensatz zur Arbeiterklasse und dem Lumpenproletariat. Der Bürger ist der höfliche Mensch, der also die Kultur des Hofes so weit wie möglich imitiert, außerhalb des Hofes lebend in der bürgerlichen Familie und sein Sebstbwußtsein aus seiner Differenz zur Arbeiterklasse gewinnt. Aber was wird aus dem Bürger, wenn die Gegenüber, durch die er erst bürgerlich wird, verschwinden? Die erfolgreiche bürgerliche Revolution entmachtete nicht einfach nur den Adel und den Klerus sondern setzte auch einen Prozeß in Gange, der das Ende des Bürgerlichen selbst einleitete. Die Trias von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, diese zutiefst bürgerlichen Parolen, setzte nun notwendigerweise eine Eigendynamik in Kraft, die durch die Nivellierung aller Differenzen das Bürgerliche selbst anfing, aufzulösen. (Vgl dazu:Helmut Schelsky, Die nivellierte Mittelstandsgesellschaft)
Kann wirklich noch von einer bürgerlichen Kultur gesprochen werden, die in Europa noch gelebt wird? Signalisiert etwa Thomas Manns "Buuddenbrooks" nicht gerade auch das Ende der bürgerlichen Kultur und zeigt sein "Zauberberg" nicht schon das Verloschensein dieser Kultur an? Anders gesagt: Die Kulturindustrie ließ die bürgerliche Kultur verschwinden, nachdem ihr sozialer Träger am eigenén Ideal der Gleichheit zugrunde ging. So gesehen kann es auch keine bürgerliche Politik mehr geben, es sei denn, es würde dadrunter einfach nur die liberale Politik für Besserverdiener verstanden. (Vgl:die F.D.P.)
So erscheint jetzt das einst bürgerliche Christentum als verweltlichtes, aber der Kampf um die Verweltlichung ist zumindest in der Katholischen Kirche noch nicht gänzlich ausgefochten. Noch zu viel Mönchisches ist in der Kirche:etwa der Zölibat und die Sexuamorallehre und die Hierarchie. Der "synodale Weg" in Deutschland und die "Amazonassynode" werden aber wohl die Verweltlichung, nicht die Verbürgerlichung der Kirche vorantreiben.     
  

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