Freitag, 9. August 2019

Kein Fleisch mehr-der Umwelt zu liebe?

Einst war es ein Privileg, Fleisch essen zu können, ja von "Gutverdieneren" wurde gar gemunkelt, daß sie sich jeden Tag diese Delikatesse leisten konnten, während das Volk höchstens am Sonntag einen Braten auf ihrem Tisch sah. Aber dann kam die Zeit des Massenkonsumes, ja Schichten des Volkes fingen an  zu konsumieren, was noch zu Zeiten von Karl Marx ein Privileg der Bourgeoise war, während die "Arbeiterklasse" nur das zu der Reproduktion ihrer Arbeitskraft Notwendige kaufen konnte und so nicht "konsumierte". Privilegien lösten sich auf, sodaß nun das Fleischessen wie der Konsum etwas Vulgäres wurden.Jetzt konsumiert der "gemeine" Mann. Das evoziert dann die Konsumkritik des Massenmenschen, dem das Genießenkönnen des Adels oder der Kultivierten gegenübergestellt wird.
Auch die Unterhaltungsindustrie mit ihrer Ausrichtung auf den gemeinen Massengeschmack wurde verteufelt, nicht nur durch die elitäre Kunstkritik Adornos. Das, was für alle ist, das wird so zum "Gemeinen" und "Vulgärem". Da soll es in den Zeiten der allgemeinen Tenniseuphorie,Steffie Graf und Boris Becker begeisterten durch ihr Tennisspiel, plötzlich Putzfrauen gegeben haben,die neben der Chefärztin vom Klinikum auf dem Tennisplatz aufschlugen- was natürlich die Ärztin zum sofortigen Austritt aus ihrem Tennisverein nötigte. Tennis war so zum Proletensport degradiert. Ist etwas nicht mehr etwas Privilegiertes, dann ist es zum Gemeinen depraviert, weil es allgemein geworden ist. 
Es kann gesagt werden, daß jede Gesellschaft durch interne Aristokratisierungen bestimmt ist: Da gibt es den Blutsadel, den Geldadel, den Geistesadel und den Schönheitsadel und vielleicht als Phänomen der Moderne: die Prominenten.Immer steht dabei eine kleine exclusive Menge der Mehrheit gegenüber, sodaß zwar alle gern der exclusiven Menge angehören wollen, wenn aber alle ihr angehörten, der Anreiz, dazugehören zu wollen, entfiele. Privilegien lösen sich seit der Französischen Revolution permanent auf und es werden immer wieder neue gesucht, damit der Einzelne sich von der Masse abheben kann: nicht wie alle zu sein, wird so zu dem kategorischen Imperativ  der Postmoderne, wenn die Moderne sich verstand als Kampf gegen alle Privilegien im Namen des Gleichheitsideales. Aber die Gleichheit aller macht eine Gesellschaft zu etwas für den Menschen Unerträglichem, er will doch sich von all den anderen abheben, eben gleicher als die anderen sein.  Georg Orwell bringt das so auf den Punkt: "Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen." Farm der Tiere -1945.
Was hat das nun mit dem Fleischkonsum zu tuen? Viel. Dieser Konsum ist ein Musterbeispiel dafür, daß etwas einst den Wenigen als Privileg Reserviertes vulgarisiert wurde, so sehr, daß jetzt gar Sozialhilfeempfänger mehr als einmal in der Woche ein Fleischgericht zu sich nehmen können. Das war und ist nun die Stunde der Massenkonsumkritik! Plötzlich soll es ungesund sein, Fleisch zu essen, plötzlich wird bemerkt, daß die Massentierhaltung etwas Unmoralisches sei, daß sie der Umwelt schade und überhaupt: Wer ist denn noch Fleisch außer Prolls! So etwas Vulgäres wie Fleisch essen!
Zwei mögliche Strategien ergeben sich daraus: A) Das Fleisch muß wieder so verteuert werden, daß sein Essen zum Privilegium wird- etwa durch eine Fleischsteuer oder daß das Fleisch nur noch als sehr teueres Biofleisch angeboten wird oder B) daß das Fleisch als Essen des "gemeinen" Mannes von den Tellern der Bessergestellten verschwindet. Interessant ist dabei, daß selbst noch im anfangenden 21.Jahrhundert die Menschen in einer Gesellschaft durch das, was sie essen und trinken, definieren,ihre Stellung in ihr markieren. Der Mensch ist, was er ißt.
Darin materialisiert sich ein spezifisches Problem der Postmoderne: Wenn durch die Moderne, angefangen mit der Französischen Revolution, alle Privilegien gefallen sind unter dem Banner des Gleichheitsideales, auch wenn es hier und da noch letzte Gefechte wider einige Privilegien geführt werden, dann frägt man in der Postmoderne. Wie kann ich noch etwas  Besonderes sein, wenn alle gleich sind? Neue Aristokratisierungen werden erstrebt: Ich gehöre dazu, wozu die Meisten nicht gehören. Ich esse und trinke nicht, was alle, die Gemeinen essen und trinken. Aus diesem Geiste wurde die Bioeßkultur geboren, aber sie verliert auch schon wieder an Attraktivität, weil nun in vulgären Verbrauchermärkten Bioprodukte zu günstigen Preisen angeboten werden- das ist wie Tennis für Sozialhilfeempfänger.
Hat diese Konsumkritik nun etwas mit dem Anliegen des Umweltschutzes zu tuen? Die Antriebskraft ist der Wille, daß es wieder ein Privileg der Bessergestellten sein soll, konsumieren zu können.Der Massenmensch soll davon wieder ausgeschlossen sein!    
     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen