Samstag, 10. August 2019

"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht" Eine Kritik der Moderne?

Ein Narrativ, eine große Erzählung von der Unterdrückung der afrikanischen und lateinamerikanischen Völker durch den "Weißen Mann" konfundiert seit längerem das kulturelle Selbstbewußtsein des Europäers und zunehmend auch des US-Amerikaners. Der marxistisch fundierten Befreiungstheologie bildet sie gar das Basiscredo: Afrika, aber auch Lateinamerika sind unterentwickelte Regionen, weil sie vom "Weißen Mann", dem Europäer und dann auch dem Amerikaner unterentwickelt worden sind. Die imperialistischen Mächte schufen sich ihre Kolonien, durch die dann die Eigenweiterentwickelung der dortig Beheimateten gestoppt wurde und ihnen dann eine ihnen fremde Kultur aufgenötigt wurde. Der "Weiße Mann" sah da keine eigene andere Kultur sondern stattdessen nur eine Nichtkultur, eine primitive, die er nun durch den Import seiner überlegeneren und höher entwickelten zu ersetzen versuchte. Ökonomisch wurde dabei Afrika ausgebeutet und selbst die Entkolonisierung beendete nicht dies Ausbeutungsverhältnis.
So stehen nun den ausgebeuteten Völkern der imperialistische "Weiße Mann" gegenüber, der eurozentristisch auch noch seine Kultur für die höchst entwickelte schätzte, als das Modell, das alle anderen zu übernehmen haben.
Nur eines blendet dies Narrativ aus: Warum behaupteten sich die Völker Afrikas nicht gegen den Kulturimperialismus des Westens, des "Weißen Mannes"? Warum verfügten sie nicht über ein starkes Immunsystem, das das Eindringen des Fremden abwehrte? Warum bewahrten sie ihre kulturelle Identität nicht, indem sie dem Fremden Mauern entgegensetzten zum Schutz ihres Eigenen?
Wenn der 1.FC  Krähwinkel  0: 10 gegen den FC Bayern München sein Heimspiel verliert, dann doch nur deshalb, weil der Krähwinkelverein in allen Belangen dieser bayrischen Fußballmannschaft weit unterlegen ist. Ist diese Überlegenheit nun die Schuld der Bayern? Erklärte nun ein Fan des Krähwinkler Fußballvereines, Bayern München habe eben die besondere Spielkultur der Einheimischen nicht respektiert um so mit ihrem Höchstgeschwindigkeitsfußball die Krähwinkler schwindelig zu spielen, wer würde das als legitime Rechtfertigung der Niederlage anerkennen?
"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht", diés afrikanische Sprichwort könnte so die Lücke dieses Narratives ausfüllen. Denn man kann doch sagen, daß gerade das Wesen der westlich- europäischen Kultur das der Beschleunigung ist. Statt mit dem Pferde in einer "natürlichen" Geschwindigkeit Entfernungen zurückzulegen, fahren wir mit zigfach schnelleren Autos und Zügen, statt mit Vogelgeschwindigkeit fliegen wir mit Flugzeugen, gelegentlich mit Überschallgeschwindigkeit. Wo es natürliche Zeiten für etwas gibt, beschleunigt der "Weiße Mann", alles, weil ihm das Natürliche zu langsam ist.  Natürliches Wachstum soll eben beschleunigt werden, daß mehr in weniger Zeit entsteht.
 "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht",darin drückt sich eine ganze Lebenseinstellung aus: Alles hat seine Zeit, alles braucht seine Zeit (vgl Prediger Salomo), und der Mensch hat sich dieser Zeitordnung einzupassen, denn auch er ist ihr unterworfen. Ganz anders der moderne Mensch: "Zeit ist Geld", und darum wird ununterbrochen versucht, Zeit einzusparen. Alles muß morgen schneller als heute gehen. Wer schriebe heutzutage noch per Hand einen Brief, kuvertierte ihn, schickte ihn per Post ab, wenn er jetzt den Brief per ePost fast in Sekundenschnelle an den Adressaten verschicken kann. Die Moderne ist geradezu der Aufstand gegen eine Eigenzeit von allem und nicht nur der Schnellkochtopf steht für dies Spezificum der Moderne.
Die auf Höchstgeschwindigkeit getrimmte Kultur des "Weißen Mannes" überrannte so Afrika wie die Stürmer Bayerns die Verteidigung des FC Krähwinkels. Ist das nun die Schuld der Sieger? Müssen sie nun Tag und Nacht: ihr "mea  culpa" ertönen lassen? Formulieren wir es hart: Ist nicht auch die Kulturgeschichte der Menschheit immer auch noch eingeschrieben in die Naturgeschichte des Überlebenskampfes, in dem die Stärkeren die Schwächeren besiegen?  Die Harmonie der Natur ist eben die des Krieges aller gegen alle.

Zusatz:
9. August: Welttag der indigenen Völker der Welt
Wien (kath.net/pm)
Mehr Aufmerksamkeit und Bewusstsein für jene Menschen, die seit Jahrhunderten unterdrückt, verfolgt und ausgebeutet werden: Das fordert Missio-Nationaldirektor Pater Karl Wallner zum Welltag der indigenen Völker der Welt. Der 9. August wurde von den Vereinten Nationen zu diesem Welttag erklärt. Gleichzeitig zählt dieses Anliegen zu den zentralen Themen der Amazonien-Synode im Oktober im Vatikan.
Kath net am 10.8.2019

       

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen