Donnerstag, 1. August 2019

Eine kleine Irritation- was kann der Mensch erkennen?

"Können wir objektive Wahrheit erkennen und wie weit reicht die Erkenbarkeit objektiver Wahrheit?" mit dieser Frage leitet Josef Seifert sein sehr lesenswertes Buch: "Unbezweifelbare Wahrheitserkenntnis" ein. Nur, daß diese Einleitungsfrage doch schon eine Kritik evoziert. Aussagesätze können wahr sein. Die Erkenntnistheorie steht somit vor der Frage, wie der Wahrheitsgehalt einer Aussage zu prüfen ist. Aber die indikativische Aussage: "So ist es"ist nun nur ein Fall von möglichen Aussagesätzen, denn es gibt auch die imperativische Aussage:"So soll es sein", die konjunktivische: "So könnte es sein" und die optatvische: "O möge es doch so sein". Dann kann statt des Präsenz noch eine Vergangenheitsform gewählt werden: "So war es", "So ist es gewesen" und eine Futurform:"So wird es sein", oder: "So wird es gewesen sein"
Können alle diese Ausagen unter dem Begriff der "objektiven  Wahrheit" subsumiert werden und kann der Wahrheitsgehalt all dieser Aussagen mit ein und derselben Erkenntniskritik auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht werden?
Jeder Aussagesatz setzt eine Sprache voraus, das System einer Sprache, damit einzelne Aussagen möglich sind, so wie das Regelsystem des Schachspieles erst einzelne Schachzüge eines Spieles ermöglicht. Muß das Regelsystem wahr sein, damit es wahre Züge geben kann, oder definiert erst das Regelsystem, was ein wahrer Zug ist, wobei aber das Regelsystem selbst weder wahr oder unwahr ist? 
Aussagen beziehen sich auf etwas  außerhalb der Aussage und als wahr gilt eine Aussage, wenn eine Aussage sich adäquat auf dies Außerhalb bezieht. Aber auf was für ein Außerhalb, auf was für eine Realität bezieht sich eine futurische Aussage: "So wird es sein"? Auf eine Realität, die nicht ist, sondern von der nur ausgesagt wird, daß sie sein wird. Und auf welche Realität, oder objektive Wahrheit bezieht sich die Aussage: "So könnte es sein", "So hätte es sich ereignen können"
Ist etwa die objektive Wahrheit nur eine von vielen realisierte Möglichkeiten? Je länger ein Mensch lebt, desto mehr besteht sein Leben ja aus nicht realisierten Möglichkeiten, denn etwas Bestimmtes zu realisieren, schließt ja immer die Nichtrealisierung von Alternativmöglickeiten aus. 
Der erkenntnistheoreische Diskurs leidet eben an seiner nicht zu rechtfertigenden Kaprizierung auf indikativische Aussagen, als gäbe es nicht auch  imperativische. konjunktivische und optativische. Aber gerade in diesen Aussagemöglicheiten lebt der Mensch, der nicht nur erkennen will, was ist? (Indikativ), er will auch erkennen, was sein könnte (optativisch) und was sein sollte (moralisch-imperativisch). Und da er in der Zeit Existierender ist, lebt er immer aus der Vergangenheit auf eine Zukunft hin, wobei die Gegenwart ihm nur die Trennlinie zwischen der Vergangenheit und der Zukunft ist. 
Nehmen wir den ersten Zug, den Weiß spielend, gezogen werden kann: Objektiv sind 20 verschiedene Züge möglich, 16 mit den Bauern , 4 mit den Springern. Einen gezogenen Zug erkennen, hieße doch nun, ihn als eine bestimmte Realisation von 20 möglichen Spielzügen zu begreifen. Kann etwas als erkannt gelten, wenn es nicht als eine bestimmte Realisation von begrenzt oder unbegrenzten Möglichkeiten begriffen wird? 
Prinzipieller: Kann eine sprachliche Aussage wahr sein, wenn das, worauf die Aussage sich bezieht nichtsprachlich ist? (Theologisch ist darauf zu respondieren, daß, da alles durch das göttliche Wort ist, es logoshaft ist, so daß die Sprache das Logoshafte des sprachlich Ausgesagtem so auch adäquat ausdrücken kann.) Wie ist das aber erkenntnistheoretisch einholbar?        
  

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