„Die dem Menschen seine Ketten nehmen, befreien nur ein Tier“
So urteilt Nicolas Gomez Davila (Es genügt, dass die Schönheit unseren Überdruss streift...Aphorismen, 2017, S.71)
Ein einfaches Bild: Ein Schäferhund mit gefletschten Zähnen, Aggressivität ausstrahlend vor mir stehend, aber fest an der Leine, sie hält, der Hundebesitzer zehrt den Hund weg- ich überlebe! Ein aggressiv-bissiger Hund, aber an der Kette und so und nur so ungefährlich- Wehe, wenn er losgelassen würde.
Gleicht dem der Mensch, an den Ketten der Kultur angeleint und so ungefährlich gemacht? So plausibel dies Bild auf den ersten Blick auch erscheinen mag, es ist ein Fehlbild. Denn der Mensch ist eben kein durch seine Eigennatur fixiertes Wesen. In ihm erscheint in der Welt etwas aus ihr nicht Ableitbares: die Freiheit. Als Freiheit kann er gegen seine Natur leben, im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich handeln. Das kann kein anderes Tier, auch kein Raubtier kann wider seine Raubtiernatur handeln, es lebt immer natürlich. So ist es eingezeichnet in die Naturordnung der Welt. Wenn die griechische Sprache die Welt Kosmos nennt, darf ruhig auch das Wort: „Kosmetik“ mitgehört werden, denn dieser Begriff meint das Wohl- und Schöngeordnetsein, das die Welt ausmacht.
Aber in diese Ordnung bricht nun etwas Fremdartiges ein: Der menschliche Geist als Freiheit: Ich kann wider meine eigene Natur und die ganze Naturordnung leben. So nimmt der Mensch in der Naturordnung eine exzeptionelle Sonderstellung ein. In Anklang an Arnold Gehlen ist so der Mensch auch als „Mangelwesen“ zu begreifen, dem ob seiner Freiheit seine Bestimmtheit durch seine Eigennatur fehlt. Nicht blinde Triebe dominieren ihn, sondern er kann seine Triebleben frei und nur deshalb auch pervers gestalten. Den natürliche Fortpflanzungstrieb kann so der Menschen zum zum Quälen des eigentlich zur Fortpflanzung Bestimmten bis hin zum Lustmord.
Diese Unbestimmtheit des Menschen, seine Nichtdeterminiertheit verlangt so die Anleinung der Freiheit. Das könnte auch so umformuliert werden, daß die Willkürfreiheit zu einer human verträglichen Freiheit umgeformt werden muß. Das sind dann die Ketten, die den Menschen erst humanisieren. Aber lebt er seine Willkürfreiheit aus, vertiert der Mensch sich nicht sondern er pervertiert nur sein Menschsein, er wird zu einem perversen Menschen. Sadomasochistisch ausleben kann nur der Mensch weil er Mensch ist, seine Sexualität, das kann kein Tier. Diese Perversionsoption ist gerade etwas, was ihn vom Tierischen fundamental distinguiert.
Nicht ist der Mensch so gegen Rousseau von seiner Natur her schon menschlich, denn er kann gerade ob seiner Natur auch unmenschlich sein- erst durch seine Kultivierung wird er zu einem Menschen im humanen Sinne.Die kulturelle Hochform dieses Menschseins erfaßt etwa E. Hirsch, wenn er schreibt: „Wir haben des Staat als das höchste irdische Gut einer Nation erkannt, als die Form, die ihr allein Leben und Freiheit und Endfaltung ihres Könnens gewährt.“ (Deutschlands Schicksal, S.141).
Der so kultivierte Mensch überwindet so die Möglichkeit der Willkürfreiheit, indem er sich zu einem freien Leben als Glied eines Ganzes begreift, in das er als Einzelne integriert ist, weil er in diesem ganzen Leben sein vernünftiges eigene hat. Hier erst gibt es die Möglichkeit zu einem humanen Leben, indem die Möglichkeit der Willkürfreiheit aufgehoben wird. Diese Aufhebung kann aber nur die staatliche Ordnung mit ihrem Gewaltmonopol gewähren, weil die Menschlichkeit des Menschen immer durch die Möglichkeit der Willkürfreiheit gefährdet ist, nicht aber durch die Unmöglichkeit einer Regression zu einem tierischen Leben.
Corollarium 1
Nur dem Menschen ist es so ob seiner Freiheit möglich, sich als Einzelsubjekt so zu verabsolutieren, daß es sich selbst zum Selbstzweck aufwirft, die anderen zu nur Mitteln seiner Egozentrik herabzudegradieren und das Menschsein, sein Gattungswesen als eine bloße Fiktion anzusehen, als ein Element einer symbolischen Lebenswelt, der keine Realität zukommt. Diese Selbstdeutung kann als das Böseseinkönnen des Menschen begriffen werden. Er kann es aber nur, weil er kein Tier ist und sich gerade in dieser Möglichkeit zur Perversion als Mensch erweist, der untermenschlich aber so gerade nicht tierisch leben kann.
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