Donnerstag, 11. März 2021

Irritierendes: ein befremdlicher Vorschlag zur Neuevangelisation?

Irritierendes: ein befremdlicher Vorschlag zur Neuevangelisation?



Hier kann doch etwas nicht stimmen, wenn der bekannte Philosoph Pascal Ungläubigen, um zum christlichen Glauben zu kommen, rät: „Knie nieder, bete und tue so als würdest du glauben,dann wird sich der Glaube von selbst einstellen.“ (zitiert nach: Slavoj Zizek, Absoluter Gegenstoß, 2016, S.95) Der christliche Glaube ist doch die Voraussetzung für das Niederknien und das Beten, in diesen beiden Tätigkeiten manifestiert sich der Glaube, aber gerade so bewirken diese Tätigkeiten ihn doch nicht. Ein simulierter Glaube kann doch nie einen wirklichen erwirken.

So einsichtig dieser Einwand doch auch ist, ist er denn auch wirklich wahr? Eines wird doch sicher eingeräumt werden müssen, daß durch diese Praxis des Glaubens der Glaube selbst gestärkt wird. Sicher, das Zum-Glauben-Kommen könnte vorgestellt werden als ein einmaliges Bekehrungserlebnis, daß eben ein Ungläubiger auf einmal zu einem Gläubigen wird. Aus der Perspektive des Menschen könnte diese Bekehrung als auch ein dezisionistischer Akt verstanden werden, daß sich wer entscheidet, zu glauben. (Vertraut er dann aber nicht darauf, daß er sich richtig entschieden habe?)Gott habe in ihm den Glauben gewirkt (durch den Hl. Geist)oder der Mensch habe sich zum Glauben enbtschieden, aber vielleicht ist dann auch Beides wahr, daß die menschliche Entscheidung eine durch Gott selbst gewirkte ist und doch auch die seinige ist.

Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß es einfach einen Riß zwischen dem Nichtglauben und dem Glauben gäbe, der dann übersprungen werden müßte, damit man aus dem Nichtglauben in den Glauben komme. Wird aber in diesen Vorstellungskomplex die Frage des Was des Glaubens eingezeichnet, konfundiert sich diese Vorstellung aber: Wie sollen denn all die Glaubenswahrheiten des christlichen Glaubens in einem einzigen Akt angeeignet werden können? Aber der christliche Glaube ist eben nicht einfach ein „Vertrauen“, sondern ein „Vertrauen“ auf etwas, das in Aussagesätze ausbuchstabiert werden kann. Wir vertrauen darauf, daß Gott sich uns durch die hl. Schrift offenbart, daß er die Welt regiert, daß Jesus Christus für unsere Sünden am Kreuze starb etc. Dieser Glaube an kann nicht auf einen Schlag in uns entstehen, er verlangt ein Hineinwachsen in den Glauben der Kirche. Man vergleiche das mit dem Spracherwerb eines Kindes! Es kann nicht auf einmal sprechen. Wie in der Sprache und beim Sprechenlernen die Sprache als System dem Einzelsprechakt vorangeht, so geht dem persönlichen Glauben der Glaube der Kirche voran, in den sich das Individuum hineinlebt, indem es sich diese Sprache der Kirche Schritt für Schritt aneignet.

Könnte es vielleicht doch so sein, daß aus der Praxis des Glaubens dies Hineinwachsen in den Glauben sich ereignet, daß die Praxis nicht nur ein Wirken nach Außen ist sondern auf den Praktizierenden zurückwirkt? Formulieren wir es mal anders: Was spricht dagegen, daß durch heilige Handlungen der so Handelnde selbst heilig wird? Wie nun, wenn Pascal hier den Glauben im Kontrast zu der bei ihm dominierenden Vorstellung einer Dezision zum Glauben als einen Entwickelungs- und Lernprozeß verstünde? Ja, ist diese Vorstellung nicht viel realistischer als die, daß jemand sich entscheidet zum Ja zur christlichen Wahrheit und dann auf einen Schlag Christ wird? Vielleicht unterschätzt die zeitgenössische Religionspädagogik wie auch Neuevangelisationskonzepte die Macht der Praxis, daß der christliche Glaube sich aus der religiösen Praxis heraus erst entwickelt? Theologisch gedacht: Gott wirkt selbst durch diese Praxis auf den sie Praktizierenden ein, läßt dadurch in ihm den Glauben wachsen, indem der eingesähte so in ihm sich entwickeln kann.

 

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