„Eines Tages muß die dogmatische Kirche verschwinden oder sich angleichen und, um sich anzugleichen, zu den Quellen zurückkehren.“ So äußerte sich der Freimaurer Y. Marsoudon, zitiert nach: Adler,Manfred, Die antichristliche Revolution der Freimaurerei, 1974, S.108. Mit der dogmatischen Kirche wird hier die Katholische betitelt. Zu den Quellen zurück, damit wird das reformatorische Narrativ aufgenommen, daß die Katholische Kirche das Produkt eines Entfremdungsprozesses sei, in dem sich die Kirche immer mehr von ihrem Ursprunge entfernt hätte, sodaß es nun Luthers Anliegen sei, das Ursprungschristentum wiederherzustellen.
Die Vorstellung vom Ursprungschristentum dient dabei faktisch als eine Projektionsfläche, auf die jeder Kirchenkritiker dann sein Wunschbild der Kirche malt als die normative Vorgabe für die jetzt angeblich notwendigen „Reformen“.
Dogmatisch ist für den heutigen linksliberalistischen Katholizismus ja zu einem Schimpfwort geworden, vulgär formuliert, daß ein Christ ein Mensch sei, der aus einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu Jesus lebe und dem so alle Dogmen als Lehren über Jesus unwesentlich sind oder der gar sie dies Vertrauensverhältnis behindernd verwirft.
Im freimaurerischen Diskurs, so Adler dominiert aber die Vorstellung von einer allen Menschen gemeinsamen Religion (etwa der Vernunftreligion, die auch als die natürliche bezeichnet wird), der gegenüber alle positiven Religionen als sich übernatürlich fundierte ausgebend Verfehlungen sind.) Die dogmatisch Kirche habe sich so also dieser Vernunftreligion, die völlig dogmenfrei wäre, anzupassen, oder sie verlöre ihre Existenzberechtigung!
Im politischen Liberalismus, den Adler in der freimaurerischen Ideologie fundiert ansieht,kann sich die Kritik an der (christlichen) Religion dann auch noch radicalisieren. Dafür bietet Adler in diesem Buch beeindruckende Beispiele aus den Quellen der Jungdemokraten, der Nachwuchsorganisation der F.D.P. So soll es das Ziel eines Religionskundeunterrichtes, der anstatt des bisherigen Religionsunterrichtes an den Schulen treten soll, sein: „den irrationalen Charakter der Religion und den Widerspruch von Anspruch und Realität klerikaler Forderungen nach Gleichberechtigung und Menschenwürde aufzudecken.“ (.131) So wird dann auch die Abschaffung der Kindertaufe verlangt, die Kirche dürfe nicht durch solche Taufen Mitglieder gewinnen und die strikte Trennung von Staat und Kirche. Die christliche Religion wird dabei als etwas Irrationales abqualifiziert, das jedem vernünftigen Denken widerspräche und so auch ein Hindernis sei für das Projekt der Humanisierung der Welt.
Davon zu unterscheiden sind nun Adlers Versuche, Pläne zur Weltbeherrschung durch die Freimaurerei zu rekonstruieren, die als Geheimpläne selbstredend nicht der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden. Als ein großes Hindernis für solche Weltbeglückungspläne gilt dabei die Katholische Kirche, die ob ihres eigenen Wahrheitsanspruches sich einer solchen Weltregierung nicht unterwerfen könnte.
Hier soll nun unser Augenmerk nur auf eine Frage kapriziert werden: Ist die Katholische Kirche auf dem Wege zu einer Umwandelung in eine solche dogmenfreie Kirche? Ist es nicht bezeichnend, daß etwa in den aktuellen Reformdiskussionen der theologische Gehalt der Kirche fast gar keine Rolle mehr spielt? Verkündet die Kirche noch etwas anderes als politische Korrektheiten und politische Programme zur Humanisierung der Welt und neuerdings zur „Erhaltung der Schöpfung“? Werden denn nicht inzwischen alle Dogmen und Lehren der Kirche als zeitgeschichtlich bedingte Vorstellungen dekonstruiert und wenn sie trotzdem doch noch nicht alle reprobiert werden, dann nur, weil sie nicht mal mehr der Verwerfung für wichtig genug erachtet werden. (So wollte ja schon Erasmus von Rotterdam die Kirche als Alternative zu Luthers Revolution reformieren, indem die alte Lehre einfach nicht mehr beachtet werden sollte, statt sie zu kritisieren.)
Diese Frage inkludiert nun die, ob freimaurerische Aktivitäten dazu beigetragen haben, ob sie gar, wie Adler mutmaßt, die treibende Kraft dieses Destruktionsprozesses der Kirche ist, vielleicht im Gewande des Liberalismus. Da das Freimaurertum eine Geheimgesellschaft ist, wird diese Frage wohl kaum beantwortbar sein, es kann wohl nur darüber spekuliert werden. Adler bietet für diese Frage aber sicher bedenkenswertes Material in seinen Büchern,auch wenn der Eindruck entstehen kann, daß er eigentlich mehr wissen kann, als wißbar sein kann für Nichtlogenmitglieder.
Zusätze: Was der Liberalismus alles ablehnt (ein paar Kostproben):
„Liberalismus wendet sich daher gegen die Ableitung menschlichen Handelns aus dogmatischen Wertsystemen, die den totalen Anspruch auf letzte Wahrheiten erheben...“ (S.134)
(Frage: Wird das nicht auch faktisch von liberalen Katholiken gefordert, wenn die „Lebenswirklichkeit“ zur Norm der Morallehre erhoben wird, daß nicht mehr eine dogmatische Moral das Leben bestimmen soll? Praktiziert die Kirche in der Ökumene wie im interreligiösen Dialog nicht längst den Verzicht auf den Anspruch der Wahrheit des Katholischen Glaubens?)
Die Kirche sei sexualfeindlich und unterdrücke die Lebensfreude (S.136)
Die Frauenfeindlichkeit zeige sich isb. In der Mariologie, in der Lehre von ihrer Jungfräulichkeit, das sei die kirchliche Sexualfeindlichkeit und ihrem Nein zum Recht der Frau, ihre Kinder im Mutterleibe töten zu lassen. (S.136) und der repressive Zölibat (S.136) ist dann die Krönung der Menschenfeindlichkeit.
(Frage: Hören wir heute das alles nicht auch aus liberal katholischen Mündern? Siegt so der im Freimaurertum fundierte Liberalismus in der Katholischen Kirche über die dogmatische Kirche?)
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