Freitag, 23. April 2021

Gut leben und daß es einem gut geht – weisheitliches Denken



Der Kerngedanke der Weisheitsbücher der hl. Schrift: Wer gut und weise lebt, dem geht es auch gut, die Toren aber gehen zugrunde. Als ein Beispiel möge Sprüche Salomons 29,27b gelten:

Verbum custodiens filius, extra periditionem erit“= Der Sohn, welcher das Gesetz beachtet, wird frei vom Verderben sein. (Vulgatatext, A.Arndt, Die Heilige Schrift, 1903). Verbum ist hier treffend mit Gesetz übersetzt, das extra hätte man besser mit außerhalb übersetzen können. Das Futur ist zu beachten: Der jetzt das Gesetz Gottes Beachtende wird zukünftig nicht ins Verderben geraten und somit heißt das auch, daß der das Gesetz Gottes Mißachtende im Verderben enden wird. Ihm mag es wohl kurzfristig gut ergehen, aber in Bälde rächt sich sein Lebenswandel.

Kontrovers wird nun die Frage diskutiert, ob es einen weltimmanenten Kausalzusammenhang gäbe zwischen dem das Gute Tuen und dem einem Gutgehen und dem das Böse Tuen und dem einem Schlechergehen oder aber ob Gott der Grund dafür ist, daß es den Guten gut und den Bösen böse ergeht.

M.E. spricht vieles gehen die Vorstellung eines Tuns-Ergehens-zusmmenhang, isb daß diese Vorstellung zu säkularistisch ist, als daß sie schon in den Zeiten der Verfassung der Bibeltexte vertreten worden sein kann. Denn diese Vorstellung soll ja die Vorstellung, daß Gott bestrafe und belohne als zu „primitive“ überwinden. Gott gleiche eben einer Mutter, die ihrem Kinde rät, esse keine Süßigkeiten im Bett mehr nachdem du deine Zähne geputzt hast, damit du kein Zahnweh bekommst, das Zahnweh ist hier die Folge des Süssigkeitenessens im Bett, ohne daß danach nochmals die Zähne geputzt wurden und nicht einem Vater, der zu seinem Sohn sagt: Wenn du noch ein mal Kratzer an meinem neuen Auto verursachst, wird es eine empfindliche Taschengeldkürzung geben. Hier handelt es sich eindeutig um eine Strafe und somit nicht um eine immanente Folge eines Fehlverhaltens.

Aber das weisheitliche Denken konzentriert sich auf den Gedanken, daß wer gut lebt im moralischen Sinne, dem wird es auch gut ergehen. Der Grund dafür ist, daß Gott als Weisheit die Welt regiert in beachtlicher Spannung zu der Vorstellung, daß Gott als Schicksalsgeber regiert. Daß es gut ist, gemäß Gottes Willen, das ist das Gesetz Gottes und das fällt in eins mit der Vorstellung, weise zu leben, das soll eben ein durch die Lebenserfahrung beweisbare Aussage gelten. Verdächtig ist nun aber schon, daß dies Weisheitsbuch das so lehrt als wenn es doch nicht einfach so erfahren würde. Muß es so gelehrt werden, damit es dann erst so auch erfahren wird. Es sei an den klugen Ausspruch erinnert: Du siehst nur, was Du kennst! Auch wenn dieser Ausspruch von Reiseführern zur Kaufanimation vernutzt wird, steckt in ihm doch viel Wahrheit. Muß man also weise sein, um zu erkennen, daß es den guten Menschen gut geht oder gut gehen wird- das Futur verweist dann darauf, das das Gutgehen nicht sofort dem Guttuen folgt und schon gar nicht meint, daß damit gemeint ist, daß das Mirgutgehen das innere Gefühl ist, das entsteht, wenn ich das Gute tue- oder kann auch ohne weise Augen das Gutergehen wahrgenommen werden.

Vielleicht deutet sich somit hier schon eine erste Krise der Weisheit an, daß es den Guten zumindest dem Scheine nach nicht gut geht und den Bösen stattdessen gut ergeht. Aber ein Blick in das Buch Kohelet, auch Prediger Salomon genannt, und wir haben die Krise der Weisheit vor uns. Im heutigen Volksmunde tönt das so: Unkraut vergeht nicht, schlechten Menschen geht es immer gut, brave Mädchens kommen in den Himmel, die bösen überall hin= erreichen alles, nur nicht den Himmel, auf den sie aber gut verzichten können, weil sie hier auf Erden alles bekommen.

Den Bösen geht es auf Erden gut und die Guten leiden. Das ist der Realismus, der der Weisheit entgegengesetzt wird. Warum dann noch gut und weisheitlich leben, wenn es den Klugen und auf ihren eigen Vorteil Bedachten im Leben immer viel besser ergeht? Und Jesus selbst, die Mensch gewordene göttliche Weisheit (=das Wort) endete ja am Kreuz, verachtet von allen.

Die christliche Theologie respondiert diese Frage mit der Vorstellung vom Jenseits. Aus dem zaghaften Futur: „wird sein“ wird nun das Futur des Jenseits: Im Himmel wird Gott die Guten belohnen und in der Hölle wird Gott die Bösen bestrafen. (Es soll nun auf eine Näherbestimmung des Gut- und Böseseins verzichtet werden, da diese für die jetzige Erwägung nicht relevant ist.) Das Axiom des weisheitlichen Denkens, daß es den auf das Wort Gottes Hörenden gut und den Nichthörern nicht gut ergeht, wird nun so futurisiert und verjenseitigt, daß es nicht mehr ein Gegenstand unserer Erfahrung im Erdenleben sein kann. Ein besonders wirkmächtiger Grund für diese Verjenseitigung dürfte die Erfahrung des Märtyrertodes sein, daß fromme Juden, um nicht gegen das Gesetz Gottes zu verstoßen, sich lieber töten ließen. Gott könne diese Märtyrer um seines heiligen Gesetzes willen nicht dem Tode überlassen, denn Gott gab sein Gesetz zum Leben, als lebensdienliches und nun sterben Fromme um dieses Gesetzes willen. Daraus generierte sich dann der Glaube an eine Auferstehung der Märtyrer und dann auch der Gerechten zum ewigen Leben.

Damit wird aus dem Erfahrungswissen, denen die auf Gottes Wort hören, wird es auch gut ergehen im Leben die Glaubenswahrheit, daß es denen, die Gottes Wort annehmen futurisch jenseitig gut ergehen wird. Der Glaube wird so aus dem Raum der Erfahrung als Möglichkeit der Verifizierung des Geglaubten entnommen, ja die Lebenserfahrung kann jetzt geradezu zur Anfechtung werden: Unkraut vergeht nicht, nur die Guten, die leiden dagegen in der Welt.

War es das Anliegen der Weisheit den Glauben an das Gute der Gesetze Gottes mit der Erfahrung zu verifizieren, daß der Gesetzesgehorsam ein gutes Leben garantiere, weil der Gott, der diese Gesetze und Gebote gab, auch der Regierer ist, dann delegitimiert die Lebenserfahrung dies Vertrauen in das Leben. Die Futurisierung und Verjenseitigung ist nun aber nicht einfach nur eine Lösungsversuch für diese anfechtende Lebens-erfahrung sondern stellt auch eine qualitative Veränderung des Glaubens dar: Der Glaube wird so erst zum Glauben, weil er nun nicht mehr im Raume der Erfahrungen sich fundiert, sondern ein Vertrauen ist auf das, was nicht gesehen und erfahren werden sondern nur auf Gottes Wort hin geglaubt werden kann.

Spontan wird dem aber doch widersprochen werden müssen, wollen wir doch das Geglaubte durch unsere Erfahrungen irgendwie fundiert sehen. Das ist wirklich ein sehr verständlicher Einwand, ganz dem weisheitlichen Denken verpflichtet. Aber es ist zu fragen, das ist jetzt keine rhetorische Frage, ob so der Krise der Weisheit wirklich Rechnung getragen wird, ob so nicht zu viel von der Erfahrung verlangt wird. Hart formuliert: Blamiert sich nicht oft der Enthusiasmus frisch Bekehrter: Da übergab ich mich Jesus und mein ganzes Leben wurde wunderschön!, im Laufe der Zeit und führt zur Abkehr vom Glauben, weil es nicht bei diesem: Und dann war alles nur noch herrlich in meinem Leben!, bleibt? Gehört nicht zu einem lebensfähigen Glauben das Glaubenkönnen wider alle Erfahrung?





 

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