(Gott hat zu sein, wie wir ihn uns wünschen- oder wie er vernünftig zu denken ist)
„Universa propter semetipsum operatus est Dominus: impium quoque ad diem malum= Alles hat der Herr um seinetwillen gemacht, so auch den Gottlosen für den Tag des Unglücks.“ (Sprüche Salomons 16.4, Vulgata)
Ob „impium“ mit gottlos oder nicht eher mit unfromm zu übersetzen ist, ist schwer zu entscheiden; ich vermute, daß der Atheismus zu Zeiten der Entstehung dieses Weisheitsbuches kaum,oder noch gar nicht präsent war, wohl aber, daß zwar an Gott „geglaubt“ wurde, daß dann aber so gelebt wurde, als gäbe es den Gott nicht.
Wäre der Gottlose oder Unfromme noch dafür verantwortlich, wenn Gott ihn als Gottlosen oder Unfrommen erschaffen hätte? Das wäre zu verneinen, sodaß die Vorstellung, er sei für den Tag des Unglückes, den Tag des göttlichen Gerichtes bestimmt, absurd würde, wenn er gar nicht für seine Gottlosigkeit oder Unfrömmigkeit verantwortlich. Deshalb ist wohl so zu interpretieren: Gott wirkt, daß es auch Unfromme gibt für den Tag des Gerichtes, daß diese aber eigenverantwortlich für ihr Sosein sind. So wußte Gott, daß Adam und Eva der Verführung durch die Schlange erliegen werden, er erlaubte aber dem Teufel, im Paradiese so zu wirken und bewirkte so, daß diese Zwei der Versuchung erlagen- aber sie ließen sich verführen, das ist ihre Eigenaktivität.
Alles ist so von Gott her auf Gott selbst hin. Wenn dies A. Arndt (Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testamentes, mit dem Urtexte der Vulgata, 1903) so kommentiert: „Zu seiner Verherrlichung, um seine Eigenschaften zu offenbaren“ ist zu fragen, ob so das um Seinetwillen wirklich erfaßt wird.Er offenbart ja seine Eigenschaften nicht sich selbst, sondern anderen. Will er von anderen verherrlicht werden, damit er verherrlicht wird? Trotz dieses Fragezeichens besticht doch der Theozentrismus dieser Ausdeutung. Er müßte nur im Sinne dieser Aussage radicalisiert werden.
Ein Ansatz dafür könnte diese einfache Reflexion über das Kunstwerk bilden, in Anlehnung an Zizeks Subjektivitätstheorie wider den „gesunden Menschenverstand“. Ein Kunstwerk wird hervorgebracht. Dadurch entsteht die Vorstellung eines Künstlers als das Subjekt der Hervorbringung dieses Werkes als notwendige Voraussetzung des Kunstwerkes. Ein Künstler muß sein, damit dann von ihm das Kunstwerk produziert werden kann, aber dieser Künstler ist nicht vor dem Hervorbringen des Kunstwerkes, sondern er wird erst durch dies Werk zum Künstler. In der Reflexion über diesen Vorgang wird dann aber das durch das Kunstwerk mitgesetzten Künstler der Künstler als die Voraussetzung seines Werkes.
Es wäre so zu fragen, welche Bedeutung das von Gott Geschaffene für ihn selbst hat, wenn es nicht nur darum geht, daß das Werk den göttlichen Künstler rühmt. Wird etwa Gott erst durch das von ihm Gewirkte zu Gott, der eben das Nichtgöttliche voraussetzt, um in der Differenz dazu Gott zu sein? Wäre Gott ohne diese Differenz reine Unbestimmtheit, da jede Bestimmung eine Negation ist: Ein Mann ist nur ein Mann, weil er eine Nichtfrau ist.
Zur kopernikanischen Wende: Wie die Sonne nicht mehr um die Erde sich dreht, so dreht der Mensch in dem Kosmos sich nicht mehr um Gott. Er setzt sich selbst als das Zentrum, dem alles andere nur ist in seiner Relation zu ihm. Alles sind Objekte durch ihn als Subjekt. Er verobjektiviert alles. So wird nun auch Gott verobjektiviert durch das theologische Denken. Die kopernikanische Wende (nach Kant) bedeutet nun, daß nicht mehr die Gegenstände unser Denken über sie bestimmt sondern das unser Denken die Objekte bestimmt. Unser Denken produziert die Welt der Erscheinungen, wobei das, was erscheint dem Denken als „Ding an sich“ unzugänglich ist; unser Denken erkennt nur die von uns produzierten Objekte.
Es liegt nun nahe, hierin auch den Emergenzpunkt für eine kopernikanische Wende im Denken Gottes zu mutmaßen, daß nun unser Denken Gott hervorbringt, wie er gedacht werden muß, wenn vernünftig gedacht wird, und daß nun geglaubt wird, daß dieser so gedachte Gott auch ist. Er wird so gedacht, wie ihn die Vernunft hervorbringt. Dieser vernünftige Gott muß nun nach den Erfahrungen der innerchristlichen Religionskriege des 17.Jahrhundertes einer sein, der sich zu allen Confessionen des Christentumes gegenüber gleichgültig verhält, damit das Konfliktpotential zwischen den Confessionen abgebaut wird: Gott sind diese Differenzen gleichgültig, er will nur, daß der Mensch vernünftig sittlich lebt.
So ist Gott zu denken, das ist so der wahre Gott, der allen Gottesvorstellungen in den Religionen entgegenzustellen ist als Korrektiv. Der vernünftige Gott ist so das Produkt des menschlichen Denkens, der wahr sein soll, weil er der menschengemäße ist. Nicht wird so mehr gefragt, wie haben wir zu sein, damit wir gottgemäß sind, sondern Gott hat menschengemäß zu sein.
Praktiziert wird dies gern durch die Einführung des Begriffes des Gottesbildes, daß es eben diverse Gottesbilder gäbe und jeder das sich ihmgemäße aussuchen oder es selbst hervorbringen könne.
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