Mittwoch, 14. April 2021

Populäre Irrtümer in der Kirche: Die Bibel kenne keine dualistische Anthropologie


Ein beliebtes Narrativ, daß es im AT schon gar nicht und im NT auch nicht eine dualistische Anthropologie gäbe, die mit ihrer Unterscheidung von Fleisch, Körper und Seele und Geist sei nur später in der Kirche aus dem griechischen Kulturraum rezipiert worden- zum Schaden der Theologie. Ein ganzheitliches Menschenbild sei so eine Rückkehr zum eigentlich biblischen Denken. Liest man darauf den Psalm 16, 9f, könnte man sich bestätigt fühlen, vorausgesetzt man liest die „Einheitsübersetzung“:

Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele: auch mein Leib wird wohnen in Sicherheit.Denn du gibst mich nicht der Unterwelt preis,du läßt deinen Frommen das Grab nicht schauen.“

Petrus deutet diese Aussage christologisch, Apg 2,26f. Wie verhält sich nach dieser Übersetzung: „mein Leib“ zu dem „mich“, das die Verwesung nicht schauen wird, so in der Apg? Ist der Leib und das Ich identisch, daß ich wohnen werde in Ruhe und daß ich die Verwesung nicht schauen werde?

Ein Blick in den griechischen bzw Vulgatatext verschafft hier Klarheit: Der Leib ruht im Grabe, die Seele aber wird nicht verbleiben in der Unterwelt.

Das ist eine eindeutig dualistische Auffassung des Menschen. Dem korrelieren auch alle biblischen Aussagen über die postmortale Existenz des Menschen: In der Unterwelt existiert er weiter als Seele, das Todsein erleidend als sein Getrenntsein von Gott.

Du läßt den Frommen die Verwesung nicht schauen, impliziert, daß die Unfrommen ihre Verwesung sehr wohl schauen werden. Die Verwesung ist wohl in erster Linie auf den Leib im Grabe zu beziehen und nur in übertragenem Sinne auf die Seele. Zu fragen ist dabei aber, wie denn der Mensch als Verstorbener und Begrabener diese seine Verwesung sehen kann. Darauf gibt es nur eine mögliche Antwort: Die Seele, postmortal in der Unterwelt kann die Verwesung seines Körpers sehen und sich selbst als Geist in der Unterwelt wahrnehmen. Dies Sein in der Unterwelt wäre dann die Verwesung der Seele, ihr Abgetrenntsein vom Leben. Die Seele darf dann aber nicht als einfach genichtet vorgestellt werden, denn dann könnte sie als unfromme nicht die Verwesung seines Leibes noch den eigenen Zustand des Seins in der Unterwelt wahrnehmen: Sie muß also lebendig sein und nur so erleidet sie ihr Totsein als ihr eigenes Leid!

Ohne eine dualistische Anthropologie ist diese Ausage dieses Psalmes nicht verstehbar, ja die Unterweltvorstellung setzt notwendigerweise die Idee der unsterblichen Seele voraus, denn nur so kann eine postmortale Existenz des Menschen in der Unterwelt vorgestellt werden.

Die Einheitsübersetzung verdunkelt diese Wahrheit aber dadurch, daß wo sie mit „Seele“ übersetzen müßte mit Ich/mich übersetzt, vielleicht aus Rücksicht auf den Protestantismus, der weitestgehend die Lehre von der unsterblichen Seele verwirft, um ein modernes rein materialistisches Menschenverständnis zu präferieren.

 

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