Unter der Titelüberschrift: „Linksliberale sind weder links noch liberal“ der Internetseite „Freie Welt“ kann man diese Äußerung von Frau S. Wagenknecht lesen.:
»Was den Lifestyle-Linken in den Augen vieler Menschen und vor allem der weniger Begünstigten so unsympathisch macht, ist seine offensichtliche Neigung, seine Privilegien für persönliche Tugenden zu halten und seine Weltsicht und Lebensweise zum Inbegriff von Progressivität und Verantwortung zu verklären. Es ist die Selbstzufriedenheit des moralisch Überlegenen, die viele Lifestyle-Linke ausstrahlen, die allzu aufdringlich zur Schau gestellte Überzeugung, auf der Seite des Guten, des Rechts und der Vernunft zu stehen. Es ist die Überheblichkeit, mit der sie auf die Lebenswelt, die Nöte, ja sogar auf die Sprache jener Menschen hinabsehen, die nie eine Universität besuchen konnten, eher im kleinstädtischen Umfeld leben und die Zutaten für ihren Grillabend schon deshalb bei Aldi holen, weil das Geld bis zum Monatsende reichen muss. Und es ist der unverkennbare Mangel an Mitgefühl mit denen, die um ihr bisschen Wohlstand viel härter kämpfen müssen, so sie überhaupt welchen haben, und die vielleicht auch deshalb zuweilen härter oder grimmiger wirken und schlechter gelaunt sind.«
Besser ist der postmoderne Gutmensch linksliberaler Gesinnung nicht besser charakterisierbar, indem diese Haltung soziologisch erfaßt wird. Daß eine Ideologie eben auch einen Sitz im Leben hat, das übersieht eine ideengeschichtlich orientierte Kritik dieses Gutmenschentumes zu leicht. Nun soll hier keinem sozialen Determinismus das Wort geredet werden, aber unverkennbar existieren Zusammenhänge zwischen der sozialen Stellung und der Präferenz für bestimmte Ideologien.
Wagenknecht übersieht aber, daß die Linke in der Postmoderne ihre einstige Kapitalismuskritik, ihr einstiges Herzstück längst, seit der Nichtung des „Real existierenden Sozialismus“ ad acta gelegt hat und stattdessen sich auf die Kritik der bürgerlichen Kultur kapriziert. So ist diese Linke keine Linke mehr im traditionalistischen Sinne, der sich Frau Wagenknecht noch verpflichtet fühlt, sondern eine nicht mehr kapitalismuskritische. Sie ist nur noch antibürgerlich.
Das Verwirrende ist nun, daß die Subjekte dieser Kulturkritik selbst meist dem wohlhabenden Bildungsbürgertum entstammen. So erscheint diese Kritik auf den ersten Blick als Selbstkritik der eigenen Bürgerlichkeit. Aber die Realität ist verworrener. Das Bürgertum in seiner Absetzung von dem „gemeinen Volke“, früher die Arbeiterklasse genannt und ihre Neigung, den Adel in dem Rahmen der Möglichkeiten bürgerlicher Existenz nachzuahmen, muß in eine Krise geraten, wenn der Adel als Gegenüber, an dem sich der Bürger aber orientiert etwa im Ideal des „höflichen Menschen“, das ist des hoffähigen, sich aufgelöst hat und ob der allgemeinen Nivellierungstendenz die Differenz des Bürgertumes zum „gemeinen Volk“ verschwindet. Das Bürgertum als neues muß sich erst wieder konstituieren. Das ereignet sich nun durch diesen „linken Lifestyle“.
Eine Differenz muß gesetzt werden, durch die sich diese neue Bürgerlichkeit vom „gemeinen Mann“ wieder distinguieren kann. Der neue postmoderne Bürger versteht sich so kosmopolitisch, als Anhänger von Multikulti, verwirft den „Massenkonsum“ des „gemeinen Volkes“, konsumiert nur Erlesenes und nur von ihm Bezahlbares. Und im Namen der linksliberalen Moral wird der „gemeine Mann“ verachtet. Man reflektiere hierbei die Doppeldeutigkeit des Begriffes des „Gemeinen“ in der Zweideutigkeit von: allgemein, das allen Zukommende und dem moralischen Urteil: „Das ist gemein!“ Aus Sicht des Vornehmen ist der Durchschnittsmensch eben der „gemeine“ gerade im moralischen Sinne, denn nur der Vornehme ist ein Edler, ein Nichtgemeiner. Der Liberalismus war so immer sein Zweigesichtiges: In seinem Namen wurden die Privilegien des Adels und Klerus bekämpft und gleichzeitig die Vorrangstellung des Bürgertumes gegen das „gemeine Volk“ verteidigt.
Einfacher formuliert: Die Privilegien der Geburt sollten abgeschafft werden, die der Aristokratie und durch die Herrschaft des Geldes, der Plutokratie ersetzt werden. Die bürgerliche Gesellschaft ist so die Herrschaft des Geldaristokratie. Diese definiert nun ihren Lebensstil, den linksliberalen, um sich von jedem Popularismus abzusetzen. Denn alles Volkstümliche ist vulgär, nur das Elitäre zählt. Der Gutmensch weiß dabei genau, daß nur durch seine strikte Absonderung von allem Vulgären, Populären und Volkstümlichen er seine Reinheit bewahrt, daß er eben nicht mit Schmuddelkindern spielt. Darum sind ihm die Kontaktverbote das Wichtigste: mit wem man nicht reden , keine Gemeinschaft hegen darf. Es ist so nur konsequent, daß alle popularistischen Parteien so perhorresziert werden, denn als Gutmensch will man mit dem „gemeinen Volke“ keine Gemeinschaft unterhalten. Denn es gilt der Grundsatz: Alles ist nur etwas Bestimmtes durch seine Differenzen zu allem anderen.
Im politischen Gerede unserer Medienwelt ist diese Frau wirklich eine Erquickung, denn sie denkt nach und hat dann deshalb auch etwas Substantielles zu sagen.
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