Mittwoch, 2. März 2022

Lohnt Gott, straft er auch? Grundlegendes zum Aschermittwoch

(Oder über den Versuch, Gott völlig zu domestizieren)

Den fleißigen Schüler lobt der Lehrer, den faulen tadelt er“ – so lautete einer der ersten lateinischen Sätze, die ich als Lateinschüler ins Deutsche zu übersetzen hatte. Damit erlernten wir Schüler aber nicht nur die lateinische Sprache sondern auch das Grundprinzip jeder Pädagogik, wenn statt des Tadelns das weite Feld von dem Nichtloben bis zu dem Strafen hier eingezeichnet würde.

Zu den 5 „Grundwahrheiten unseres Glaubens“ zählt das offizielle Gesang- und Gebetsbuch der Diozöse München 1950 noch: (die 4.und 5):

Gott belohnt das Gute und bestraft das Böse.“

Ewige Seligkeit oder ewige Verdammnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele.“

Das göttliche Belohnen und Bestrafen fällt jetzt nicht einfach ineins mit dem göttlichen Endgericht, denn schon zu Lebzeiten belohnt und bestraft Gott. Oft provoziert diese Aussage die Einwendung, daß das wohl eine Vorstellung aus dem „Alten“ (eigentlich Veraltetem) Testament sei, aber Jesus habe uns doch von so einer Gottesvorstellung befreit: Der Gott der Liebe strafe und belohne nicht, denn er liebt uns alle, jeden Menschen.

Deshalb soll hier zu dieser Causa Jesus selbst das Wort gegeben. Er prophezeit der Stadt Jerusalem: „Es wird eine Zeit für dich kommen, in der deine Feinde rings um dich einen Wall aufwerfen,dich einschließen und von allen Seiten bedrängen. Sie werden dich und deine Kinder zerschmettern und keinen Stein auf dem anderen lassen; denn du hast die Zeit der Gnade nicht erkannt.“ Lk 19,42-44.

Wo das Auge eines Historikers nur eine militärische Begebenheit sieht, daß römische Truppen Jerusalem belagerten und dann eroberten und vernichten, selbst nicht davor zurückschrecken, jüdische Kinder zu töten, sieht Jesus etwas ganz anderes: Gottes Gericht über die Stadt Jerusalem. Denn Jerusalem hat seinen Erlöser, Jesus Christus nicht erkannt, ihn gar kreuzigen lassen und so erleiden sie nun das göttliche Strafgericht.

Die Bibel kennt aber nicht nur die durch Gottes Zorn Stadt Jerusalem sondern auch die Stadt Ninive, (Jona 3,1-10) Der Prophet Jonas hatte dieser Stadt Gottes Gericht über sie zu verkünden ob ihrer Sünden. Da die Stadt kollektiv von Gott gestraft werden sollte, müssen die Sünden, die Gott so bestrafen wollte, kollektive, öffentliche gewesen sein und nicht primär private. Tötete ich einen Menschen, dann wäre das meine Privatsünde, daß im letzten Jahr aber 100.000 Kinder im Mutterleibe getötet wurden, ist eine Kollektivsünde, weil diese Tötungen faktisch staatlich erlaubte sind und die Mehrheit der Staatsbürger das bejaht.

Nun passiert aber ein Wunder: Angesichts dieser Gerichtsankündigung wird in Ninive ein Bußfasten ausgerufen, die Sünden werden bereut und Gott bereute das angekündigte Gericht, er vergab der Stadt ihre Sünden. Hier wird uns eine Möglichkeit Gottes offenbart, die Generationen von Theologen verwirrte. (Ein von mir verfaßter Artikel wurde von einer theologischen Fachzeitschrift abgelehnt, weil darin ich explizierte, daß Gott wirklich etwas reuen könne!)Aber diese Geschichte der Bibel ist wirklich ernst gemeint: daß Got ob unserer Sünden uns zürnen kann, daß er aber, wenn wir Buße tuen, ein Bußfasten auf uns nehmen, sein Gericht nicht mehr vollzieht sondern uns begnadigt. Im Hintergrund steht das Symbol der Waage. Gerechtigkeit heißt, daß gemäß der Qualität eines menschlichen Werkes es von Gott belohnt oder bestraft wird. Das Maß der Belohnung und der Bestrafung entspricht dann dem Maß des Guten oder Bösen. Gerechtigkeit heißt Ausgewogenheit. Also der Schwere der Sünde entspricht die Schwere der Strafe. Nun wird man nicht annehmen können, daß das Bußfasten Ninives der Schwere ihrer Sünde entsprach. Es war also ein Akt der göttlichen Gnade, daß Gott das Bußfasten als hinreichend genügend beurteilt hat. Theologisch könnte aber auch geurteilt werden, daß Jesu Christi Kreuzesleiden dann ergänzte, was dem Bußakt Ninives an Schwere fehlte. Denn kein Mensch kann vor Gott gerecht sein, wenn ihm nicht das Kreuz Christi zu Gute käme.

Gott kann gerecht richten, so richtete er über die Stadt Jerusalem, er kann aber auch gnädig richten, so wie er mit der Stadt Ninive verfuhr. Gottes Reue benennt dann genau diesen Vorgang, daß Gott nicht mehr gerecht sondern gnädig urteilt, weil er den Beschluß, gerecht zu urteilen selbst revidierte. Gott allein in seiner vollkommenen Freiheit entscheidet nämlich, ob er gerecht oder gnädig urteilt. (Vgl dazu ausführlicher mein Buch:Der zensierte Gott)

Das Bußfasten setzt also die Erkenntnis meines Sündigen voraus, das Wissen, daß in den Augen Gottes die Sünde keine Bagatelle ist, daß er aber bereit ist, auf sein gerechtes Strafen zu verzichten, wenn wir für unsere Sünden büßen. Darum ist ein solches Fasten immer eines, in dem auf etwas dem Menschen Guttuendes verzichtet wird, er straft sich damit als Zeichen seiner Anerkennung, eine göttliche Strafe verdient zu haben. So fastet ein Raucher nicht, wenn er sagt, eigentlich sollte ich nicht rauchen, weil das meiner Gesundheit schadet, aber dann will ich wenigstens 40 Tage nicht rauchen, wenn ich sonst schon nicht darauf verzichten kann.

Aber so ernst wird Gott in der nachkonziliaren Kirche nicht mehr genommen. Gott sagt ja zu jedem Sünder: „Dich hab ich lieb“ und drum ist jede Buße völlig überflüssig. Gott straft ja nicht mehr, er belohnt aber auch nicht mehr. Nur ein Problem gibt es mit diesem Gott: Er ist nicht der Gott Jesu Christi, nicht der Gott, wie ihn die Kirche lehrt sondern ein rein erphantasierter Gott liberaler Theologie. Das ist so, als wenn einem Schaf ein Wolf begegnet und das Schaf im Namen der Aufklärung erklärt: Lieber Wolf, Du bist ein Vegetarier! Wird das ihm der Wolf glauben?



 

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