Donnerstag, 31. März 2022

Christentum: eigentlich ist da doch alles klar, gäbe es keine dogmatische Kirche und keinen so unbegreiflichen Gott!

(oder was tun, wenn wir in der Bibel lesen, was wir nicht lesen wollen)



Eigentlich ist der christliche Glaube das Simpelste der Welt, gäbe es keine dogmatisch lehrende Kirche: Es gibt da einen Gott, der uns alle, alle Menschen also liebe (die Tiere und die Natur auch), der dann aber in allen Religionen verkannt wurde, indem Priester und Dogmatiker ihn in einen zornigen und die Sünder strafenden Gott verwandelten, der nur ihnen ein Geheimwissen über das Wie der Versöhnbarkeit Gottes vermittelt hätte, womit sie ihre Herrschaftsansprüche legitimierten. Aber dann kam Jesus und er klärte dann uns alle auf über die bedingungslose Liebe Gottes: Gott ist die Alles - und Jedenliebe, aber dann kam die Kirche und verfälschte alles, errichtete wieder eine Klerikerherrschaft, die mit erdichteten Dogmen und Morallehren die Gläubigen maltraitierten und unterjochten.

Dabei ist Gott doch nur eines, die Liebe zu allen Menschen und allen Tieren und der Aufruf, nun auch alle zu lieben, die Gott liebt. Aber was nun, wenn in dem Basistext dieser „Gott hat uns doch alle lieb“ Religion Texte stehen, die bei auch unter Zurhilfenahme von gewaltsamster Exegese nicht mit dieser lieben Vorstellung in Einklang zu bringen sind, Texte, die aber auch Hörwillige, was will uns hier der Herr sagen, in größte Verlegenheit bringen?

Exemplarisch dafür sei hier die Antwort Jesu angezeigt auf die Anfrage seiner Schüler, warum er denn in Gleichnissen lehre. (Mt 13,10-17) Erwartet hätte doch jeder Bibelleser eine pädagogisch fundierte Antwort Jesu, daß irgendwie die Menschen so seine Botschaft besser, leichter verstünden, daß er eben nicht primär zu den Gebildeten und Gelehrten seiner Zeit ausgesandt worden sei, sondern zum einfachen und armen Volke und die verstünden dann eben Gleichnisse besser als wenn er dogmatische Lehrvorträge hielte. Er lehre eben volkstümlich anschaulich, aber natürlich nicht popularistisch! (Daß zu Zeiten Jesu Gleichnisse im Regelfall allegorisch ausgelegt rezipiert wurden, so legt ja Jesus selbst vorbildlich sein Gleichnis vom Sämann (13,18-23) aus, will zwar nicht recht in dies volksschulpädagogische Verständnis der Gleichnisse passen, denn die Allegorese ist keine simple Auslegungsmethode, aber das kann dann ja wegexegetisiert werden: Diese Auslegungsart stamme nicht von Jesus sondern von urchristlichen Theologen, die eben halt alles von berufswegen verkomplifizieren müssen.

Aber was sagt denn nun Jesus selbst über seine Vorliebe zu Gleichnissen aus?

Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreiches zu erkennen, ihnen aber ist es nicht gegeben.“ (13,11) „Euch“ uud „ihnen“,dieser Dualismus bildet das Zentrum Jesu Gleichnisverständnis. Er fungiert hier als Lehrer, sodaß das Ziel das Erkennen der Geheimnisse des Reich Gottes ist. Was ein Geheimnis ist, soll erkannt werden. Aber von wem? Von seinen Schülern! Die Anderen sollen es nicht erkennen. Die Erkenntnis ist eine Gabe Gottes, das meint hier das Verb: gegeben. Durch die Gleichnisse Jesu wird also die Erkenntnis dieser Geheimnisse vermittelt, aber nur an seine Schüler. Über die Anderen urteilt der göttliche Lehrer nämlich so:

Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen.“ (13,13). „Man sieht nur, was man kennt“ so warb ein Reiseführer für sich. Brillant: Unter dem „Sehen“ ist dann hier ein „Wahrnehmen“ gemeint, es also erkennen. Das kann nur der, der in dem Gesehenen etwas recogniziert, was er kennt: Das da, was ich sehe, das ist ein Auto. Kennte ich nicht den Begriff des Autos, könnte ich in einem nicht ein Auto, einen Fall des Autoseins erkennen, also den Begriff des Autos in diesem Einzelfall wiedererkennen. Ist das hier so von Jesus gemeint? Warum können die Anderen nicht sehen und hören, was sie sehen und hören? Sehen und dann doch nicht Sehen bezeichnet hier die Differenz von Sehen und Wahrnehmen, das Gesehene also zu erkennen. Warum erkennen die Anderen nicht?

Zwei Aussagen bekommen wir hierzu zu lesen: „ Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden“. (V 15) Aber im Griechischen steht hier eine Passivform, so müßte übersetzt werden: „ist hart gemacht worden“. Die Vulgata liest: „Incrassum est“ gibt so das Passiv gut wieder, aber Arndt übersetzt dann in seiner Vulgataausgabe, (1903) mit: „ist verstockt“. Die Passivform ist hier nämlich ein Skandal, denn es ist klar, daß hier Gott als das Subjekt des Hartmachens ins Blickfeld gerät. So wie Gott die Erkenntnis der Geheimnisse den Einen gibt, so verstockt er die Anderen, damit sie nicht die Geheimnisse erkennen.

Die zweite Aussage lautet nun: „denn ihre Augen haben sie geschlossen“. (V.15)Hier sind die Anderen aktiv, sie verschließen sich der Wahrheit, der Erkenntnisse der Geheimnisse.

So stellt uns dieser Text vor die Paradoxie, daß das Nichtverstehen der Anderen zugleich das Produkt des Verstockens durch Gott und das des Sichverschließens der Anderen ist. Diese Paradoxie kann nur entschlüsselt werden durch den theologischen Grundsatz, daß Gott im Menschen nie ohne ein Mitwirken des Menschen wirkt.Gott verstockt und der freie Wille des Menschen billigt dem zu, daß er verstockt wird – so wie zu jeder Verführung auch ein Sichverführenlassen konstitutiv dazugehört.

Und wozu? Hier stellt uns diese Gleichnistheorie Jesu vor das größte Problem: „damit sie nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.“ (V15) Das Futur im Griechischen, daß ich sie heilen werde, wird bei dieser Übersetzung nicht beachtet und damit auch nicht die eschatologische Ausrichtung.Wenn also die Anderen die Geheimnisse erkannt hätten, sich darauf bekehrt hätten, dann würde Gott sie heilen. Die eschatologische Rettung macht Gott also abhängig von der Erkenntnis der Geheimnisse und der daraus entspringenden Umkehr. Das „Damit“ bezeichnet nun den Zweck.

Diese Aussage ist nun polyinterpretabel: Es könnte gemeint sein: Die Anderen wollen die Gleichnisse nicht verstehen, denn verstünden sie sie,müßten sie erkennen, daß sie umkehren müssen, wenn sie von Gott gerettet werden wollen. Sie verstünden so anfänglich die Gleichnisse, erkannten dann aber, daß sie nun umzukehren haben und da sie das nicht wollen, verkennen sie das schon Erkannte wieder und erkennen so die Gleichnisse nicht mehr, wohl in der Meinung, so trotzdem in das Himmelreich eingehen zu dürfen. Der Wille wird dabei als die Größe erfaßt, die bestimmt, was ein Mensch als wahr erkennt: Was ich nicht als wahr ansehen möchte, erkenne ich auch nicht.

Es könnte aber auch so gemeint sein: Gott will nicht, daß die Anderen gerettet werden und darum verstockt er sie, sodaß sie nicht erkennen und dann auch nicht umkehren.Diese Interpretation ist vom Text her nicht auszuschließen, ja die Aussage, damit ich sie dann nicht heilen werde läßt den Leser eher die zweite Interpretation präferieren. Gut salomonisch wäre es nun, beide als angemessen zu beurteilen.

Aber wie soll nun diese Gottesvorstellung in einen Einklang zu bringen sein mit unserer vom Nur-lieb-Gott?

Ergo: Das größte Problem für das theologische Denken ist so Gott selbst, weil er immer noch anders ist, als wir ihn denken möchten. Mit dieser Erkenntnis konfrontiert uns hier der göttliche Lehrer- auf daß wir seine gelehrigen Schüler werden. Das heißt aber auch, daß nicht das dogmatische Denken der Kirche den so einfachen Gott verkomplifiziert, sondern daß dies Denken Gott gerecht wird, indem es uns seine Komplexität vor Augen führt im Wissen darum, daß Gott selbst noch viel komplexer ist als unser Erkenntnisse von ihm.

 

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