Irritationen: Ist die Wahrheit erst am Ende erkennbar? Glauben wir nur hoffend?
„Hahaha,der Teufel ist mein Genosse;er ist oft mächtiger als dieser Gott,vor dem sich Tausende fürchten, ohne daß sie sagen können,daß er auch wirklich existirt“. So spricht ein Protagonist des Romanes: „Waldröschen“, als er sieht, daß all seine Machinationen gelingen und so das Böse übe das Gute siegt. (Karl May, Waldröschen, Erster Band,historisch-kritische Ausgabe S.201) Erst im 6.Band dieser großen Erzählung wird dieser Protagonist widerlegt werden, bis dahin kann nur an den Sieg des Guten geglaubt werden.
Und damit ist tatsächlich ein theologisches Problem angeschnitten: An der Existenz des christlichen Gottes könne gezweifelt werden, aber nicht an der des Teufels. Denn dieser beweise seine Macht in der Welt, an die des guten Gottes müsse dagegen geglaubt werden und so könne seine Existenz auch bestritten werden. Wenn die klassische Theologie, ausgehend von der paulinischen Lehre der natürlichen Gotteserkenntnis des Römerbriefes die Möglichkeiten und Grenzen der natürlichen Gotteserkenntnis expliziert, wird hier dem Leser eine natürliche Satanserkenntnis zugemutet. Daß der Teufel die Welt regiere, das ließe sich leicht erkennen an den Erfolgen der bösen Menschen, denn darin erweise der Teufel seine Macht. Ja, diese Macht scheint sogar größer zu sein als die Gottes, ja vielleicht zeigt das gar an, daß dieser Gott gar nicht existiere.
In diesem Roman spielt Gott und der Glaube an ihn, aber auch der Teufel eine große Rolle. Dr. Sternau weiß als Arzt, daß ihm, obgleich er ein exzellenter Arzt ist, eine Operation nur gelingt, wenn er Gott um seinen Beistand bittet. Uns wird aber auch eine Stiftsdame vorgeführt, die in die niederträchtigsten Machenschaften verstrickt ist, ja selbst dem Mittel des Mordes zustimmt, um ihren Plan, ihren unehelichen Sohn als Grafensohn und Alleinerben auszugeben, um so zu großem Reichtum zu kommen,durchzuführen permanent Gott anruft, der den „Seinen“ beisteht in ihren Plänen. Gott wird hier so von 2 sich diametral Entgegengesetzten als ihr Gott angerufen und dann ist da noch dies Bekenntnis zur Macht des Teufels. Daß am Ende dieser Großerzählung dann der Gott Jesu Christi sich als der wahre und allmächtige Gott erweist, das wird heutzutage den Romanen Karl Mays als Kitsch vorgeworfen, als wäre es für uns Heutigen tatsächlich evident, daß das Böse die Übermacht über das Gute besitzt.
Solange dem kontemplativen Denken die Natur und der Kosmos als das schön und gut geordnete erschien, konnte sich der Gedanke an einen guten Kreator und Erhalter und Regierer dieser Welt einer beachtlichen Evidenz erfreuen. Wenn aber das Auge aufgeklärt durch den Darwinismus nur noch eine Naturwelt des Überlebenskampfes sieht, in der die Stärkeren die Schwächeren fressen und auch die menschliche Gesellschaft so zu funktionieren scheint, da verliert dieser Gedanke seine Evidenz.
Entweder regiert überhaupt kein Gott die Welt und wenn einer, dann müßte es ein Satan sein. Dies Problem ist nicht einfach vom Tisch zu wischen. Das Urchristentum sah sich vor einem ähnlichen Problem gestellt in ihrer Auseinandersetzung mit der Gnosis. Ist die Welt an sich das Schlechte, von einem daimonischen Gott erschaffen oder ist sie als gut erschaffende nur durch den Sündenfall zu einer schlechten geworden.
Man muß wohl urteilen, daß solange der Roman der Menschheitsgeschichte noch nicht zu Ende geschrieben worden sein wird, der Glaube an den guten Gott, der die Welt gut regiert,immer nur ein Glaube und kein Erkennen sein kann. Ist das Böse in der Welt nicht mächtiger als das Gute, diese Anfrage löst auch dieser Karl May Roman nur durch die Erzählung vom guten Ende, bis dahin kann nur geglaubt werden. Das kann vordem nicht erkannt werden.
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