Gehen wir unter, wenn sich die Fundamente Europas auflösen?
„Gewalt reicht nicht, um eine Zivilisation zu zerstören.Jede Zivilisation stirbt an der Gleichgültigkeit gegenüber der ihr eigentümlichen Werten,die sie begründen.“
So urteilt Nicolas Gomez Davila. (Es genügt,dass die Schönheit unseren Überdruss streift...Aphorismen, 2017, S.73) Zwei kleinere Korrekturen erlaube ich mir, die den Gehalt des Ausgesagten dann besser zum Ausdruck bringen. Die uns geläufige Unterscheidung von dem Begriff der Zivilsation von dem der Kultur ist außerhalb Deutschlands wenig bekannt, so daß man dort von einer Zivilisation spricht, wo der Begriff der Kultur angemessener wäre. Unter der Zivilsation möchte ich die Organisation der Naturbeherrschung verstehen, unter der Kultur das geistlich-geistige Leben. Werte, fundierende kann es so nur im Raume der Kultur geben, die Zivlisation ist durch ihre Zweckrationalität bestimmt.
Meine These: Wo von den eine Kultur fundierenden Werten geschrieben wird, da befindet sich eine Kultur schon in ihrem Verfall. Denn dann löst sich die sie fundierende Religion oder Weltanschauung schon auf und es verbleiben nur noch Werte als Trümmerstücke des einstigen Fundamentes.
Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Parteiengeschichte Deutschlands. Die SPD war bis zum Godesberger Parteitag offiziell eine Weltanschauungspartei, die des Marxismus. Dann reduzierte sie ihre Weltanschauung auf ein paar Grundwerte, die so unbestimmt sind, daß man diese Partei kaum noch von der CDU unterscheiden kann,die ebenso ihr christliches Fundament auf Werte reduzierte, christliche, denen, wie ich vor einiger Zeit irritiert feststellte, auch Muslime zustimmen könnten.laut dieser Partei. Vielleicht auch Atheisten?
Das Abendland lebte aus seinem christlichen Fundament. Am überzeugendsten und schönsten stellt das Novalis in seiner Schrift: „Christentum oder Europa“ dar. Wer von einem „Untergang des Abendlandes“ schreibt, meint somit immer zuerst das Verlöschen der Lebenskraft der christlichen Religion in Europa. Das Ende der „Konstantinischen Epoche“ mit der Nichtung der drei christlichen Kaisertümer, des zaristischen Rußlands und des Endes der Monarchien Österreichs und Deutschlands, kann wohl als das Ende des christlichen Europas angesehen werden. Jetzt verwandelte sich das Christentum zu einer Religion in Europa, wohingegen nun Ideologien den Kampf um die Vorherrschaft in Europa eröffneten: Der Liberalismus/Conservatismus und der Sozialismus/Kommunismus und der Faschismus/Nationalsozialismus. Sehr erörterungsbedürftig ist dabei die Frage, inwieweit Elemente der christlichen Religion in diesen politischen Ideologien weitergelebt haben, ja ob es diese ohne die entkräftete christliche Religion überhaupt hätte geben können.
Nach dem Endsieg über den „Real existierenden Sozialismus“ ist aber der Liberalismus zwischen einem mehr conservativen oder sozialliberalen Flügel sich ausdehnend die uns bestimmende Ideologie. (Ich unterscheide zwischen einer Weltanschauung und ihrer reflektierten Gestalt als einer Ideologie.) Ist so Europa am Untergehen, weil es sich entchristlicht oder überlebt es basierend auf dem Fundament der liberalen Weltanschauung?
Nur ein Prophet kann diese Frage letztlich respondieren. Aber einiges fällt doch auf: Die Herrschaft der „Politischen Korrektheit“ in Westeuropa, Osteuropa ist dem noch nicht völlig unterworfen, wie Ungarn beweist, aber auch Polen, ist genau genommen mit dem Liberalismus nicht kompatibel. Der Liberalismus, jetzt als Sieger sich proklamierend, man denke an die Parole vom Ende der Geschichte, traut selbst nicht mehr auf seine Kraft, er wird illiliberal, um seine Herrschaft abzusichern. Auch die Coronapolitik der Regierenden Europas ist eine klare Absage an dem Liberalismus gewesen. Glaubt der Liberalismus nicht mehr an sich selbst nach seinem Sieg 1989ff?
Und was bleibt jetzt noch von dem Fundament des einstigen Abendlandes, der christlichen Religion? Fragen wir einfach: Lebt die christliche Religion noch im einstigen Abendland, im jetzigen Westeuropa, das sich gern in dieser Tradition sah als die Antithese zum atheistischen Osten? Die Lage ist sehr unübersichtlich, aber der Trend einer sich beschleuniegenden Entchristlichung ist leider unverkennbar. Zwei große Katastrophen erwirkten diese Entchristlichung: a) die Reformation mit ihrer Folge der innerchristlichen Religionskriege und b) die Französische Revolution als der Kampfansage an das christliche Europa. Der Revolutionär Robespiere hatte ja versucht, die christliche Religion durch die kultische Verehrung der Vernunft zu ersetzen.
Ein Prophet bin ich nicht, so kann ich nicht sagen, ob wir noch auf eine Revitalisierung der christlichen Religion hoffen dürfen, es könnte auch sein, daß zumindest Westeuropa ein für die Kirche verlorener Kontinent werden könnte. Dafür spricht die schleichende Selbstsäkularisierung der Kirche in Westeuropa! In Osteuropa scheint es nicht ganz so negativ auszusehen, denkt man an den lebendigen Katholizismus Polens oder an die erstarkende Russisch-Orthodoxe Kirche.
Und das Gebet? Ja, wir dürfen und müssen Gott bitten, aber Gott kann auch unsere Gebete unerhört lassen.
Zusatz:
Kann eine Gesellschaft ohne eine Kultur existieren, wenn sie etwa alles auf das rein Ökonomomische reduzierte, alles zur käuflichen Ware degradierte?
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