Montag, 8. August 2022

"Eine Gesellschaft ohne Gott ist nicht denkbar, weil sie im Chaos versinken wird"

Eine Gesellschaft ohne Gott ist nicht denkbar,weil sie im Chaos versinken wird.“


So wird in einer Artikelüberschrift (Kath net vom 5.8.2022) Prof M. Münch zitiert sicher in der Vermutung, daß diese Aussage in der Leserschaft spontan auf eine breite Zustimmung stoßen wird. Aber was meint denn diese so zustimmungswürdige Äußerung überhaupt? Wer nun den Artikel daraufhin durchliest, muß irritiert feststellen, daß die Unklarheit dieser Behauptung durch den Text nicht behoben wird. Da nun aber diese Behauptung so gut klingt zumindest in den Ohren christlicher Leser, soll sie nun auch hier versuchsweise erörtert werden.

Was wird durch das „ohne Gott“ denn negiert? Entweder, daß es mehr als einen Gott geben könnte: Wenn es viele Götter gäbe, würde eine Gesellschaft im Chaos versinken oder daß wenn es keinen Gott gibt, daß dann eine Gesellschaft im Chaos versinken wird.

Nun kann aber das „Eine Gesellschaft ohne Gott“ auch verstanden werden als eine ohne den Glauben an einen Gott. Eine religionslose Gesellschaft würde also im Chaos versinken. Oder meint es, daß eine Gesellschaft, nur wenn in ihr christlich, gar katholisch geglaubt wird, nicht im Chaos versinken wird?

Gesetz den Fall, daß es viele Götter gäbe, warum sollte dann eine oder gar alle Gesellschaften im Chaos versinken? Da es viele Kulturen gab und gibt, die polytheistisch geprägt sind, etwa die griechische und die römische, aber auch die Kultur unserer Vorfahren, leuchtet diese Behauptung nicht ein. Indien ist so bis heute nicht an seinem hinduistischen Polytheismus zugrunde gegangen. Aber dieser Einwand sticht nicht, denn daß Faktum polytheistischer Religionen beweist ja noch nicht, daß es auch realiter viele Götter gibt. Wenn es realiter viele Götter gäbe, wenn diese dann nicht in Eintracht miteinander lebten, liegt es nahe, daß die Welt, in der sie hineinregieren durch ihren Kampf widereinander ins Chaos gestürzt würde.Ein relativer Dualismus, daß der Kosmos durch zwei Götter bestimmt wird, daß aber der Antigott als Teufel etwa dem Gott subordiniert ist, kann die innerweltlichen Konflikte aus dieser Dualität heraus erklären und begründen, warum schlußendlich doch der gute Gott der Herr ist, der dann alles zu einem guten Ende führen kann, daß also der Krieg nicht das letzte Wort sein wird.

Wenn es nun keinen Gott gibt, warum versinken dann die menschlichen Gesellschaften im Chaos? Diese Frage darf nun nicht verwechselt werden mit der, ob Gesellschaften ohne einen Glauben an einen oder viele Götter zu grundegingen. Könnte begründet werden, daß keine menschliche Gesellschaft lebensfähig wäre, wenn es nicht einen Gott gibt, dann wäre das ein überzeugender Gottesbeweis, da ja bisher die menschliche Gesellschaft bei all ihren Wandlungen sich als überlebensfähig erwies und daß die Menschheit bis jetzt nicht im Chaos versunken ist. Ist alles, was ist und besonders die Gesellschaften nur, weil Gott ist? Wie könnte dieser Beweis erbracht werden?

Versinkt eine Gesellschaft nur dann nicht, wenn in ihr an einen Gott geglaubt wird? Der erste Einwand: Gott als der Schöpfer ist auch der Erhalter des von ihm Erschaffenen. So kann Gott auch Gesellschaften erhalten, wenn sie ohne eine Religion sind.Der zweite Einwand: Gott regiert die Welt durch das Schwert des Staates. Allein ob der Ordnung des Staates willen kann eine Gesellschaft so nicht im Chaos völlig versinken. Das könnte nur geschehen, wenn die Ordnung des Staates völlig vernichtet würde.Da die staatliche Ordnung nur von Gott her ist, kann es eine völlige Negation der Ordnung des Staates nicht geben.Wie der Mensch, trotz seines Sündigens nie aufhört, ein Geschöpf Gottes zu sein, so kann auch der Staat nie so vollkommen sich pervertieren, daß er aufhört, das Schwert Gottes zu sein.

Faktisch regiert Gott aber immer durch seine 2 von ihm eingesetzten Gewalten, dem geistlichen Schwert der Kirche und dem weltlichen des Staates.Ob dieses Doppelregimentes kann eigentlich Gottes Welt, auch die der menschlichen Gesellschaften nicht im Chaos versinken.In diesem Punkte ist nämlich zuerst auf die Treue Gottes zu seinen Geschöpfen zu hoffen und nicht primär auf das Vermögen von uns Menschen, in und durch die wahre Religion die Welt vor einem Versinken in ein Chaos zu conservieren.


Aber die Frage könnte nun auch noch ganz anders respondiert werden. Der heilige Pater Pio lehrte: „Viel eher könnte die Welt ohne Sonne bestehen als ohne die heilige Messe.“ (zitiert nach: A.M. Weigel, Gebetsschatz, 2000, S.447) Gäbe es keine Sonne mehr, würde alles Leben auf der Erde vernichtet werden! Gilt das so auch für die heilige Messe? Eine Antwort darauf könnte in der Sintflutgeschichte gefunden werden. Sie gibt nämlich eine für uns Heutige mehr als irritierende Antwort auf die Frage, warum wird für Gott der Opferkult durchgeführt? Gott kann es reuen, daß er den Menschen, gar die ganze Welt erschaffen hat, aber wenn es keine Menschen mehr gäbe, gäbe es auch keine ihm mehr dargebrachten Opfer. Damit die es immer für ihn gibt, verzichtet Gott darauf, seine Schöpfung noch einmal zu vernichten. Das ist eine der provokanntesten Aussagen des Alten Testamentes, in der diese Sintfluterzählung die Aufgabe hat, grundsätzlich zu klären, warum es denn überhaupt einen Opferkult in Israel gibt und geben soll. Es ist eben ein Vermögen der Kultur, sich als scheinbar Selbstverständliches in Frage zu stellen, weil die Kultur nichts Naturnotwendiges ist. Wurde das Selbstverständliche der Kultopferpraxis erst einmal nicht mehr als selbstverständlich angesehen, bedarf es einer theologischen Letztbegründung für diese Praxis. Das soll diese Sintflutgeschichte leisten.

Sicher denkt kein Leser dieser Überschrift an diese Ausdeutung, daß die menschliche Gesellschaft durch Gott selbst ins Chaos geführt werden könnte, wenn er in ihr nicht mehr angemessen verehrt wird, aber beruht die Selbstverständlichkeit, mit der diese Deutung reprobiert wird, nicht auf ein sehr verkürztes Gottesverständnis, daß Gott eben nur lieb und nett und kein heiliger Gott ist? Sollte vielleicht Pater Pio mehr recht haben als wir Heutigen mit unserem komoden Gott?



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