Spurensuche – ob Gott uns abhanden kam und wiederauffindbar ist?
Eine übliche Szene aus einem Liebesfilm: ein Auffahrunfall. Eine junge Autofahrerin steigt geschockt aus ihrem Auto, just neu gekauft und jetzt das: hinten, alles kaputt und ein ebenso geschockter Mann, aus dem Auffahrunfall entstiegen: „Wie konnte ich nur so unaufmerksam?“ Ist diese Szene eine in einem Liebesfilm, erahnt der Aufmerksame, daß hier zwei Menschen aufeinandergestoßen sind, die dann im Laufe des Filmes zueinander finden, um am Ende verliebt ineinander zueinander „Ja“ sagen.
Anfämglich ist dieser Unfall beiden ein zufälliges Ereignis des Straßenverkehres; ein Statisker könnte gar die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verkehrsunfalles auf 1000 gefahrene Kilometer errechnen. Aber im Empfinden der Beteiligten kann nun ein anderer Eindruck entstehen, daß dies Ereignis etwas Schicksalhaftes innewohnt, die Vorstellung, daß diesem doch so unangenehmen Ereignis ein Sinn, eine Bedeutung innewohnt, die beiden zwar verschlossen ist, aber doch erahnt wird. Sollte dieser Unfall etwa so geschehen? Am Ende des Filmes können die beiden retour schauend urteilen: Wenn dieser Unfall nicht geschehen wäre, wir hätten nicht zueinander finden können. Dieser Un-fall war ein Glücks-fall für uns. Ist er geschehen, damit wir so zueinander finden konnten? Jetzt erscheint das kontingente Ereignis als ein gesolltes, das seinen Sinn hatte, den zwei füreinander Bestimmte zueinander zu führen.
Einige Fragen evoziert das nun. Der Gedanke eines Schicksales setzt die Vorstellung eines oder mehrere Subjekte voraus, die dies so bestimmt haben. Ein Schicksalsgott habe das so verhängt. Wenn von etwas Schicksalhaftem geredet wird, setzt das notwendig den Glauben an einen Schicksalsgeber voraus, oder kann ein Ereignis als schicksalhaft empfunden werden, wobei dann erst in einer sekundären Reflexion die Frage nach dem Geber des Schicksales aufgeworfen wird? Lßt iegt dem Denken eine innere Geneigtheit inne, daß, wenn Ereignisse nur als zufällige wahrgenommen werden, dies als eine defizitäre Wahrnehmung beurteilt wird? Ein Apfel fällt vom Baum, eine Feder schwebt zu Boden: Sind das alles zufällige Ereignisse, so daß der Apfel auch hätte schweben und die Feder hätte fallen können? Jedes wissenschaftliche Denken sucht nach den Gesetzmäßigkeiten in diesen scheinbar nur Zufälligen. Erst in der Erkenntnis, warum Äpfel vom Baume fallen und losgelassene Federn schweben, findet das Denken seine Ruhe, vordem herrscht die Unruhe, das Ereignis noch nicht begriffen zu haben.Dem als rein kontingent sich Ereignenden fehlt irgendwie etwas, als wenn so unser Wahrnehmen die Wahrheit dieses Ereignisses noch nicht erfaßt hätte.
Der Begriff des Schicksales überwindet so dies Defizit, daß da eben doch etwas anderes sich ereignet hat als bloß ein zufälliges Geschehenes. Aber der Sinn, die Bedeutung des Geschenes bleibt dem Nachdenken verborgen, aber es insistiert dies Nachdenken, daß dem Geschehenen ein Sinn verborgen innewohnt. In dem Liebesfilm erschließt sich der Sinn dieses Unfalles vom Filmende her: Sie sollten zueinander finden und darum ereignete sich dieser Unfall.
Könnte nun nicht theologisch reflektiert Gott selbst als der Geber des Schicksales gedacht werden? Am Anfang stünde dann ein Unbehagen, ein Ungenügen, bestimmte Ereignisse nur als bloß rein Zufällige anzusehen. In dem steckt mehr, ein Verborgenes. In diesem Überwinden des als rein zufällig sich ereignet Habenden, das so zuvörderst empfunden wird, negiert sich unser unmittelbares Wahrnehmen, indem es da etwas Gesolltes und Sinnhaftes erahnt. Wird aus diesem Erahnen die Erkenntnis des Sinnes, wird das Schicksalhafte selbst wieder negiert, denn ein erkanntes Schicksal ist kein Schicksal mehr, weil nun das im Schicksalhaftem Verborgene gelichtet ist in dieser Erkenntnis.
Als Christen leben wir noch nicht im Schauen,sondern im Glauben und dahinein gehört auch der Begriff des Schicksales. In ihm transformieren sich kontingente Ereignisse zu gesollten und sinnvollen Geschehnissen. Es scheint dem Denken zu eigen zu sein, nicht bei der Feststellung kontingenter Ereignisse stehen bleiben zu wollen, sondern nach einem Sinn, einer Bedeutung dieser Ereignisse zu forschen. Der Begriff des Schicksales wäre dann ein Tor zur Gotteserkenntnis, daß er der Geber und Verhänger des Schicksalhaften ist. Denn das Nachdenken über etwas Schicksalhaftes bringt aus sich heraus die Frage nach dem Urheber des Schicksales.
Theologisch ist die Frage des Schicksales die nach dem Wie des Regierens Gottes. Gott regiert die Welt und so verhängt er auch Menschen ihre Schicksale. Das darf nun nicht so interpretiert werden, als verlösche Gottes Regieren die Freiheit des Menschen, denn ohne die Freiheit wäre der Mensch kein Mensch. Der Schicksalbegriff hält so an beiden Wahrheiten fest, daß etwa es die Bestimmung Judas Ischariot war, Jesus Christus zu verraten und daß er es doch freiwillig tat. Diese Paradoxie zu durchdenken, ist sicher eine der großen Aufgaben der Theologie. Damit wird einsichtig, wie sehr der Begriff des Schicksales ein theologischer ist, der aber auch im Nachdenken über als gewichtig empfundene Ereignisse sich herausbildet, um das Defizitäre, das Ereignis als bloß zufällig anzusehen, zu überwinden. (Vgl dazu: Den Artikel zum Schicksal auf der Internetseite:klauskunze com blog plus die 6 Kommentare)
1.Zusatz:
Nur wenn es keinen Gott gäbe, könnte es nämlich auch kein Schicksal mehr geben, sondern nur eine Serie kontingenter bedeutungsloser Ereignisse.
2.Zusatz
Ein Mann klatscht in die Hände und ein Vogel fliegt von einem Baum davon. Spontan wird dies Ereignis so gedeutet: Weil der Mann in die Hände geklatscht hatte, flog der Vogel davon. Er wird das Klatschgeräusch wohl als ein Anzeichen einer möglichen Gefahr angesehen haben und sich so in Sicherheit gebracht haben. Das die Welt eine Aneinanderreihung zufälliger Ereignisse wäre, liegt außerhalb der Weise, wie wir Menschen die Realität wahrnehmen. Sie erscheint uns im Regelfall als sinnvoll geordnet, daß eben in diesem Falle der Vogel wegflog, weil er das gehörte Geräusch als etwas potentiell Gefährliches Anzeigendes bewertete. Erst in einer kritischen Reflexion entsteht der Verdacht, daß dies "weil", daß der Vogel wegflog, weil da wer geklatscht hat,eine spontane Deutung ist, denn gesehen wurden ja nur 2 Ereignisse, das des Klatschens und das des Wegfliegens. Die Kausalität ist eine Deutungskategorie, durch die diese 2 Ereignisse causal miteinander verbunden wurden, die an sich gesehen eventuell unverbunden nebeneinander sich ereignet hätten. Aber woher stammt das vermeintliche Wissen von an sich unverbundener Ereignissen? Offekundig ist dem Denken die Vorstellung, daß es sich hier um Unverbundenes handelt, nicht angemessen, denn das Denken will hier eine Ordnung erkennen. Das kann als ein Emergenzpunkt der Frage nach Gott angesehen werden als dem Urgrund aller Ereignisse, daß sie einen Gesammtzusammenhang sind.
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