Donnerstag, 15. Dezember 2022

„Der Mensch darf nicht über sich selbst verfügen“- eine kirchliche Phrase? Das moraltheologische Fundament?

„Der Mensch darf nicht über sich selbst verfügen“- eine kirchliche Phrase? Diese Aussage begegnet in 2 Versionen, daß der Mensch nicht über sich verfügen könne oder daß er das nicht dürfe. Könnte er nicht über sich selbst verfügen, wäre allerdings das Verbot sinnwidrig, denn warum sollte dem Menschen etwas versagt werden, was er gar nicht kann. Als das Beispiel für das Nichtverfügenkönnen wird dann gern das Sterbenmüssen des Menschen herangeführt: Er könne diesem Schicksal nicht entgehen. Auch wenn diese Aussage theologisch eindeutig falsch ist, denn wir ja zwei Menschen kennen, die nicht gestorben sind, Henoch und der Prophet Elia und es Menschen geben wird, die nicht sterben werden, die, die wenn der Heiland wiederkommen wird zu richten die Lebenden und die Toten, dann leben werden und nicht zum ewigen Tod verurteilt werden, kann diese Aussage ja so gedeutet werden: Keinem Menschen ist es möglich, durch sich selbst sein Sterbenmüssen zu verhindern und das stimmt dann. Da nun aber unbestreitbar die Möglichkeit des Freitodes besteht, kann so aber der Mensch doch über sein Leben selbst verfügen: Jeder, der heute lebt, könnte sagen, daß er heute nur lebt, weil er die Möglichkeit zu einem Freitod nicht realisiert habe. Faktisch kann er so über sein Leben verfügen, ja er hat auch über sein Leben selbst verfügt, indem entschieden hat, nicht sich zu töten. Sowohl die Wahl zum Weiterleben als auch die, das eigene Leben zu beenden, sind Akte des Freiübersichverfügens. Nun kann eingewandt werden, daß der Freitod dem Menschen von Gott her untersagt sei, weil diese Tat im Urteile Gottes eine Sünde sei, aber das bringt nicht das Faktum aus der Welt, daß der Mensch so über sein eigenes Leben verfügen kann. Nur ist eben ihm seine Freiheit durch Gottes Gebote eingeschränkt: Nicht alles, was er vermag, darf er auch. Wenn nun aber diese Einschränkung als völlige Negation des Rechtes des Verfügens über sich selbst interpretiert werden würde, wäre der Mensch kein freies Wesen mehr. Denn die menschliche Freiheit ist auch als eine endliche zwar eine limitierte, aber doch eine zur Selbstbestimmung, daß eben der Mensch über sich verfügen darf. Negierte Gott diese Freiheit völlig, würde Gott dem Menschen rechtlich geurteilt die Rolle seines Sklaven zuschreiben, der nichts dürfe, als Gott zu gehorchen. Er besäße dann immer noch seine Freiheit, denn nur wer frei ist,kann gehorchen, sonst würde er nur funktionieren,aber er wäre dann faktisch rechtlos wie ein Sklave. Sinnvoller, der Beziehung Gottes zum Menschen gerechter werdend, wäre die These, daß der Mensch von Gott zu seiner Freiheit bestimmt ist, daß er ihm aber Grenzen festsetzt, die er nicht überschreiten darf, aber sehr wohl überschreiten kann. Ein einfaches Verbot jedes Übersichverfügens entmenschlichte genau genommen den Menschen und triebe ihn auch nur in eine Opposition zu Gott. Jede Mutter weiß doch, daß sie ihren Kindern nicht alles verbieten darf, was die möchten, wenn sie ihre Beziehung zu ihnen nicht völlig verderben will. Und so sollte auch die Kirche als die Mutter aller Gläubigen nicht den Eindruck evozieren dürfen, alles zu verbieten mit der Parole, daß der Mensch nicht über sein eigenes Leben verfügen dürfe. Die notwendigen Einschränkungen der menschlichen Freiheit zum Wohle aller darf eben nicht als eine Negation der Freiheit ausgelegt werden. Anders formuliert: Die menschliche Willkürfreiheit des Naturzustandes des Krieges aller gegen alle (Thomas Hobbes) wird erst durch die Aufhebung zu einer bürgerlichen Freiheit, die ihre Grenzen als vernunftgemäße Limitierung bejaht, die der Mensch nur als ein Staatsbürger leben kann. Sonst fällt der Mensch unweigerlich in den Naturzustand des Krieges aller gegen alle zurück. Der Staat als die Aufhebung der Willkürfreiheit ist nun nicht deren einfache Negation, daß der Staat dem Staatsbürger jedes Selbstbestimmugsrecht abspräche und somit verfügt der Bürger weiterhin auf das Recht, über sich selbst bestimmen zu können,und darin ist auch ein Moment des Willkürlichen mitenthalten. So darf er eben sich das Leben nehmen, auch wenn das als eine unvernünftige Entscheidung zu beurteilen ist. Aber weder Gott noch der Staat sprechen um der Freiheit des Menschen willen ihm das Recht, über sein Leben verfügen zu dürfen ab, sie limitieren es nur. Zusatz Wenn Gott (5.Buch Mose, 15-20) den Menschen vor die Wahl stellt, das Leben zu gewinnen, indem er die Gebote Gottes hält oder das Leben zu verlieren, indem er sie mißachtet, ermöglicht so nicht gerade Gott selbst, daß der Mensch über sich selbst verfügen kann?

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